Gebäude von Gruner+Jahr:Politikum in bester Lage

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Das Gebäude von Gruner+Jahr in Hamburg, im Hintergrund die Elbphilhamonie. (Foto: imago images)

Einst als Fremdkörper verspottet, steht das Haus von Gruner+Jahr heute unter Denkmalschutz. Was es bedeutet, dass nun private Investoren übernehmen - und nicht die Stadt Hamburg.

Von Peter Burghardt

Es gab ja mal sagenhafte Zeiten bei Verlagen, die zum Beispiel mit Magazinen Geld verdienten. Geld spielte in diesen Zeiten keine so große Rolle, Anzeigenkunden und Leser sicherten herrliche Gewinne. Immer wieder gerne wird an Henri Nannen erinnert: Man müsse im Journalismus das Geld zum Fenster rauswerfen, um es durch die Tür mit der Schubkarre wieder reinzuholen, soll der frühere Chefredakteur und Herausgeber des Stern gesagt haben. Hinausgeworfen und hineingefahren wurde das Geld in diesem Fall ab 1990 am Baumwall Nummer 11 am Hamburger Hafen.

Beste Lage, zwischen Speicherstadt und Michel. Wobei die Lage der früheren Zentrale an der Alster dem einen oder anderen Mitarbeiter noch besser gefallen hatte. Auch ging es zumindest beim Stern schon leicht abwärts, als das Verlagsgebäude von Gruner+Jahr eröffnet wurde, für einen Preis von angeblich mehr als 300 Millionen Mark. Jahre zuvor hatte man sich mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern blamiert, verkaufte aber immer noch deutlich mehr als eine Million Hefte pro Ausgabe. Ungefähr 2000 Angestellte in diesem Hauptsitz von G+J durften sich fühlen wie auf einem Schiff, mit Brücken und mit Fenstern wie Bullaugen. Man werde "von hier aus unsere Medienschiffe auf große Fahrt schicken", versprach der Vorstandsvorsitzende Gerd Schulte-Hillen. "Viel Blech", spottete der Spiegel, damals noch an der Brandstwiete untergebracht, "absonderlicher Fremdkörper". Längst gehört der eigenwillige Mediendampfer zum Stadtbild, entsprechend debattiert wird seine künftige Verwendung.

Ausgemacht war, dass die Hansestadt das Gebäude kauft und für die Uni verwendet

Gruner+Jahr will mit seinen Titeln wie Stern, Geo, Capital und so weiter in ein paar Jahren seine neue Heimat beziehen, nach mehr als drei Jahrzehnten. Ein vergleichsweise schlichter Entwurf am Lohsepark in der HafenCity, recht nah beim Spiegel, der 2011 in seinen verglasten Neubau an der Ericusspitze umsiedelte. "Der Baumwall ist uns allen sehr ans Herz gewachsen", sagte Ende 2016 Julia Jäkel, CEO bei G+J. Aber es sei "Zeit für etwas Neues. Das neue Gebäude wird die Wärme und Kreativität ausstrahlen, die Gruner + Jahr ausmacht." An der U-Bahnstation Baumwall steht inzwischen in Klammern Elbphilharmonie, denn dies ist auch die Haltestelle für den noch bekannteren Musiktempel um die Ecke. Was geschieht mit dem alten Gebäude, wenn die Belegschaft verschwindet?

Bis vor kurzem war ausgemacht, dass die Hansestadt übernimmt, außergewöhnliche Objekte, noch dazu in Elbnähe, sind ja nicht so leicht zu bekommen. Für die Hamburger Uni sollte die Anlage verwendet werden, gute Aussichten für Studenten. Gruner + Jahr brauchte einen Käufer, Hamburg griff zu. Doch dann wurde in der vergangenen Woche bekannt, dass Hamburg sein Rücktrittsrecht aus dem Kaufvertrag wahrnimmt. Das Ensemble übernehmen private Investoren unter Leitung des New Yorker Immobilienkonzerns Tishman Speyer. Warum? Weil dieses Unternehmen offenbar mehr bezahlt, auch wenn es zu beiden Preisen offiziell keine Angaben gibt.

"Mit dieser für alle Seiten gut vertretbaren Lösung sorgen wir für langfristige Standort- und Planungssicherheit", wird Andreas Dressel zitiert, der SPD-Finanzsenator des rot-grünen Senats von Bürgermeister Peter Tschentscher. Die Corona-Krise wird für Hamburg teuer genug. Der SPD-Kultursenator Carsten Brosda versichert auf der städtischen Homepage: "Die Entwicklung des ikonischen, denkmalgeschützten Gebäudes am Baumwall durch TishmanSpeyer wird die Stadt eng begleiten." Man brauche "eine kluge Nutzung, die Impulse für die Stadtentwicklung mit dem Denkmalschutz vereint". Tatsächlich steht das Areal unter Denkmalschutz. Von TishmanSpeyer heißt es, dass man denkmalgerecht umbauen werde. Von Büros und Wohnungen ist die Rede und "einer Art Marktplatz, mit Manufakturen, Anbietern lokaler Produkte und Gastronomie", berichtete der Deutschland-Geschäftsführer Florian Reiff dem NDR. "Für alle Beteiligten entsteht hier Gutes", so G+J-Chefin Julia Jäkel in Hamburgs Onlineportal.

Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft ist weniger begeistert. Der Senat verschweige, "dass es hier auch um ein wertvolles und für die Stadt strategisch wichtiges Grundstück geht", meint deren Abgeordnete Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion. "Ein erneuter Verkauf zeugt von der Lernunfähigkeit des Senats." Erbbaurecht sei dagegen der richtige Weg. "Dass der Senat wider besseren Wissens verkaufen will, wirft die Frage auf, was für ein Deal hier läuft."

So ist der Baumwall Nummer 11 nach 30 Jahren mit Gruner+Jahr auch ein Politikum, es geht ums Geld. Der Verlag wird unter dem neuen Besitzer erst mal Mieter dort, die künftige Adresse dann eines Tages: am Hannoverschen Bahnhof, Lohsepark, HafenCity, Hamburg.

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