Um Bruderschaft im Karl-May-Stil zu schließen, ist die Sendung Schlag den Raab nun wirklich der denkbar schlechteste Ort. Und doch floss in der 29. Ausgabe bei beiden Streithähnen Blut. Es passierte nachts um zwanzig vor eins: Die Kräfte schwanden und die Verbissenheit stieg - einer der Momente trat ein, die Live-Shows trotz aller Routine unberechenbar machen und Publikum (und Senderverantwortlichen) eiskalte Schrecksekunden bescheren.
"Das ging sehr tief", stöhnte Stefan Raab, als er sich beim Geschicklichkeitsspiel "Spaghetti" im Eifer des Gefechts in den Finger geschnitten hatte. "Muss man nähen", murmelte er noch, ehe im Studio die Art von Unruhe ausbrach, die man spätestens seit dem tragischen Wetten, dass ...?-Unfall von Samuel Koch in unguter Erinnerung hat.
Und doch hielt sich der Schock in Grenzen, immerhin war mit Raab-Herausforderer Tobias, der sich wenige Minuten zuvor ebenfalls eine Schnittverletzung zugezogen hatte, die aber mit einem Pflaster-Verband versorgt werden konnte, ein Profi in nächster Nähe: Der 29-jährige Bundeswehr-Stabsarzt aus Regensburg, Stefan Raabs Gegenspieler beim Kampf um den Siegpreis von einer Million Euro, half dabei, die Wunde seines Mitstreiters zu versorgen - auf die rustikale Tour.
Während Steven Gätjen, der sich vermutlich ein etwas weniger dramatisches Debüt als Schlag-den-Raab-Moderator erhofft hatte, das Fernsehpublikum in eine vorgezogene Werbepause wegkomplimentierte, wurde hinter den Kulissen verarztet. Der Show-Master mit dem Wettkampf-Gen ließ die Verletzung mit einem Stich fixieren - ohne Betäubung. "Dafür war ja keine Zeit", betonte Raab, der das Spiel nur unterbrechen, zu keinem Zeitpunkt jedoch verloren geben wollte.
Gätjen, der sich als Nachfolger von Mathias Opdenhövel wacker schlug und bis zum späten Schluss der Sendung gelassen blieb, machte souveräne Miene zum erbittert ernsten Spiel und versuchte die Anspannung nach den Werbespots mit einem schnodderigen Spruch zu lösen. "Ein blutiger Kampf um eine Million Euro ist entbrannt", sagt er, als feststand, dass die Teilnehmer - wie schon nach Stefan Raabs Mountainbike-Sturz im April 2010 (Diagnose damals: Gehirnerschütterung) - weitermachen würden.
"Wenn's vorbei ist, ist's vorbei"
Für alle, die erst spät zugeschaltet hatten, musste Gätjen - nicht ohne einen Anflug von Zynismus - den Hergang der Blutsbruderschaft wider Willen erläutern: Obwohl der Nudel-Name für das elfte Spiel nichts allzu Diabolisches erwarten ließ, geriet die Sendung doch beim Rangeln um die Spaghetti an den Rand des Scheiterns. Dabei galt es für die Duellanten eigentlich nur, nach Ertönen eines akustischen Signals möglichst flink nach dem ungekochten Hartweizengrieß-Produkt zu greifen und damit dem Mit-Spaghetti-Schnapper eine Nase zu drehen.
Eine Aufgabe, die die Kontrahenten zum Äußersten trieb. Nach der Verletzungsunterbrechung fand Raab nicht mehr ins Spiel und verlor die tückische Aufgabe an den athletischen Herausforderer Tobias, der dabei noch dazu fleißig Sympathiepunkte gesammelt hatte.
Doch nachdem in der langen, über weite Strecken recht kurzweiligen Schlag-den-Raab-Nacht Schweiß und sogar etwas Blut geflossen war, rettete Raab um halb zwei Uhr nachts seinen Ruf als eiserner Marathonmann. Spielkandidat Tobias, der über längere Strecken mit vermeintlich sicherem Abstand geführt hatte, musste sich geschlagen geben - weil ihm beim finalen Gedächtnisquiz, in der Kindergeburtstags-Disziplin "Ich packe meinen Koffer", die Nerven versagten.
Der Jackpot für die nächste Ausgabe im September wuchs um 500.000 Euro auf 1,5 Millionen Euro an. "Ich halte mich nicht mit Kleinigkeiten auf", hatte Raab schon zu Beginn der Sendung getönt, als noch gar nicht feststand, dass er es diesmal mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun bekommen würde.
Zu Beginn spielte er auch auf den für viele Beteiligten dann doch überraschend ruckartigen Rückzug vom Eurovision-Song-Contest-Betrieb an, den er mit der Entdeckung von Oslo-Wunderfräulein Lena im Vorjahr erst so richtig in Gang gebracht hatte. "Wenn's vorbei ist, ist's vorbei", bilanzierte Raab noch einmal den Höhepunkt seiner Karriere.
Raab schweigt zu Opdenhövel
Der Eurovisions-Heiligenschein, den Raab zuletzt sogar die ARD-Oberen zugestanden hatten, ist mittlerweile ebenso wieder verschwunden wie sein langjähriger Schlag-den-Raab-Weggefährte Matthias Opdenhövel, der sich mit seinen kessen Sprüchen zur Sportschau weiterempfohlen hatte. Über den Mann der markigen Worte und dem Mut zum Frotzeln über Raab verlor dessen langjähriger Mentor keine einzige Silbe.
Dass Steven Gätjen, der einen anderen, aber ebenso trockenen Stil pflegt, Opdenhövel keinen Kranz flocht, verwunderte allerdings nicht. Die Entschlossenheit, Raab nicht nur behutsam zu bändigen, sondern auch hart anzupacken, fehlt ihm noch. Diesmal rückte Kommentator Frank Buschmann, dessen gelegentlich ziemlich sarkastische Sprüche allerdings nur aus dem Off zu hören sind, auf die Spötter-Position nach: Während der Disziplin "Fußball-Golf", in der sich Raab als desaströser Kicker erwies, hielt Buschmann nicht mit ätzendem Hohn hinter dem Berg. "Vielleicht hat er einen Spreiz- oder Senkfuß", sagte er, als Stefan Raab zum wiederholten Mal einfache Schüsse zielsicher ins Aus gedonnert hatte.
Später streute Buschmann genüsslich, dass sich in der Redaktion hinter den Kulissen "so etwas wie Mitleid" breit gemacht hatte. Doch da war Raabs Furor noch gar nicht richtig erwacht - und noch kein Blut vergossen. Wenn die Beinahe-Katastrophe der aktuellen Sendung etwas aufs Neue bestätigt hat, dann dies: Mitleid hat Raab nun wirklich nicht nötig.