Champions League:Neuer Markt

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Das Fußballturnier verschwindet aus dem frei empfangbaren Fernsehen zum Pay-Sender Sky und der kostenflichtigen Streamingplattform Dazn.

Von Uwe Ritzer und Claudia Tieschky

Bisher teilen sich das ZDF und Sky die Champions-League-Spiele. (Foto: MIS/imago)

Am vorigen Freitag hatte der ZDF-Intendant genug: Er könne ja nicht warten, "bis die Blätter fallen", erklärte Thomas Bellut. Er rechne nicht mehr damit, dass das ZDF die Rechte an der Champions League (CL) behalte, sagte Bellut; wie oft wenn es ernst ist, wirkte er auf konzentrierte Art gelassen. Im April hatte das ZDF sein Angebot für die Übertragung der Saisons 2018/19 bis 2020/21 abgegeben. Die Entscheidung zog und zog sich. Bislang zeigt das ZDF 18 Mittwochsspiele, beim Pay-Kanal Sky laufen alle Partien. Doch dann tauchte ein neuer Bieter auf, der die Veränderung der TV-Welt deutlich macht: die kostenpflichtige Streaming-Plattform Dazn aus Berlin, die zur britischen Perform-Gruppe gehört. Die Verhandlungen seien "kompliziert", äußerte Uefa-Generalsekretär Theodore Theodoridis noch im Mai, da hätte der Zuschlag längst erteilt sein sollen.

Am Dienstag gab die Uefa nun eine Entscheidung bekannt, die den Markt gründlich umkrempelt und für die Zuschauer entscheidende Änderungen bringt, denn die Champions League verschwindet aus dem frei empfangbaren Fernsehen ins Pay-TV. Die Rechte für Deutschland und Österreich gehen an Sky, das über Satellit, Kabel, IPTV und die Mobilangebote Sky Go und Sky Ticket überträgt. Dazn verbreitet eine bestimmte Anzahl der Spiele als Sublizenznehmer im Stream. Welche und wie viele Spiele bei welchem Anbieter zu sehen sein werden, soll im Frühherbst bekanntgegeben werden. Zum Preis des Rechtekaufs schweigen die Beteiligten; es sollen bis zu 600 Millionen Euro für die drei Saisons im Spiel gewesen sein, deutlich mehr Geld als bisher. Das ZDF zahlte bislang geschätzt 50 Millionen pro Saison.

Für Fußballliebhaber bedeutet das: Sie müssen künftig entweder ein Sky-Paket besitzen, um die Champions League zu sehen, oder ein Abo bei Dazn, das 9,99 Euro kostet. Der Dienst ist werbefrei, monatlich kündbar und auf Sport-Liveberichte aus Europa und den USA spezialisiert.

Abonnentenzahlen gibt Dazn nicht bekannt. Die CL-Bieterrunde ist bereits die zweite wichtige Rechteausschreibung, bei der das öffentlich-rechtliche TV leer ausgeht: Der Zuschlag für die Olympischen Spiele ging 2015 an Discovery, der Versuch von ARD und ZDF, eine Sublizenz zu erwerben, scheiterte. Die Öffentlich-Rechtlichen stehen bei Sportrechtekosten stärker denn je unter Rechtfertigungsdruck gegenüber Gremien und Öffentlichkeit, während die Rechtepreise steigen. Der Markt für Sportrechte und die öffentlich-rechtlichen Haushalte, zwei Systeme, die sehr lange auf Kosten der Gebührenzahler kompatibel gehalten wurden, wachsen auseinander.

Man sei mit dem Gebot für die CL "bis an die Schmerzgrenze gegangen", hieß es im April aus dem ZDF. In Mainz beim ZDF ist man jetzt auf die Zeit vor 2012 zurückgeworfen, als das ZDF die Champions League erstmals zeigte. Damals hatte der Sender den bisherigen Rechteinhaber Sat 1 ausgebootet und wurde dafür heftig kritisiert. Die Frage ist, was das ZDF mit dem Geld, das in die CL floss, und den frei werdenden Programmplätzen macht. Bellut sprach davon, die Sendeplätze mit fiktionalen Stoffen und einer Ausgabe mehr pro Jahr von Aktenzeichen XY zu füllen. "Wie viel wir von dem Geld ausgeben, das wir nicht ausgeben, muss noch diskutiert werden", sagte Bellut. Denkbar sei auch, weniger Finanzbedarf anzumelden. Auf die Jahresquote wirkt sich die CL laut ZDF angeblich nur mit 0,15 Prozent aus.

Die letzte CL-Partie im ZDF wird das Endspiel in Kiew nächsten Sommer sein. Wenn die CL ins Pay-TV wandere, werde das "den Markt verändern", prognostizierte Bellut und nannte Zahlen der aktuellen Saison: Das Hinspiel Bayern München gegen Real Madrid im April hätten im ZDF 10 Millionen Menschen gesehen, das Rückspiel bei Sky knapp 1,5 Millionen.

Während Sky Deutschland mit derzeit 4,9 Millionen Abonnenten nun potenziell auf mehr Kundschaft hoffen kann, dürften Sponsoren und Werbepartner die Reichweite aus dem öffentlich-rechtlichen TV vermissen. "Natürlich haben wir ein Interesse daran, dass die Champions League einem möglichst großen Publikum zugänglich bleibt", sagte etwa am Dienstag eine Adidas-Sprecherin. Der Sportartikelhersteller ist exklusiver Ausrüster der CL, was sich das Unternehmen einen hohen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr kosten lässt. Zudem rüstet Adidas viele Top-Teams des Wettbewerbs aus. Es könnte längerfristig zu einem Problem für die Veranstalter werden, wenn Großsponsoren den Rückzug hinter die Bezahlschranken kritisch sehen. Speziell Ausrüsterfirmen missfällt auch, dass immer mehr Spitzenklubs (wie zuletzt Bayern München) eigene TV-Kanäle starten und dort exklusive Infos und Bilder von Spielern verbreiten. Nicht selten solche, die bislang deren Ausrüster über ihre Internetkanäle verbreitet haben.

Die Uefa erklärte am Dienstag, der Entscheidungsprozess sei fair und transparent und unterscheide nicht zwischen Free- und Pay-TV. Die Zuschauergewohnheiten entwickelten sich weiter, die Uefa habe eine große Community in sozialen Netzwerken. Man sei zuversichtlich, dass dies den Spielen wachsendes Potenzial und mehr Popularität bringe.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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