Gottschalk-Autobiografie "Herbstblond":Ein Buch wie eine Drogeriemarkt-Tönung

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Thomas Gottschalk

Gut ist Gottschalk immer dann, wenn er bei sich bleibt. Dann ist er, ob beabsichtig oder nicht, ganz Entertainer - das gilt nicht nur für den Autor, sondern auch für den Entertainer.

(Foto: dpa)

Warum tut sich Thomas Gottschalk das an - vom Entertainer zum Autor? Hat sein Buch "Herbstblond" das Zeug zum Skandal? Welchen Satz sollten Sie sich merken, um mitreden zu können?

Von Johanna Bruckner

Worum geht's?

Ein Buch, 367 Seiten, Titel: "Herbstblond", Autor: Thomas Gottschalk. Der lächelt natürlich auch vom Cover, ein bisschen selbstironisch, möchte man meinen - was für eine Autobiografie schon mal kein schlechtes Zeichen ist. Zumal wenn da einer aus seinem Leben erzählt, der im Klappentext als "Kinostar", "Kult-Werbefigur" und "Showmaster-Legende" vorgestellt wird. Das Leseversprechen ist dementsprechend vollmundig: "Auch wenn 98 Prozent der Deutschen sagen, dass sie Thomas Gottschalk kennen, hat sich doch nur ein winziger Teil seines Lebens im Licht der Scheinwerfer abgespielt, und vieles, was backstage abgelaufen ist, war spannender, lustiger und ehrlicher als das, was die Kameras eingefangen haben."

Im Rückblick auf die letzten Jahre Wetten, dass ..? lässt das hoffen. Bevor es losgeht, gibt es noch ein Ehrenwort vom Entertainer: Jedes Wort stamme von ihm selbst, beschwört der 64-Jährige, "und nicht von einem professionellen Hilfsdichter. (...) Ich werde an meinem eigenen offenen Herzen operieren und lasse Sie dabei über die Schulter schauen." Angst vor Pathos hat Gottschalk nicht, das beweist auch ein Blick ins Inhaltsverzeichnis: Die Kapitel heißen wie Rocksongs - die Seiten nach seinem Wetten, dass ..?-Abschied sind überschrieben mit dem Talking-Heads-Titel "Road to Nowhere", Straße ins Nirgendwo.

Warum tut er sich das an? (Und warum tut er uns das an?)

Gottschalk beantwortet die Frage im allerletzten Kapitel mit einem Halbsatz: Er sei "im richtigen Alter und in der entsprechenden Stimmung". Ersteres mag in Zeiten, in denen ein Justin Bieber seine ersten Memoiren veröffentlichte, bevor er volljährig war, per se ein Qualitätsargument sein. Letzteres lässt Raum für Spekulation. Herbstblond - das klingt wie der Name einer Drogeriemarkt-Tönung, zu der ergraute Herren greifen. Eitelkeit also? Gottschalk sagt dazu: "Ich habe mit dem Älterwerden eigentlich kein Problem, nur dass man es sieht, finde ich scheiße." Und ja, auch die Selbstbestätigung des Samstagabend-Publikums fehlt ihm wohl: "Ein bisschen Applaus zwischendurch wäre auch nicht schlecht. Ich weiß, das ist unbescheiden, aber einer meiner wenigen Albträume ist, dass ich die Showtreppe runterkomme und keiner klatscht."

Aber genug der Häme - die an dieser Stelle erlaubt sei, weil Gottschalk längst seine eigene Bewältigungsstrategie gefunden hat ("Dass ich auf meinem schicken Moderationssofa für einen Onlineredakteur auf seiner durchgesessenen Ikea-Couch eine Provokation darstelle, sehe ich ein"). Denn natürlich hat der Mann etwas zu erzählen, und er ist sich seiner Verantwortung gegenüber dem Publikum bewusst. "Ich spüre eine tiefe Verbundenheit zu der Generation, die statt mit Laptops und Handys mit mir groß geworden ist. Sie hatten nichts anderes und vermissten auch nichts."

Und was steht jetzt drin?

In einer Autobiografie fängt man üblicherweise vorne an, und das tut auch Gottschalk. Dazu verpflichten nicht nur zwei Semester Germanistik, er zählte schließlich auch den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zu seinen Freunden (das Vorbilder-Kapitel muss sich "MRR" allerdings mit Hans-Joachim Kulenkampff teilen). Der erste Teil von "Herbstblond" widmet sich also ganz Gottschalks Vita und beruflichem Werdegang. Das ist immer dann zäh, wenn der Autor seine familiären Strukturen genau dokumentiert. Würden all die Tanten und Onkels an späterer Stelle wieder auftauchen, man könnte es verstehen- doch so wichtig waren die meisten für Gottschalks Leben dann doch nicht. Außerdem hat er gefühlt die Namen aller Menschen in mehr oder weniger wichtigen Funktionen bei Lokalradios und -zeitungen, beim Bayerischen Rundfunk und den öffentlich-rechtlichen wie privaten Fernsehanstalten notiert, mit denen er jemals zu tun hatte. Das macht die Lektüre schwergängig.

Gut ist Gottschalk als Autor immer dann, wenn er bei sich bleibt. Dann ist er, ob beabsichtig oder nicht, ganz Entertainer. So gibt er unumwunden zu: "Eine gesunde Portion Eitelkeit gehört zur Grundausstattung aller, die in der Öffentlichkeit unterwegs sind - auch wenn sie das mitunter noch so energisch bestreiten." Wer dieses Eingeständnis gelesen hat, wundert sich dann auch nicht mehr über Sätze wie diese: "Ich bin manisch darauf aus, mein Gegenüber nicht nur von mir, sondern auch von sich selbst zu überzeugen. Von seinem Wert, von seiner Berechtigung zur Lebensfreude, von seinem Glück. Ich kann, wenn Sie so wollen, kein Elend sehen, ohne nicht alles zu versuchen, es sofort und persönlich aus der Welt zu schaffen."

Warum er dann nicht gleich Politiker geworden ist? "Mit einer politischen Meinung bist du Teil einer Fraktion, ich wollte aber immer die Nation."

Neu ist das nicht, oder?

Tatsächlich liest sich der erste Teil der Autobiografie ein bisschen wie ein mit Anekdoten angereicherter Wikipedia-Eintrag. Hier und da versucht sich Gottschalk an einer kritischen Reflexion seiner Vergangenheit - geht beim Hinterfragen aber selten übers Fragen hinaus. "Mein Vater war zwanzig Jahre älter als meine Mutter. War sie das Dummchen mit dem Vaterkomplex? Nichts, was ich in späteren Jahren mit ihr erlebt habe, spricht dafür." Oder, in Bezug auf eine mögliche NS-Vergangenheit seiner Familie: "Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum ich die zeitliche Nähe zu dieser dunklen Epoche nie als Auftrag begriffen habe, Fragen zu stellen. Muss ich mir deshalb vorwerfen, ein unpolitischer Mensch zu sein?"

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