Kolumne: Abspann:Sind so brave Kinder

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In der Corona-Krise müssen Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Auf Symbolbildern zum Thema Home-Office sieht die Welt ein wenig idyllischer aus als in der Realität.

Von Barbara Vorsamer

Worum geht es, wenn das Foto Pumps inmitten von Herrenschuhen vor einer Aufzugstür zeigt? Klar, Frauenquote. Kinderfuß in rosa Schnürschuh neben schwarzem Damenschuh? Richtig: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frau mit Kleinkind auf dem Schoß vor Laptop? Home-Office.

Man war schon viel optischen Unsinn aus dem Themensegment gewohnt, bevor eine Corona-Mutter aus Kaufbeuren die Nachrichtenseiten eroberte. Sie trägt einen gestreiften Bleistiftrock und ein weißes! T-Shirt, das Wohnzimmerparkett ist spiegelblank, der Tisch krümelfrei und auch der Bildhinweis klingt nach reiner Home-Office-Idylle: "Die Mutter des sechsjährigen Jakob und des vierjährigen Valentin arbeitet Zuhause an einem Laptop, während ihre Kinder neben ihr malen und ein Buch ansehen." Den deutschsprachigen Medien gefiel diese friedliche Version der Realität gleich so gut, dass das dpa-Bild laut Google-Suche bereits 891 mal publiziert wurde, übrigens auch in der SZ.

Was in der mitgelieferten Bildunterschrift natürlich nicht steht: Das haben Valentin und Jakob nur kurz fürs Foto gemacht, weil ihnen die Mama ein Eis versprochen hat. Ist gerade nicht die Presse da, hauen sich die beiden auf die Mappe, greinen "Mir ist langweilig" oder binge-watchen Paw Patrol.

Ist natürlich nur eine Vermutung, aber so oder so ähnlich muss es gewesen sein, denn echtes Familienleben passt nicht auf ein Symbolfoto, dafür bräuchte es eher ein Wimmelbild. In der Bildunterschrift würde dann stehen: "Links im Bild liegen Legosteine im Flur, in der Mitte stolpert jemand übers Ladekabel. Der kleine Junge in der Ecke (rechts) muss ganz dringend aufs Klo, aber Papa hat grad Telko und die Noise Canceller auf, deswegen hört er ihn nicht und muss nachher den See wegwischen."

Home-Office mit Kindern ist "anstrengend, aber machbar", sagte Familienministerin Franziska Giffey kürzlich in einem Interview. Man kann sich diese Einschätzung nur damit erklären, dass sie zu oft das Bild der krümelfreien Corona-Mutter gesehen hat.

© SZ vom 22.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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