Fernsehen mit der Familie:Meine Fernbedienung!

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Star Wars, Fußball oder doch reines Damenprogramm? Vom Wahnsinn einer Familie gemeinsam fernzusehen.

Gerhard Matzig

Mein erstgeborener Sohn Mauritz, genannt Mau, ist im Grunde der Intellektuelle in der Familie. Das sieht man schon an seiner Harry-Potter-Brille und merkt es auch daran, dass er sich zum großen Verdruss seines Vaters dem örtlichen Fußballverein verweigert, später also nicht für eine Millionengage beim FCB kicken wird.

Mau ist klar dagegen, sich jetzt die Sportschau anzugucken. Die Familie sitzt wie so oft um die Fernbedienung herum und versucht sich auf dem schwierigen Terrain basisdemokratischer Findungsprozesse. Alle wollen fernsehen, aber jeder etwas anderes. Real life.

Konserven im TV

Mau schlägt statt Fußball ein Wissensmagazin über die Zusammensetzung von Eiskristallen vor. Ich mache mir Sorgen, Mau ist sieben Jahre alt. Der zweitgeborene Sohn, Leonard, genannt Lelo, bringt Pettersson und Findus ins Spiel. Meine Frau sagt dem Vierjährigen: Das sei eine DVD, jetzt aber rede man über das Fernsehprogramm. Lelo sagt, das sei ihm egal, solange er Findus sehen könne. Zwischen Konserve auf DVD und Konserve auf RTL 2 unterscheidet er nicht so feinsinnig wie die Spione von der Gebühreneinzugszentrale.

Marie, genannt Marie, hat die für eine Zehnjährige keineswegs überraschende Idee, sich Mamma Mia! zum 43. Mal anzuschauen. Meine Frau seufzt und sagt, dass sie eigentlich gar nichts sehen will. Wir sollten einen Ausflug machen, "bei dem schönen Himmel". Der Himmel steht ihr aber nicht bei, denn genau in diesem Augenblick klatschen die ersten Regentropfen aufs Fensterbrett. Die Stimmung dunkelt.

Kinder hüten mit Star Wars

Mau, immer auf Harmonie bedacht, würde sich nun eventuell auch auf Star Wars, Teil I bis VI einlassen. Meine Frau schaut mich scharf an und will wissen, woher er das kennt. Vor kurzem hatte ich mal die Aufgabe, ein langes Wochenende die Kinder allein zu hüten. Was auch meisterlich gelang. Um von weiterer Recherche ihrerseits abzulenken, drücke ich die Fernbedienung.

Wo ist bloß die Zeitung?

Es erscheint ein Biathlet auf der Scheibe. Mau könnte damit leben, weil auch Schnee und Eis zu sehen sind, Lelo findet gut, dass jetzt gleich geschossen wird, Marie meckert, dass niemand singt und meine Frau sagt, dass sie sich, wenn sie nach Olympia noch weitere fünf Minuten Biathlon ansehen müsse, gleich entleiben wolle.

Sie macht den Fernseher wieder aus und greift sich ein Buch. Mau zieht davon, schmollt erst und holt dann das Schachspiel hervor, woraufhin ihm Lelo unter Gebrüll ein paar Figuren entwendet, weshalb sich Marie als Streitschlichterin und Blockwart inszeniert. Ich greife kapitulierend zur Zeitung und der Fernseher bleibt mal wieder aus. Basisdemokratisch organisierte Familien vor dem Kasten: Das sind die wahren Stützen einer wunderbaren Kulturlandschaft, die immer aus Büchern, Brettspielen, biathlonmüden Ehefrauen und Zeitungen bestehen sollte.

Gerhard Matzig leitet bei der Süddeutschen Zeitung das SZ am Wochenende und ist Autor des Buches Meine Frau will einen Garten, Goldmann, 17,95 Euro.

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