Moderator Klaas Heufer-Umlauf:"Ey, du bist doch Joko und Klaas"

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Klaas Heufer-Umlauf ist bei ZDF neo und Pro Sieben fast immer zusammen mit seinem MTV-Kollegen Joko Winterscheidt zu sehen. Vielleicht wird der gelernte Friseur aber auch bald mal alleine berühmt - denn er trägt einen pubertären Freigeist ins alte ZDF, der guttut.

Cornelius Pollmer

Studio 1, Stralauer Allee 7, Berlin: Ein schwarzer Vorhang verdeckt den traurigen Rest des Musikfernsehens, nur an ein paar Stellen blitzt ein giftiges Grün hervor. Viva zeichnet hier seine Chartsendungen auf, "viel mehr machen die ja nicht mehr", meint einer von der Produktionsfirma Strandgut und spielt damit auf die vielen Flächen an, die der Sender mit US-Ware füllt. Das Studio ist trotzdem gut gebucht, weil auch jene, die das Musikfernsehen überlebt haben, gleich hier geblieben sind: Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt moderierten in diesem Studio erst für MTV, jetzt zeichnen sie für ZDFneo auf.

Kultur und TV-Trash gehören gemeinsam in "die wirkliche Gegenwart von Leuten wie mir", sagt Klaas Heufer-Umlauf. (Foto: Getty Images)

Bei MTV hieß die Sendung Home, jetzt heißt sie neoParadise, viel mehr hat sich nicht geändert, das verrät schon das Setdesign: An der Wand hängt ein Nacktkalender der Tiefbaufirma Eckert, auf dem Couchtisch liegen Ausgaben der Kunstzeitschrift Monopol und der Vice, einem Magazin für Jugendkultur. Damit ist ganz gut umrissen, wen sich das ZDF da ins Haus geholt hat - und warum es richtig war, obwohl sie beim Sender sicher noch häufiger Gelegenheit bekommen werden, dies anzuzweifeln.

Neulich hat die Redaktion bei Facebook zu einem Gewinnspiel aufgerufen, und auf einmal lagen im Postkorb der ZDF-Pressestelle 50 Fotos von etwas, das nur Männer haben. Da gab es, immerhin, eine freundliche Rüge per Mail: Man möge das nächste Mal bitte vorher Bescheid geben, dann würden die Mitarbeiter der Pressestelle vor der Arbeit nicht frühstücken.

"Das war schon sehr witzig", sagt Klaas Heufer-Umlauf, und dann grinst er wie ein Grundschüler, der seiner Klassenlehrerin gerade einen ziemlich guten Streich gespielt hat. Heufer-Umlauf, 28, sitzt im Produktionsbüro der Sendung, und in diesem quietschenden Chaos kann man einen sehr bunten Moment lang vergessen, dass ihm noch viel mehr zuzutrauen ist, als junge Menschen in die Mediathek des ZDF zu locken.

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Nun haben also auch "Joko und Klaas" ihre eigene Abendshow auf Pro 7. Was wurde aus den anderen Viva- und MTV-Moderatoren unserer Jugend: Mola, Milka, Heike, Charlotte und wie sie alle hießen? Wer machte Karriere, wer wurde abgesägt - und wer ist Ihr Favorit? Stimmen Sie ab!

Auf dem Schreibtisch steht eine leere Schachtel Haribo Balla-Balla, ein Mitarbeiter sucht gerade seine Lichtschwerttaschenlampe, ein anderer seine Spiderman-Trinkflasche. In der Mitte sitzt Klaas Heufer-Umlauf wie Stuart Larkin von Mad TV. Man vergisst in diesem bunten Moment, dass Heufer-Umlauf mit Thomas Gottschalk zusammen die ZDF-Sendung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls moderiert hat; dass er - neben Günther Jauch und Stefan Raab - in diesem Jahr für den Fernsehpreis nominiert war; dass er dem Ensemble von Harald Schmidt angehört; und dass Leute wie Herbert Grönemeyer trotz Spartenkanalquote in seine Sendung kommen, einfach, weil sie Lust darauf haben.

Neulich stand im Spiegel, das ZDF überlege sogar, Winterscheidt und Heufer-Umlauf als neue Moderatoren von Wetten, dass..? einzusetzen. Statt einfach abzusagen, haben sie dann Wolfgang Lippert in ihre Sendung eingeladen und die Show "live aus der Mehrzweckhalle Recklinghausen" mit der Eurovisionshymne eröffnet. Es würde einen allerdings auch nicht mehr wundern, wenn Winterscheidt und Heufer-Umlauf auch noch Wetten, dass..? übernähmen. Sie haben 2011 für Pro Sieben zwei Primetime-Formate moderiert, hinzu kommt die wöchentliche Show im ZDF. Ein Wanderzirkus mit straffem Tourneeplan.

