Interview:"Der frischere, jüngere Tonfall ergab sich fast von alleine"

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Junge Spanierin gegen paranoide Engländer: Katharina von Aragon (Charlotte Hope) kämpft sich durch. (Foto: Starz/Amazon)

Wie erzählt man zeitgemäß aus dem 16. Jahrhundert? Die Schöpfer der Historienserie "The Spanish Princess", Emma Frost und Matthew Graham, haben mit dem Genre schon viel Erfahrung.

Interview von Patrick Heidmann

Historische Stoffe erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit, vor allem wenn sie als kurzweilige Mischung aus Geschichtsstunde und Seifenoper umgesetzt werden. Paradebeispiel dafür sind die Romane von Philippa Gregory, von denen es schon The White Queen und The White Princess als Serien auf den Bildschirm schafften. Nun legt Showrunnerin und Drehbuchautorin Emma Frost mit ihrem Lebensgefährten Matthew Graham The Spanish Princess nach, über die aus Spanien in England ankommende Katharina von Aragon, die zur ersten Ehefrau von Heinrich VIII. wurde.

SZ: Miss Frost, Mr. Graham, The Spanish Princess fällt ins Fach der historischen Fiktion. Wie wichtig waren Ihnen Fakten? Oder stören Sie sich nicht an Besserwissern, die sich über mangelnde Korrektheit beschweren?

Emma Frost: Wie sollten wir uns daran stören, wenn sich selbst Historiker in vielem untereinander nicht einig sind? Mit den Fakten ist das im Falle unserer Serie ohnehin so eine Sache. Wir erzählen von Frauen, und die spielen in den Geschichtsbüchern kaum eine Rolle. Geschichte wird von Siegern geschrieben, also eigentlich immer von weißen Männern. Deswegen wissen wir von den Frauen selten mehr, als wann sie geboren wurden und wen sie geheiratet haben. Das verschaffte uns, was die Fiktion angeht, viele Freiheiten.

Matthew Graham: Bei uns sind zum Beispiel Katharina und Heinrich bei ihrem ersten Kennenlernen eine Ecke älter, als sie es in Wirklichkeit waren. Aber nicht weil wir zu doof sind, um Geschichtsbücher zu lesen, sondern weil wir keine Dokumentation gedreht haben. Wir nahmen uns künstlerische Freiheiten heraus, um diese Geschichte für ein Publikum im 21. Jahrhundert zu erzählen.

Sehr modern wirkt an The Spanish Princess etwa die Inklusion von Figuren mit schwarzer Hautfarbe, auch bei Hofe.

Graham: Darauf sind wir besonders stolz. Und liegen historisch nicht falsch. Dass es auch im England der Tudor-Zeit nicht nur Weiße gab, gilt inzwischen als gesicherte Erkenntnis, selbst wenn Historiker das offiziell erst seit rund fünf Jahren bestätigen.

Haben Sie diese Fortschrittlichkeit aus Philippa Gregorys Vorlage übernommen?

Frost: Nein, zwar kommen auch bei ihr Hofdamen vor, aber keine ist schwarz. Wobei man dazu sagen muss, dass Philippa von Forschung in dieser Richtung noch kaum was gewusst haben kann, schließlich sind die Romane schon etwas älter. Ich fühlte aber eine gewisse Verpflichtung, Geschichte nicht nur für Frauen zurückzuerobern, sondern auch für alle anderen, die darin bislang zu wenig repräsentiert waren.

War Ihnen insgesamt ein moderner Bezug dieses Mal noch wichtiger?

Frost: Der etwas frischere, jüngere Tonfall ergab sich durch das Material fast von alleine. Katharina und ihre beiden Zofen erschienen uns fast wie eine freche Girlgang, und die Drehbücher sollten verspielter, leichtfüßiger und inspirierender werden.

Graham: Das Neue und die Jugend dieser Geschichte standen für uns im Zentrum. Eine junge Frau aus Europa, die mit ihren neuen Ideen das düstere, von Paranoia gezeichnete England aufmischt - das ist als Einwanderungsgeschichte in Zeiten des Brexits doch irgendwie passend.

Frost: Überhaupt lassen sich interessante Parallelen zu unserer Gegenwart entdecken. Wie da jemand Fremdes von außen ins Königshaus kommt, aber statt mit offenen Armen nur mit Misstrauen und übler Nachrede empfangen wird, das erinnert mich jedenfalls sehr daran, wie bei uns in Großbritannien zuletzt mit Meghan Markle umgegangen wurde.

Eine Frage noch: Worin liegt der Reiz, sich auf acht Folgen zu beschränken?

Frost: Man kann in diesem überschaubaren Rahmen alle Vorteile einer filmischen Erzählweise nutzen, mit der klassischen Struktur von Anfang, Mittelteil, Finale. Dafür hat man mehr Raum als bei einem Kinofilm, aber läuft auch nicht Gefahr, die Sache zu sehr auszudehnen. Wobei wir ursprünglich 16 Folgen entworfen hatten. Deswegen ist es nicht vollkommen ausgeschlossen, dass wir irgendwann doch auch noch die letzten acht Drehbücher schreiben.

The Spanish Princess , beim Amazon-Prime-Kanal StarzPlay.

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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