Hardy Krüger im Gespräch:"Den Ruf nicht aufs Spiel setzen"

Lesezeit: 7 min

Schauspiel-Comeback nach 20 Jahren: Hardy Krüger über seine neue Rolle als Patriarch im ZDF-Film "Familiengeheimnisse", Erfahrungen mit Nashörnern und John Wayne.

Rupert Sommer

Es ist nie zu spät für einen Neuanfang: Mit 82 Jahren hat der gebürtige Berliner mit den stahlblauen Augen nun doch noch einen ZDF-Fernsehfilm gedreht und kehrte damit nach über 20 Jahren wieder vor die Kamera zurück. Hardy Krüger gelang es als erstem Deutschen der Nachkriegszeit, Hollywood zu erobern und an der Seite großer Stars wie John Wayne (Hatari! ), Richard Burton (Die Wildgänse kommen ) und James Stewart (Der Flug des Phoenix ) zu spielen.

Hardy Krüger spielt im ZDF-Film "Familiengeheimnisse - Liebe, Schuld und Tod" den schwerreichen Boss eines Beauty-Konzerns, der plötzlich auf seine uneheliche Tochter trifft. (Foto: ZDF/Carlo Rola)

20 Jahre lang lebte er auf einer Farm am Fuße des Kilimandscharo. Mit der NDR-Fernsehreihe Weltenbummler berichtete er von seinen ausgedehnten Reisen. Im TV-Drama Familiengeheimnisse - Liebe, Schuld und Tod (Sonntag, 9. Januar, 20:15 Uhr im ZDF) von Regisseur Carlo Rola spielt er den Chef eines deutschen Kosmetikkonzerns, der am Sterbebett seiner Geliebten erfährt, dass er eine afrikanische Tochter hat.

sueddeutsche.de: Herr Krüger, auf Ihre Rückkehr vor die Kamera hat man lange warten müssen. Warum haben Sie dann ausgerechnet bei einem ZDF-Fernsehfilm zugesagt?

Hardy Krüger: Ich wollte wieder arbeiten, wenn ich auch eigentlich Kinoschauspieler bin. Warum es zu so einer langen Pause kam? Die ist durch meine Weltenbummlerfilme für den NDR entstanden, die zehn Jahre in Anspruch genommen haben. Man kann nicht zehn Jahre seines Lebens abwesend sein, ohne bestraft zu werden.

sueddeutsche.de: Das Risiko, gute Rollen zu verpassen, dürfte Ihnen klar gewesen sein.

Krüger: Ich habe das gewusst, aber die Arbeit an den Weltenbummler-Reportagen war so faszinierend, dass ich dies in Kauf nahm. Ich bin ja schließlich kein Journalist, der in ein Land kommt und dann schon gleich alles zu wissen glaubt. Zusammen mit meiner Frau habe ich immer erst einige Zeit bei den Leuten vor Ort gelebt, bevor ich mich schließlich zu fragen traute, ob ich auch mit einem Fernsehteam wiederkommen könnte. Bevor die Kameras überhaupt eingeschaltet wurden, haben wir uns sehr intensiv in das Leben anderer Volksgruppen, anderer Götter und anderer kulturell-politischer Hintergründe eingefühlt. Das hat mein eigenes Leben sehr bereichert. Der Hindu-Gedanke der Reinkarnation fasziniert mich zutiefst. Dieses Arbeiten war daher für mich genauso wichtig wie eine Hollywood-Karriere.

sueddeutsche.de: Wie schwer fiel Ihnen denn nach der Reportage-Zeit für den NDR der Wiedereinstieg ins Filmgeschäft?

Krüger: In Hollywood, Paris und London waren in der Zwischenzeit neue Produzenten nachgewachsen, die kannten zwar meine früheren Filme - konnten mich aber nicht mehr so richtig einsetzen. Wenn man älter wird, sind ohnehin die Rollen dünner gesät. Was da an Angeboten kam, musste ich ablehnen - weil ich meinen Ruf, den ich mir in diesen Ländern über Jahre erarbeitet hatte, nicht aufs Spiel setzen wollte.

sueddeutsche.de: In Deutschland dürfte man Sie kaum vergessen haben. Warum sah man Sie trotzdem so lange nicht im Fernsehen?

Krüger: Aus Deutschland kamen nur Anfragen, die so schlecht waren, dass ich sie nur absagen konnte. Aber ich habe ja nie aufgehört, Schauspieler zu sein. Zum Glück habe ich zwei Berufe, schrieb immer weiter und war jedes Jahr mit meinen Büchern auf Tournee. Die Lesungen konnte ich leicht in One-Man-Shows verwandeln. Und mein selbstverfasstes Theaterstück "Zarte Blume Hoffnung" habe ich mit Judy Winter 44 Mal aufgeführt.

sueddeutsche.de: Was gab dann doch den Ausschlag, dass Sie ausgerechnet bei dem deutschen TV-Regisseur Carlo Rola eine Ausnahme machten?

