Hape Kerklings TV-Comeback:Sonnenverdusseltes Kitschglück

Lesezeit: 3 min

Ganz bei sich und ganz bei den anderen auf seinen Reisen: Hape Kerkeling (li.). (Foto: RTL)

Jetzt kehrt auch Hape Kerkeling ins deutsche Fernsehen zurück. Seine Reise-Doku "Hape und die 7 Zwergstaaten" ist eine beschämend wohltuende Seelen-Eskapade.

Von Marlene Knobloch

Wenn es ein Mittel gibt, mit dem sich die berüchtigte "gespaltene Gesellschaft" zusammenkleben lässt, heißt es Hape Kerkeling. Der Mann, der einst am CDU-Parteitag mit einem Eisbecher zum Rednerpult schlurft und eine junge Angela Merkel fragt, ob sie den Copa Cabana bestellt habe, der Mann, dessen Songs, Bücher, Filme, Sketche, Parodien und Selbstfindungs-Prozesse jahrelang die Deutschen das Fühlen lehrte, kehrt nach sieben Jahren ins Fernsehen zurück. An diesem Wochenende läuft seine Reise-Dokumentation Hape und die 7 Zwergstaaten an. Ein Comeback mit dramatischen Sonnenuntergängen, Hape schmettert "Nessun dorma", und der Kitsch knallt, dass der Bildschirm mit dem Vibrato flimmert.

In der ersten Folge ist der Moderator, Reiseführer und begeisterte Tourist auf Malta unterwegs. Der Horst-Schlämmer-Schnauzer bleibt in der Requisitentruhe, einmal stolziert der Entertainer als Queen Elizabeth durchs Bild, ansonsten bleibt Hape Hape und niemandem steht die Rolle des dauerseufzenden Erkunders, der fröhlich zwischen Geschichte, Kultur und Nonsense flaniert, besser als ihm. Hape Kerkeling könnte auch eine Stunde durch den Gotthard-Tunnel führen, man würde ihm staunend folgen. Aber so war es schon immer mit den guten Reiseberichten und Dokus, ob Reisen mit Walter Sedlmayr, Tegtmeier oder Reportagen von Christian Kracht - was zählt, ist, wer reist, nicht wo.

"Gott, ist das herrlich", schnurrt Kerkeling zu Beginn in einer maltesischen Gondel

Angesichts der großen TV-Comebacks in diesem Jahr erscheinen die Quoten-Messungen vor allem wie psychologische Selbsttests einer Nostalgie-anfälligen Bevölkerung. Neben dem Comeback-Erfolg von Wetten, dass..? reaktivierte Pro Sieben jüngst mit dem neuen Moderator Sebastian Pufpaff das Late-Night-Format TV total, und die Klassiker-Gameshow Geh aufs Ganze! läuft bald wieder auf Sat 1. Doch selbst wenn man sich weniger die Vergangenheit verklären müsste, wenn weniger Bill-Gates-Verschwörungstheorien auf Telegram kursierten und Sabine aus Pforzheim sich keinen gelben Stern auf ihre Übergangsjacke nähte, um gegen ihr hartes Dasein als Impfverweigerin zu demonstrieren, wäre das Revival von Hape Kerkeling mit seiner Reisedokumentation gute, modern produzierte Unterhaltung. Im November des Jahres 2021 ist sie noch dazu eine beschämend wohltuende Seelen-Eskapade.

"Gott, ist das herrlich", schnurrt Kerkeling zu Beginn in einer maltesischen Gondel, das Meer glitzert vor Valletta. Weißer Sonnenhut, kariertes Sakko mit Einstecktuch - hier reist ein Mann mit Stil. Der Zuschauer hat in der ersten Minute dramatische Landschaften in Slow Motion vor der Hintergrundmusik von "Fluch der Karibik" und den in absurde Höhen geschossenen Spannungspfeil hinter sich, man wolle hier das "letzte Rätsel Europas" lösen: Warum gibt es die Zwergstaaten noch? Gott sei Dank kehrt diese Frage nie wieder aus der Exosphäre zurück. Kerkeling melkt stattdessen ein Schaf auf der Nachbarinsel Gozo, drückt mit der sächsischen Julia aus Zeitz Teig zu maltesischem Käsegebäck ("Ftira") und hält vor der Glut des Ofens eine Rede auf die Liebe, die dem deutsch-maltesischen Paar die Schamesröte ins Gesicht treibt.

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Alle Interviewpartner scheinen sehr glücklich zu sein, mit Hape abzuhängen

Man erfährt trotz der Strahlkraft des Reiseleiters, des selbsternannten "geopolitischen Schneewittchens", einiges über den Zwergstaat. Kompakt verbaut die flott geschnittene Sendung Fakten über Geschichte und Sehenswürdigkeiten des Archipels. Und egal, ob der Reiseführer den internationalen Opernstar Joseph Calleja trifft, mit einer maltesischen Game-of-Thrones-Schauspielerin in der Kulisse der alten Stadt Mdina eine Filmszene nachspielt oder mit Fränks Wassertaxi übers Meer schippert: Alle Interviewpartner scheinen sehr glücklich zu sein, mit Hape abzuhängen.

Der Moderator verliert kein Wort über ermordete Journalistinnen auf Malta oder Flüchtlinge vor dem Archipel. Die Sendung ist astreines Werbematerial für die maltesische Touristenbehörde. Allerdings verzeiht man es dem Reiseleiter, der nun mal da ist, um sich von der Welt begeistern zu lassen, statt auf ihre Enttäuschungen zu deuten. In der Reise-Glückseligkeit versickern die Bedenken. Er bleibt bei der Disziplin des guten Touristen: Schmachten und sonnenverdusselte Sätze wie "Das ist schöner als auf Instagram" von sich geben. Immerhin gibt es auf Malta einen kleinen Hund, der von Klippen springen kann. Ob Horst oder Hape, die Philosophie seiner berühmten Kunstfigur steckt auch in der Reisedokumentation über die Zwergstaaten: Macht eusch nit verrückt.

"Hape und die 7 Zwergstaaten", Vox, ab dem 21. November, sonntags um 19.10 Uhr.

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