Wenn Albrecht Dürer heute seine apokalyptischen Reiter noch einmal in Holz schneiden würde, dann sähe man hinter Tod, Teufel, Kriegsgurgel und Pestilenz einen Berater reiten, der von seinem italienischen Designerpferd aus eine Powerpoint-Präsentation machte. Gerade in der Verlags- und Zeitungsbranche sind derzeit viele Unternehmensberater, Design-Consultants und Digital-Nerds unterwegs. Sie fordern, dass man alles kürzer, bunter und netzaffiner machen solle, weil es die gute, alte Zeitung praktisch nicht mehr gebe.
Das ist Humbug. Zwar ist richtig, dass die alte Zeitung keine Zukunft hat, nicht nur weil ihr Informations- und Meinungsmonopol schon lange vor dem Internet durch Radio und Fernsehen zerschlagen wurde. Die gute Zeitung aber wird bleiben, weil sie eben mehr ist als nur ein Medium der Verbreitung von "Content". Sie ist ein Tages-Buch, jeden Tag eine Seite in einem nie abzuschließenden gesammelten Werk, und vor allem hat sie für ihre Leser einen Charakter. Sie ist mehr als eine Ware.
In der Verlagssprache, die manchmal auch von denen benutzt wird, die ihre Zeitung lieben, redet man nicht vom "Charakter", sondern von der "Marke". Auch in Ordnung, man nenne es, wie man will: Marke, Charakter, Identität. Jedenfalls ist eine Zeitung wie die SZ, die ein paar hunderttausend Menschen zum Teil seit Jahrzehnten kaufen und, das sagen die Statistiker, mehr als 1,3 Millionen Leute jeden Tag lesen, etwas Besonderes.
Etwas Besonderes aber muss man pflegen - durch gute Arbeit, intensive Recherche, bestmögliches Schreiben und durchaus auch (Achtung, Verleger und Geschäftsführer !) durch als unzeitig empfundene Investitionen. Und man muss die Zeitung hin und wieder an die Gegenwart anpassen, gerade weil sich in ihr täglich die Veränderungen in Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport manifestieren. Diese Layout-Reform ist eine solche Anpassung.
Manche Redakteure, zumal wenn sie den Zusatz "Chef" in der Funktionsbezeichnung tragen, neigen dazu, die Zeitung nach ihrem Bilde formen zu wollen. Das ist nicht so gut, nicht nur weil viele Chefs eine deutlich kürzere Halbwertszeit haben, als das glücklicherweise beim durchschnittlichen Zeitungsabonnenten der Fall ist. Der große Relaunch unter Assistenz eines österreichischen oder spanischen Design-Schamanen erfreut oft die Leser mäßig und hebt die Abozahlen wenig.
Die SZ ist den anderen, längeren Weg gegangen. Wir haben zuerst in der Redaktion und dann unter den Lesern erforscht, was bleiben soll, was verändert werden kann, und was gemacht werden muss. Die Schaffung einer neuen Schrift war uns dabei ein sehr wichtiges Anliegen. Die neue Schrift wird zur Identität dieser Zeitung, zur Marke beitragen, sie wird sogar ein bestimmender Teil des Charakters werden.
Über Jahre hat sich manches eingeschlichen, was zuerst vielleicht nur Nachlässigkeit war und dann zur Ressort-Eigenheit wurde. Acht verschiedene Kommentar-Formen, jede Menge Autorenzeilen, krumme Kästen und sonderbare Umtextungen eigenartig geschnittener Bilder - all das haben wir geordnet, aufgeräumt und manches schaffen wir auch ab. Nein, das ist kein Facelift, bei dem der Schönheitschirurg versucht, seine Patientin um Gottes und der Zeiten Werk zu betrügen. Die SZ wird nicht gebotoxt, nicht verschnitten, und Silikon kriegt sie auch nicht. Sie bekommt eine neue Garderobe, die zu ihr und vor allem zu ihren Lesern und Freunden passt.
Diese Zeitung wird bleiben, was sie ist: Wir wollen aktuell sein und da, wo wir nicht schneller sein können als die Elektronischen, wollen wir die Dinge eher wissen - Exklusivität schlägt heute Schnelligkeit. Die herausragend geschriebenen Stücke sollen in der SZ stehen, die provozierenden, die ironischen, die scharf analysierenden - auch und gerade die langen Texte. Die Süddeutsche soll jene Zeitung bleiben, die man lesen muss, wenn man wirklich gerne Zeitung liest. Und dazu soll diese Layout-Reform beitragen.
Einen Eindruck vom neuen Layout können Sie sich auch mit Hilfe des E-Papers verschaffen (kostenpflichtig).