Medien: Osteuropa-Geschäft:Pakt in Zürich

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Axel Springer und der Schweizer Verlag Ringier bündeln ihre Kräfte in einem Joint Venture. Die beiden Verleger haben es auf Osteuropas Medienmarkt abgesehen.

Claudia Tieschky

Der Sitz der Ringier AG in der Dufourstraße liegt nicht weit vom Zürichsee, um die Ecke in der Falkenstraße residiert die Neue Zürcher Zeitung. An diesem Ort eidgenössischer Bürgerlichkeit wurden am Mittwoch große Pläne für das ferne Osteuropa verkündet. Der Ringier-Konzern, der in der Schweiz das größte Boulevardblatt Blick herausgibt, und die Berliner Axel Springer AG (Welt, Bild) wollen künftig ihre Osteuropa-Geschäfte in einem Joint Venture mit Sitz in Zürich bündeln.

Es geht um einen Markt von mehr als 100 Zeitungen und Zeitschriften sowie 70 Online-Angeboten, der bislang für beide lukrativ gewesen ist: 2009 erwirtschafteten Springer und Ringier im künftigen Kooperationsgebiet zusammengerechnet 414 Millionen Euro Umsatz. Nun entsteht ein neuer Medienriese im Osten, an dem beide Partner jeweils zur Hälfte beteiligt sind.

Wie der Ringier-Vorstandsvorsitzende Christian Unger und Springer-Chef Mathias Döpfner erklärten, soll das Unternehmen in drei bis fünf Jahren an die Börse gebracht werden. Der Zusammenschluss steht unter dem Vorbehalt kartellrechtlicher Freigaben.

Mit dem neuen, noch namenlosen Unternehmen werden zwei der wichtigsten Medienmächte in Osteuropa von Konkurrenten zu Partnern. Vor allem dadurch verspricht man sich offenbar strategische Vorteile. Eine zentrale Rolle spielen die Boulevardmedien. Döpfner nannte sie die "unternehmerische Kern-DNA" der beiden Verlage und verwies auf Bild und Blick, beides führende Boulevardblätter.

Großinvestionen geplant

Im internationalen Geschäft ist Springer mit Fakt Marktführer in Polen, wo Ringier bislang nicht vertreten war. Die Schweizer wiederum bringen unter anderem die nach eigenen Angaben jeweils auflagenstärksten Boulevardblätter Blesk (Tschechien), Novy Cas (Slowakei), Blikk (Ungarn) und Blic (Serbien) in das Joint Venture ein. "Wir werden auf einen Schlag Marktführer in Osteuropa in Boulevardmedien", sagte Ringier-Vorstand Unger.

300 Millionen Euro sollen Unger zufolge in den kommenden Jahren investiert werden, neben Zukäufen will man vor allem die Digitalisierung der bestehenden Verlagstitel vorantreiben und multimediale Marken formen. Döpfner sieht die Chance, "in diesen noch sehr jungen Online-Märkten" von Anfang an auf Bezahlinhalte zu setzen.

"Die entscheidende Logik für unsere Transaktion ist die digitale Transformation", formulierte Döpfner. Im Blick hat man offenbar auch mögliche Beteiligungen an Internet-Firmen: Ringier ist zuhause bereits Mehrheitseigner der Swiss Media mit dem Online-Marktplatz Scout 24, Springer gehören 49,9 Prozent der Internet-Stellenbörse Stepstone.

Hohe Ausgleichszahlung für Ringier

Ringier bringt offenbar viel Werthaltiges mit: Springer wird in das Joint Venture zunächst 50 Millionen Euro einbringen und an Ringier eine Ausgleichszahlung von 125 Millionen Euro leisten. Die Deutschen können das Projekt in ihrer Bilanz konsolidieren und damit ein kräftiges Plus ausweisen: Springers Auslandsumsätze steigen durch den Deal nach eigenen Angaben von 21 auf 27 Prozent.

Das Auslandsgeschäft ist für Springer auch deshalb wichtig, weil der Konzern in Deutschland längst an seine kartellrechtlichen Grenzen gestoßen ist; 2006 wurde der Kauf von Pro-Sieben-Sat1 untersagt. Ringier verzeichnete 2008 bei einem Gesamtumsatz von 965 Millionen Euro in Ost- und Mitteleuropa noch ein Umsatzplus von vier Prozent (331,4 Millionen Euro).

Allerdings gehen Marktbeobachter davon aus, dass die Werbekrise in Osteuropa noch nicht voll in die Bilanzen durchgeschlagen hat. Ringier-Manager Unger prognostiziert für die Region dagegen optimistische sieben Prozent Wachstum in den kommenden Jahren, für Westeuropa stünden nur 1,8 Prozent in Aussicht. Leiter des neuen Unternehmens wird Florian Fels. Der 42-Jährige war bei Springer für das Polen-Geschäft verantwortlich, bevor ihn Ringier im Januar abwarb und als Verantwortlichen für Mittel- und Osteuropa einsetzte.

Springer schielt schon lange auf Ringier

Die neue Kooperation ist das bislang jüngste Kapitel in der langjährigen On-Off-Beziehung zwischen Ringier und Springer. 2002 stand der Züricher Konzern schon einmal kurz vor dem Verkauf an Berlin; doch Verleger Michael Ringier, der einst bei der Münchner Abendzeitung und beim Stern als Journalist arbeitete und die bildende Kunst liebt, sagte in letzter Minute ab.

Im Ringier-Verwaltungsrat sitzen unter anderem die Deutschen Hans-Olaf Henkel und Christiane zu Salm. Altbundeskanzler Gerhard Schröder ist als Berater für Michael Ringier tätig. Das Flaggschiff Blick litt zuletzt stark unter den vielen Gratiszeitungen in der Schweiz, den traditionsreichen Wirtschaftstitel Cash wandelte Ringier zur Online-Plattform um. In Deutschland leistet sich der Verlag Pretiosen-Titel wie Cicero und Monopol.

Springer wiederum hat in den vergangenen Jahren kräftig in der Schweiz expandiert und erwarb unter anderem Ringiers TV-Programmzeitschriften. Zeitweilig gab es Gerüchte über neue Übernahmeversuche. Vor zwei Jahren noch hat Michael Ringier Verkaufsabsichten zurückgewiesen; er deutete aber auch an, es dass er die Unabhängigkeit seiner Firma nicht über alles stellen würde - vor allem, wenn sich im Gegenzug die Chance auf Wachstum böte.

© SZ vom 25.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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