Krüger: Ich bin eigentlich kein Fernsehzuschauer. Aber Freunde von mir hatten mich auf ein paar von Rolas Filmen aufmerksam gemacht, darunter eine Rosa Roth-Folge mit Mario Adorf, Krupp - Eine deutsche Familie, der mir besonders gut gefallen hat, und natürlich auch Afrika, mon amour. Danach habe ich zu meiner Frau Anita gesagt: Wenn mal ein Produzent mit einem guten Stoff kommt und dafür noch keinen guten Regisseur hat, dann würde ich ihm Carlo Rola empfehlen.

sueddeutsche.de: Und so kam's dann auch ...

Krüger: Meine asiatische Erziehung hat mich geprägt: Zufälle gibt's nicht. Plötzlich trudelte bei mir eine E-Mail ein: Carlo Rola suchte um ein Telefongespräch mit mir an. Der hatte die Nummer vom ZDF bekommen, wo man ihn aber mit diesen Worten vorgewarnt hatte: "Den Krüger brauchst Du erst gar nicht anrufen, der will nicht mehr spielen - und in Deutschland sowieso nicht."

sueddeutsche.de: Tatsächlich?

Krüger: Woher die das hatten, weiß ich nicht. Als mir das ZDF schlechte Sachen schickte, habe ich eben nicht angebissen. Diesmal haben sie es richtig angepackt: Mit Rola verstand ich mich sofort. Resultat: Hier bin ich!

sueddeutsche.de: Was genau hatte Sie denn an Familiengeheimnisse - Liebe, Schuld und Tod gereizt - womit konnte man Sie ködern?

Krüger: Genau das, was ich Ihnen geschildert habe: dass es eben einmal eine gute Rolle mit einem ansprechenden Drehbuch ist.

sueddeutsche.de: Dass Sie einen Patriarchen im Film spielen ...

Krüger: ... war mir egal. Ich spiele auch einen Kohlenbergarbeiter. Die Geschichte war gut, meine Rolle im Drehbuch konnte man gut umarbeiten, worauf Carlo einging. Eine sehr erfreuliche Zusammenarbeit.

sueddeutsche.de: Brauchte es ein Afrika-Thema, damit Sie anbeißen?

Krüger: Das war Zufall - wenngleich ich nicht an Zufall glaube. Ein weiterer Zufall war, dass ich mit meinem eigenen Roman "Tango Africano" zu diesem Zeitpunkt gerade fertig wurde, als das Angebot kam. Ich brauche für jede Geschichte immer fast ein Jahr. Der Film, in dem der Patriarch eine afrikanische Geliebte hat und dann von seiner afrikanischen Tochter erfährt, hat mit meinem Roman nichts zu tun. Er schildert nur eine interessante Konstellation für einen sehr guten Film.

sueddeutsche.de: Afrika-Filme, darunter auch recht süßlich-verkitschte, gibt es im deutschen Fernsehen ja zur Genüge. Sie haben selbst lange Jahre auf dem Kontinent gelebt. Ärgern Sie manchmal die Klischeebilder aus deutschen Fernsehfilmen?

Krüger: Ich habe sehr gute Dokumentar- und Naturfilme über den Kontinent gesehen, auch im Fernsehen. Es sind nur schlechte Filmemacher, die dorthin gehen, oberflächlich irgendetwas abdrehen und ganz schnell wieder verschwinden. Aber wie gesagt: Ich bin nur wenig in Deutschland. Wenn ich im Lande bin und nicht gerade auf der Bühne stehe, sitze ich abends mit Freunden zusammen - und nicht vor dem Fernseher.

sueddeutsche.de: Ihre NDR-Reisereportagen waren Ihnen immer sehr wichtig. Wie sehr charakterisiert das Weltenbummlerische Ihren Lebensweg?

Krüger: Die TV-Reihe war das Resultat meines Lebensprinzips. Es fing damit an, dass ich direkt nach dem Krieg als unbekannter junger Schauspieler nach England ging und mir durch ein paar gute Filme einen Namen machen konnte. Diese Filme - später kamen französische und erste Hollywood-Aufträge dazu - brachten mit sich, dass ich sehr früh mit anderen Kontinenten, anderen Menschen und Gebräuchen in Berührung kam.

sueddeutsche.de: Lebte man nicht damals schon als Film-Schauspieler in einem abgeschotteten Wanderzirkus?

Krüger: Einen meiner ersten französischen Filme hatten wir in der Provence gedreht. Am Sonntag war spielfrei - anders als meine Schauspielerkollegen lag ich da eben nicht den ganzen Tag am Pool, sondern bin zu den spanischen Bühnenarbeitern und Beleuchtern nach Hause gegangen und habe versucht herauszubekommen, wie sie leben und was sie interessiert. Ich habe gegessen, was sie essen - und hatte natürlich Wein mitgebracht. So ist mein Interesse für andere Kulturkreise und die vielen privaten Reisen erwacht.

sueddeutsche.de: Wie erklären Sie sich Ihre große Sehnsucht nach fremden Ländern und das Fernweh, das Sie stets zu begleiten scheint?

