Fernsehen:Macht ohne Weihe

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Die Äbtissin Catalina de Sarmiento in einer nachgestellten Szene. (Foto: ZDF)

Eine ZDF-Doku fördert Überraschendes zutage: Frauen, die als Bischöfe tätig waren.

Von Rudolf Neumaier

Die katholische Kirche und die Frauen - eine leidige Geschichte. Manche traditionsbewusste Priester geraten vor Unbehagen heute noch in Atemnot, wenn Mädchen ministrieren. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts war Frauen sogar durch eine päpstliche Verfügung untersagt, in Kirchenchören zu singen. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich dieses Verbot erledigt. Umso überraschender ist es, was die ZDF-Doku Die Äbtissin zutage fördert. Es gab in der katholischen Kirche Frauen, die die Befugnisse von Bischöfen hatten. Sie trugen den Bischofsring, den Hirtenstab, manche sogar eine Mitra.

Der Film greift Studien des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf auf, der in seinem Buch Krypta verborgene, untergegangene, unterdrückte Traditionen des Katholizismus beschrieb. Dazu gehört die Ausstattung von Frauen mit bischöflichen Insignien und Rechten. Viele Äbtissinnen setzten Pfarrer ein und beriefen sie ab, sie waren Oberhäupter nicht nur über ihre Klöster, sondern über Dutzende Pfarreien. Es gab wenige Frauen, die Macht hatten in der katholischen Kirche - aber es gab welche. Eine Rückkehr zu diesen Strukturen würde in den Augen von Hubert Wolf Türen öffnen, statt Frauen auszugrenzen. "In der Tradition der Kirche liegen Schätze bereit. Schätze, die man eigentlich nur heben muss, wenn man es will", sagt Wolf in dem Film von Martina Schönfeld und Andreas Sawall.

Protagonistin ihrer Dokumentation ist Doña Catalina de Sarmiento. Sie leitete im 16. Jahrhundert die Zisterzienserinnen-Abtei Las Huelgas im kastilischen Burgos. In ihrer Kirche wurden Kastiliens Könige geweiht. Sie war in Glaubensdingen allein dem Papst unterstellt. Allerdings durften diese Äbtissinnen keine Messe lesen oder predigen, dazu fehlte ihnen die Priesterweihe. Auch Männer konnten ohne diese Weihe Bischof werden, aus deutschen Diözesen der frühen Neuzeit zählt Hubert Wolf mehrere Beispiele dafür auf.

Die kastilische Äbtissin Doña Catalina aber hielt sich nicht an das Verbot zu predigen. Ihr Streit mit dem Bischof von Burgos ist im Film szenisch dargestellt; die Äbtissin setzte sich durch - sie warf den Kleriker, der zu Ermittlungen wegen ihrer angemaßten liturgischen Kompetenzen angerückt war, aus dem Haus.

Ausgerechnet das Zweite Vatikanische Konzil, mit dem sich die Kirche der Welt öffnen wollte, schaffte für Frauen jegliche Möglichkeit ab, bischöflichen Einfluss zu erlangen. Es band das Amt an die Weihe: Wer Bischof wird, muss Priester sein - diese Weihe aber ist Frauen seit jeher verwehrt. Der Film ist ein Reform-Beitrag. Er weist den Weg zurück zu einem Kirchenmodell, das Frauen auch ohne Weihe Chancen bot, statt sie ausschließlich zu benachteiligen.

Die Äbtissin , ZDF, Samstag, 18.15 Uhr.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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