Manchmal halten junge Leute auf der Straße an, wenn sie Heufer-Umlauf sehen, und dann sagen sie: "Ey, du bist doch Joko und Klaas!", und in Studio 1 in Berlin verschwimmen die beiden tatsächlich: Winterscheidt und Heufer-Umlauf sitzen auf der Couch, das Kamerabild von ihnen wird auf den Fernseher dahinter übertragen und verschachtelt sich endlos wieder ineinander. Heufer-Umlauf macht "eine Laola in die Unendlichkeit", aber ganz so lang wird die Zusammenarbeit dann doch nicht dauern.

Aufgewachsen ist Heufer-Umlauf in Oldenburg, und Oldenburg hat ihn ziemlich gut aufs Fernsehen vorbereitet. Das erste Lied, dessen Text er als Jugendlicher auswendig konnte, war "Populär" von den Fantastischen Vier. Herr Wildner, sein Englischlehrer, hat damals schon gesagt, Klaas werde mal eine Show auf Sat 1 bekommen. Da ging Heufer-Umlauf noch auf die Realschule am Flötenteich, die "auch deswegen Realschule heißt, weil sie einen auf die Realität vorbereitet." Noch mehr von der Realität hat er dann in der Ausbildung mitbekommen, beim Friseur Eigenart, "dort habe ich moderieren gelernt". Heufer-Umlauf spielte am Theater in Oldenburg, er war eine Weile als Maskenbildner in Weimar, den Zivildienst leistete er im Krankenhaus.

So sammelte er die Referenzen einer Wirklichkeit ein, die er heute im Fernsehen und auf der Bühne verwerten kann. Dass er zunächst bei Viva landete, liegt auch an "einer gewissen Begeisterung für Anti-Ästhetik. Ich kann mir, mit ehrlicher Begeisterung, die Volksmusik im Fröhlichen Feierabend anschauen oder Harald Glööckler, bei dem man auch immer das Gefühl hat, er sieht die Sachen zum ersten Mal, wenn er in die Sendung kommt".

Dass er heute beim ZDF moderiert, während andere seines Jahrgangs noch immer vor der giftgrünen Wand Lady Gaga ansagen müssen, liegt an Heufer-Umlaufs Fleiß und der Gewissheit, dass es in aller Regel harte Arbeit ist, die den Moderationen Leichtigkeit geben und keine Leere. Und an dem schönen Versuch, den Trash des Privatfernsehens genauso zu verarbeiten wie das wirkliche Zeitgeschehen.

Heufer-Umlauf trägt, wie auch Oliver Welke mit der heute show, einen pubertären Freigeist ins ZDF, der dem Sender guttut. Es ist eine Albernheit, die hilft, die Aufmerksamkeit junger Zuschauer zu bekommen - erst kommt ein Witz über Martin Semmelrogge, dann einer über Berlusconi. Es geht darum, bei einem jungen Publikum vorhandene Begehrlichkeiten zu decken, danach aber ein Angebot darüber hinaus zu machen, auch wenn der Weg dabei manchmal weit wird, etwa von Andrea Sawatzki zu Richard Wagner.

Erster Freitag im Dezember, Ringlockschuppen, Bielefeld. Das Bühnenprogramm Zwei alte Hasen erzählen von früher, das Heufer-Umlauf zusammen mit Jan Böhmermann aufführt, ist gerade in die Pause gegangen. Normalerweise legen Tonmenschen an dieser Stelle etwas Fahrstuhlmusik auf, doch jetzt gibt es: Tristan und Isolde. Soweit zum Angebot. Die Begehrlichkeit gibt es in Form einer siebenminütigen Kamerafahrt: ein fast quälend langsamer Zoom auf Andrea Sawatzkis Atombrüste, die sie Anfang Dezember mit auf die Couch zu Wetten, dass..? gebracht hatte und die jetzt in Bielefeld wie ein Fahndungsfoto an der Leinwand stehen.

Die Frage könnte sein, was es am Ende werden soll bei Klaas Heufer-Umlauf. Ob es Richtung Wagner gehen soll, oder eher Richtung Sawatzki. Ob er den Pocher machen will, oder beim ZDF innerlich ergrauen. Die richtige Antwort ist, dass man sich nicht zwischen Wagner und Sawatzki entscheiden muss. Bei Viva habe es über die jungen Zuschauer immer geheißen, dieses und jenes verstünden sie nicht, aber "das ist Quatsch. Klar verstehen die das. Und genauso heißt es bei älteren Leuten manchmal: Das checken die nicht, die wollen nicht Fernsehen gucken, die wollen aus dem Fenster gucken. Das stimmt aber nicht."

Der Maßstab ist "die wirkliche Gegenwart von Leuten wie mir", sagt Heufer-Umlauf. Dazu gehört höhere Kultur genauso wie der TV-Trash, und die Beschäftigung mit letzterem werde nur deswegen selten akzeptiert, "weil sie offensichtlicher ist. Leuten, die eine Oper verstehen, traut man auch zu, dass sie alles andere verstehen. Beim Trash kann das eine Inselbegabung sein." Muss es aber nicht - und wahrscheinlich ist es keine schlechte Entscheidung, auch die seichten Dinge ernst zu nehmen, "als alles mit Sarkasmus und einer Distanziertheit zu betrachten, die eigentlich unglücklich macht."

© SZ vom 12.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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