Hörspiel "Zärtlichkeiten":Lieblingsmenschen

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Elf Autoren, zehn Geschichten: Die Kurz-Hörspielreihe "Zärtlichkeiten" erzählt in spannenden Facetten von der Schwierigkeit, Nähe zuzulassen.

Von Stefan Fischer

Kann ein Sturm zärtlich sein? Wohl eher nicht, meint die Schauspielerin Britta Steffenhagen. Dennoch mag sie sich nicht komplett verabschieden von dem Gedanken, dass auch heftige Winde einen liebkosen können. Irgendwie, diesen Eindruck hat man als Hörer, fände sie diese Vorstellung schön. Auch ihre Kollegin Hildegard Schmahl erzählt eine scheinbar paradoxe Anekdote - über Zärtlichkeit im Moment des Todes: Eine Freundin begleite immer wieder Sterbende, in eine von ihnen habe sie sich verliebt. Und von dieser Frau immens viel Wärme erhalten und Kraft, obwohl es doch eigentlich umgekehrt sein sollte.

Solche kleinen Einleitungen der Schauspielerinnen, Autoren und einmal auch der Regieassistentin Vanessa Gräfingholt stehen den zehn Folgen der Kurzhörspiel-Reihe Zärtlichkeiten voran. Und erweitern all diese Geschichten immer noch um eine Dimension, einen zusätzlichen Gedanken, eine Idee. Elf Autorinnen und Autoren, darunter Jakob Nolte, Karosh Taha, Paulina Czienskowski, Duygu Ağal, Karen Köhler und Theresia Enzensberger, haben zehn jeweils etwa zehnminütige Szenen geschrieben über Momente von Nähe und Verbundenheit.

Stundenlang gemeinsam in einem Auto, dann auch noch ein Unfall: Das erzeugt Stress

Durch viele dieser Geschichten schimmert zugleich die Angst vor Verlorenheit, oder aber es gibt ein äußeres Ereignis, das zwei Menschen eng zusammenschweißt, weil sie zu einer Schicksalsgemeinschaft werden. Jakob Nolte spielt damit sehr geschickt in "Zwei Freundinnen sind im Urlaub". Die beiden Frauen fahren in einem Mietwagen durch eine Art Dschungel und kollidieren dabei mit einem Tier. Sie müssten jetzt eigentlich zusammenhalten, um die Situation zu meistern. Doch wird die zwangsweise Nähe in dem Fahrzeug für beide zu einer größeren emotionalen Belastung.

Paulina Czienskowski lässt eine Demenzkranke und deren Tochter einander umkreisen in dem steten und meist vergeblichen Versuch, in die Realität der jeweils anderen vorzudringen. Zum einen hat sich aufgrund der durch die Krankheit ausgelösten Veränderung der Persönlichkeit die alte, tiefe Verbundenheit zwischen Mutter und Tochter aufgelöst, zum anderen verkehren sich die Rollen: Die Jüngere wird jetzt zur Umsorgenden.

Judith Lorentz hat diese inhaltlich und stilistisch sehr unterschiedlichen Episoden stark inszeniert: Jede Geschichte hat den Rhythmus und die Tonalität, die ihr am besten entsprechen. Und dennoch entsteht ein stimmiges Ganzes, das viele spannende Ecken und Kanten hat und vor allem nie in kitschige Gefühligkeit abgleitet.

Zärtlichkeiten , DLF Kultur, 23. Juli 2023, 18.30 Uhr.

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