Letzte Staffel von "Mad Men":Der Fall des Don Draper

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Jon Hamm in seiner Rolle als Don Draper in Mad Men. (Foto: dapd)

Die Serie "Mad Men" handelt vom Leben des Anzug tragenden, Whiskey trinkenden und Frauen begaffenden Don Draper. Nun startet in den USA die finale Staffel. Was wird aus dem Mann mit dunkler Vergangenheit? Hauptdarsteller Jon Hamm gibt nur vage Hinweise.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt in der Fernsehserie Mad Men diese wunderbare Anfangssequenz mit dem Song "A Beautiful Mine" von RJD2: Ein Mann steht in seinem Büro, die Welt um ihn herum zerbricht. Dann fällt er, vermutlich vom Dach eines Wolkenkratzers in New York, vorbei an Werbeanzeigen mit leichtbekleideten Frauen, vorbei an dem Slogan "Enjoy the best America has to offer". Der Aufprall am Boden wird nicht gezeigt, stattdessen sitzt der Mann in der nächsten Szene lässig in einem Sessel, in der Hand eine Zigarette.

Seit Jahren rätseln die Zuschauer von Mad Men, was diese 37 Sekunden bedeuten könnten. In den Vereinigten Staaten beginnt am Sonntag die siebte und letzte Staffel der Serie. Begeht Protagonist Don Draper am Ende Suizid? Das Ende der vergangenen Spielzeit suggeriert, dass es für ihn nicht gut ausgehen könnte: Er wird aus seiner eigenen Firma hinausgeworfen. "Das Büro war für Don immer der Ort, an dem für ihn alles in Ordnung war", sagt Draper-Darsteller Jon Hamm am Telefon: "Darauf konnte er sich stets verlassen, deshalb ist es schon eine große Sache, dass er praktisch gefeuert wurde. Ob das ein Weckruf für ihn ist, werde ich natürlich nicht verraten."

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Das ist die zweite Lesart des Vorspanns: Symbolisiert der Fall den beruflichen wie privaten Absturz Drapers, während die letzte Einstellung ein wohlwollendes Ende suggeriert? "Ich glaube, dass es einen roten Faden in Drapers Leben gibt: Wenn er herausgefordert oder herumgeschubst wird, dann wehrt er sich und ist in der Lage, an dieser Aufgabe zu wachsen", sagt Hamm. "Ich denke, dass das ein kleiner Hinweis darauf sein könnte, was wir von den letzten Episoden erwarten können."

Oder gibt dieser Vorspann womöglich überhaupt keine Hinweise - schließlich gibt es die Sequenz bereits seit Beginn der Show? Erfinder Matthew Weiner betont, im Jahr 2007 noch kein Ende geplant zu haben: "Ich dachte, dass es eine interessante Geschichte wäre, die ich gerne erzählen wollte. Ich hatte eine Pilotfolge und wusste, dass sie mehr als nur eine Episode lang halten würde - aber ich hatte kein Ende im Sinn."

Draper ist der Antiheld in Weiners Kosmos, seine Entwicklung vom charmanten und erfolgreichen Werbemenschen im Amerika der 60er Jahre mit einer Vorliebe für Promiskuität, Tabak und harten Alkohol hin zum gefallenen, geschiedenen und gefeuerten Alkoholiker wird erbarmungslos, jedoch ohne Urteil gezeigt. "Don macht eine harte Zeit in seinem beruflichen und privaten Leben durch", sagt Hamm. "Wir alle kennen Menschen, die mit einer Scheidung oder einer schweren Zeit im Berufsleben umgehen müssen - und die dadurch zu schrecklichen Menschen werden. Genau so einer ist unser Freund Don."

Die urteilsfreie Darstellung Drapers in den ersten beiden Staffeln sorgte dafür, dass nicht wenige Zuschauer glaubten, dass jeder Mann im Anzug ein bisschen aussieht wie Don Draper und dass es eigentlich doch ganz cool ist, während der Arbeit mit einem Drink in der Hand einer Frau auf den Hintern zu starren. In Wirklichkeit sehen viele Männer im Anzug jedoch ein bisschen aus wie Heinz Erhardt - und wer sich morgens um zehn Uhr einen Whiskey genehmigt, der ist nicht cool, sondern hat gewaltige Probleme. Draper ist kein cooler Kerl, er ist ein Blender mit dunkler Vergangenheit und womöglich noch dunklerer Zukunft.

Die Geschichte des gefallenen Protagonisten, der eine Katharsis erlebt und sich zurück ins Leben kämpfen muss, ist freilich nicht neu - das gab es bereits in der griechischen Mythologie. Im amerikanischen Fernsehen wird diese Form des Geschichtenerzählens durch eine Reihe neuer Antihelden gerade neu definiert. Es gibt da Walter White in Breaking Bad, Raymond Reddington in The Blacklist oder die beiden Detektive Rust Cohle und Marty Hart in True Detective - und natürlich Don Draper in Mad Men.

Allesamt faszinierende, charismatische Charaktere, die von den Produzenten jedoch nur porträtiert werden. Die moralische Bewertung wird stets dem Zuschauer überlassen. Auch Hamm will sich kein Urteil erlauben über den Typen, den er da zu verkörpern hat: "Ein schlauer Mensch hat mir mal gesagt, dass man sich und der Figur keinen Gefallen tut, wenn man sie beurteilt - also versuche ich, es nicht zu tun."

Abkehr von den Heile-Welt-Sitcoms

Mad Men ist aber auch die Dekonstruktion eines patriarchalisch geprägten Weltbildes. Es ist auch die Geschichte von Peggy Olson (gespielt von Elisabeth Moss), die als Sekretärin in der Werbeagentur beginnt und am Ende der vorletzten Staffel den Platz des geschassten Don Draper einnimmt. Ebenso ist es die Geschichte von Joan Holloway (Christina Hendricks), die sich in einer von Männern dominierten Welt behauptet und von der Sekretärin zur Partnerin in der Firma aufsteigt. Mad Men ist auch eine Abkehr von den Heile-Welt-Sitcoms und Happy-End-Dramen der 90er Jahre und verkündet obendrein eine durchaus aktuelle Botschaft - wenn man bedenkt, dass es immer noch Präsidenten-Erlasse braucht, damit Männer und Frauen bei gleicher Tätigkeit die gleiche Bezahlung erhalten.

Bei aller Symbolik jedoch, und das betonen sowohl Jon Hamm als auch Erfinder Matthew Weiner immer wieder, soll Mad Men die Geschichte von Don Draper bleiben. Die Darstellung einer kniffligen Zeit im Leben eines Mannes, der alles zu haben scheint, trotzdem unglücklich ist und letztlich an sich selbst scheitert. Natürlich darf Hamm nicht verraten, was die Anfangssequenz denn nun bedeutet, die Zuschauer werden sich die letzte Staffel ansehen müssen, um eine Antwort auf dieses Rätsel zu erhalten.

Hamm sagt nur: "Ich bin froh, dass die Serie zu Ende geht - aber ich werde völlig fertig sein, wenn es so weit ist. Die Sendung hat quasi ein Jahrzehnt meines Lebens eingenommen." Vielen Zuschauern geht es ähnlich. Sie wollen keinesfalls Don Draper sein. Aber sie wollen unbedingt wissen, was aus ihm wird.

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