Krüger: Ich wollte nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes und den Kriegsschrecken nichts wie raus aus Deutschland - aber nur filmisch. Mein Ziel war: Ich wollte unbedingt in besseren Filmen spielen. Und was man damals drehte, wurde auch Ende der 40er Jahre immer schlechter. Wenn ich aber ins Kino ging, merkte ich, was für wunderbare Filme die Franzosen und Engländer machten oder was alles Tolles aus Hollywood kam. Schon bald war mir klar: Diese Filme kommen nicht zu dir. Keiner dieser Regisseure würde mich am Theater sehen und engagieren - also beschloss ich, ins Ausland aufzubrechen.

sueddeutsche.de: In einer Zeit, die sicher nicht leicht war, legten Sie Wert darauf, gute Rollen zu bekommen. Wie groß war denn überhaupt die Auswahl für einen Deutschen, der nicht immer nur als Soldat oder Nazi-Schuft besetzt werden wollte?

Krüger: Ich habe das vermieden. Es wurde ja oft fälschlicherweise berichtet, ich hätte immer nur deutsche Offiziere gespielt - das stimmt nicht. In 75 Filmen habe ich, glaube ich, sieben Deutsche gespielt, und die waren wirklich nicht immer Offiziere.

sueddeutsche.de: Welche frühe Rolle war Ihnen denn besonders wichtig?

Krüger: Leider sind meine französischen Filme in Deutschland nie sehr gut gelaufen: Sonntage mit Sybill, ein Film, der mir selber sehr am Herzen liegt, lief auf der ganzen Welt fast ein Jahr lang in den Uraufführungskinos und hatte den Oscar als bester ausländischer Film bekommen. Hierzulande hatte er mit nur 14 Tagen die längste Laufzeit in einem Berliner Kino. Dann war er wieder weg. Ich habe einen latent homosexuellen Franzosen gespielt, einen holländischen Maler in einem englischen Film, die ganze Palette der Nationalitäten! Die Deutschen wollten immer nur dann einen Deutschen im Film sehen, wenn er sympathisch war und keine Kriegsverbrechen begangen hatte. Dann konnten sie ihn getrost ins Herz schließen.

sueddeutsche.de: Was war denn Ihr geheimes Auswahlprinzip, um an die wirklich guten Rollen zu kommen?

Krüger: Ich achtete sehr darauf, immer nur mit den besten Regisseuren ihrer Zeit zu arbeiten. Denn die ziehen die besten Drehbücher und folglich auch die besten Schauspieler an. Erfolg ist manchmal programmierbar. Auf diesem Wege habe ich Menschen mit außerordentlichem Charakter und Talent kennengelernt - wie Sean Connery oder Richard Attenborough, Charles Aznavour oder Jimmy Stewart. Mit ihnen zu arbeiten, waren die Highlights meines Lebens.

sueddeutsche.de: Ihr großer Afrika-Film Hatari! hat auch einmal ihre äußeren Lebensumstände verändert, weil sie nach den Dreharbeiten - vor Begeisterung über den Ort - noch ein Jahr lang blieben und Ihren Unterhalt mit einem Hotel finanzierten.

Krüger: Das war ein außergewöhnlicher Fall und ein ungewöhnlicher Film. Denn wir haben die ersten sechs Monate lang kaum Spielszenen geprobt, sondern Tiere gefangen. "Duke" Wayne und ich machten genau das selber, was wir später im Film spielten! Wir beide konnten das einfach besser als die Stuntleute. Auf einmal waren wir beide plötzlich wieder 15 Jahre alt. Ich kannte Autos ja nur von der Straße und den Autobahnen - jetzt rasten wir mit dem Jeep durch den Busch und über ausgetrocknete Seen. Und wenige Zentimeter entfernt donnerte ein Nashorn neben uns her. Ich hätte in dem Film umsonst gespielt, wenn man mich nur danach gefragt hätte!

sueddeutsche.de: John Wayne galt ja abseits der Kameras als wilder Geselle. Ging's nach Drehschluss mit ihm hoch her?

Krüger: Der war gar nicht so wild - er war so, wie man ihn in den Filmen gesehen hat. Wir haben uns gut verstanden - wir durften nur nicht zusammen trinken und über Politik sprechen.

sueddeutsche.de: Sie selbst wurden ja auf einer Ordensburg erzogen, überlebten die letzte Kriegsphase als gerade mal 16-Jähriger. Wie oft beklagten Sie, dass die Zeitumstände Sie um Ihre Jugendzeit gebracht hatten?

Krüger: Nicht nur meine Jugend, jede Jugend unter den Nazis ist ein Alptraum. Es beunruhigt mich sehr, dass Neonazi-Parteien überhaupt gewählt werden - und zwar nicht nur dann, wenn ich mal wieder in meine alte Heimat Berlin komme.

Familiengeheimnisse - Liebe, Schuld und Tod, Sonntag, 9. Januar, 20.15 Uhr, ZDF

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: