Fiktive Doku:Schonungslos

Lesezeit: 3 min

In der Serie "Andere Eltern" fühlen sich die Erwachsenen-Konflikte grandios echt an. Dank Laiendarstellern und viel Improvisation.

Von David Denk

Neulich stand im SZ-Magazin ein Text über ein Tabuthema. Die Unterzeile lautete: "Nur weil die Kinder sich bestens verstehen, tun das die Eltern noch lange nicht. Das spricht nur kaum jemand offen aus." Der Autor schlägt darin vor, dass man doch auch "sehr herzlich nicht befreundet" sein könne. "Sich am Schulfest wohlwollend zunicken, statt auch noch höflich zu plaudern. Nur nett Hallo sagen, wenn man das Kind zur Übernachtungsparty abgibt."

Diese Option haben die Paare in Andere Eltern nicht, denn sie wollen für ihre (teilweise noch ungeborenen) Nachkommen einen Kindergarten gründen. Eine solche Elterninitiative bedeutet zunächst mal vor allem: reden, reden. Und reden. Ohne dabei zwingend zu einem Ergebnis zu kommen und auf gar keinen Fall schnell. "Es wurde gerade klar, dass es ganz wichtig ist, uns auszutauschen", sagt die Initiatorin, Yoga-Lehrerin Nina (Lavinia Wilson), einmal ermattet, aber wie immer um Konstruktivität bemüht, als sich die Diskussion über das Fremdsprachenangebot der Kita im Kreis dreht. "Wir haben uns sehr gut ausgetauscht." Spätestens da wird klar, warum die Serie von Lutz Heineking junior Andere Eltern heißt: Im Leben von Eltern gehören andere Eltern eben zu den größten Zumutungen.

Nach seiner ebenfalls improvisierten Mockumentary Endlich Deutsch über einen Einbürgerungskurs war Heineking auf der Suche nach einem neuen Thema für eine größere Zielgruppe und wurde bei der Idee mit der Elterninitiative fündig. Als sie Heinekings Mini-Teaser gesehen habe, habe sie binnen zwei Tagen zugesagt, sagt TNT-Senderchefin Anke Greifeneder. "Das Thema liegt in der Luft", war und ist sie überzeugt. "Ich hatte sofort das Gefühl: Das sind Leute, die ich kenne", sagt sie. "Die Themen, die Konflikte - alles hat sich echt angefühlt." Für Heineking ist es die Kombination aus Mockumentary, also einer fiktiven Doku, mit der Ninas Mutter (Johanna Gastdorf) den Gründungsprozess begleitet, und improvisierten Dialogen (innerhalb eines von einem Autorenteam gesetzten Handlungsrahmens), die diese Wirkung erzeugt: "Mein Ziel ist, dass es sich anfühlt wie ein Dokumentarfilm." Zur Beglaubigung tauchen in den sechs Episoden viele Laiendarsteller auf, die sich selbst spielen: die Leiterin eines Geburtsvorbereitungskurses etwa oder ein Frauenarzt.

Für professionelle Schauspieler ist diese Arbeitsweise eine besondere Herausforderung - aus mehreren Gründen: Sie müssen in Gruppenszenen über Stunden wach sein, um (auf Unvorhergesehenes) reagieren zu können und zugleich in der Lage sein, sich im Interesse der Gruppe zurückzunehmen - für Rampensäue nicht die leichteste Übung. Er habe sich gegen einige große Namen für dieses Ensemble entschieden, weil die Gruppe gut funktioniert hat, erzählt Heineking. Und diejenigen, für die er sich entscheidet, müsse er anfangs "anleiten, denn es ist wichtig, dass es die stillen Momente sind, die ihren Figuren eine andere Tiefe geben". Heineking schätzt, dass "80 Prozent der Szenen, über die wir beim Drehen lachen, später nicht drin" seien in den Folgen.

Die Schauspieler - im Ensemble brillieren neben Lavinia Wilson etwa Sebastian Schwarz, Nadja Becker, Daniel Zillmann und Serkan Kaya - wissen dabei immer nur das Nötigste. Wenn eine Figur - nur mal hypothetisch - sterben würde, würde der betreffende Darsteller, und auch nur der, das am Vorabend erfahren. Da kann man sich fragen: Spielt Heineking Gott? "Es ist schon so, dass ich gottgleich Entscheidungen treffe für Figuren", sagt er. "Authentisch wird es nur, wenn die Gefühle echt sind. Und das muss ich erzeugen."

Lutz Heineking junior selbst hat keine Kinder - vielleicht war gerade das die Voraussetzung, eine in ihrer Schonungslosigkeit so grandiose Serie zu schaffen, von der sich Eltern und Elternhasser gleichermaßen angesprochen fühlen können. "Das sind ja oft dieselben", sagt Heineking hintersinnig. Mit Andere Eltern wirft er einen ironischen bis sarkastischen, aber im Kern liebevollen Blick auf mehr oder weniger hippe Großstadteltern aus seiner Generation.

Andere Eltern , abrufbar bei Amazon*, Joyn*, Google Play Movies*, Sky Ticket*, Sky Go* und Apple iTunes*

*Hinweis in Kooperation mit Just Watch: Über diese Links werden Sie auf eine Partnerwebsite weitergeleitet. Der Süddeutsche Verlag bekommt dafür in manchen Fällen eine Provision. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Berichterstattung der Redaktion der Süddeutschen Zeitung.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: