Rundfunkfinanzierung: Neuer Haushaltsbeitrag:Einen Ochsen für die ARD

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Dass nun jeder Haushalt Rundfunkbeiträge zahlen muss, bedeutet eine ungeheure Begünstigung von ARD und ZDF. Das lässt sich nur mit dem Grundauftrag begründen - die Programme genügen den Ansprüchen aber nicht.

Heribert Prantl

Bei der Krönung der Kaiser und Könige war es üblich, dass das Volk vom Krönungsmahl auch etwas abbekam. Der gebratene Ochse, gefüllt mit Hirsch, Schwein, Kalb und Geflügel, wurde, nachdem Majestät gekostet hatte, dem Volk überlassen. Dito der Springbrunnen, aus dem der Wein sprudelte. Man kann das bei Goethe nachlesen, der 1764 Augenzeuge war, wie Joseph II. zum römisch-deutschen Kaiser gekürt wurde.

Jeder Betrieb und jeder Haushalt muss künftig  Funk- und Fernseh-"Gebühren" bezahlen, unabhängig davon, ob dort überhaupt ein Empfangsgerät steht. Weil sich das eigentlich nicht gebührt, heißt die Gebühr künftig nicht mehr Gebühr, sondern Beitrag. (Foto: dpa)

Wer glaubt, so etwas gäbe in einem modernen Staat nicht, der täuscht sich: Die Ministerpräsidenten haben soeben einen gewaltigen Ochsen gefüllt und einen Brunnen aufgestellt, aus dem unablässig Geld sprudelt. Bedienen dürfen sich davon allerdings nur ARD und ZDF. Geregelt ist das in einem neuen Rundfunkstaatsvertrag: Er ist so etwas wie die Erschaffung eines Paradieses für öffentlich-rechtliche Sender. Jeder Betrieb und jeder Haushalt muss künftig an sie Funk- und Fernseh-"Gebühren" bezahlen, unabhängig davon, ob dort überhaupt ein Empfangsgerät steht. Weil sich das eigentlich nicht gebührt, heißt die Gebühr künftig nicht mehr Gebühr, sondern Beitrag. Beiträge werden (so ist das juristisch) für die Bereitstellung einer Leistung erhoben, unabhängig von ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme.

Die Umstellung von Gebühren auf Beiträge ist eine ungeheure Begünstigung der öffentlich-rechtlichen Sender, die sich aber begründen lässt: mit dem politischen Grundauftrag und der demokratischen Dienstpflicht, die das Verfassungsgericht diesen Sendern auferlegt hat. Sie sollen Informations-, Kommunikations- und Kulturträger sein - sie sind es aber viel zu wenig. Die Programme genügen diesen Ansprüchen nicht; es gibt zu viel Seichtes, zu viel eitles Blabla, zu viel Selbstdarstellung in gigantischen Studios; es gibt fünf Talkshows allein in der ARD pro Woche, in der vor allem die Politiker bedient werden, die dann dafür sorgen, dass es ARD und ZDF finanziell gutgeht.

Fast jede große Zeitung erfüllt den Grundauftrag mehr als ARD und ZDF mit ihren sogenannten Vollprogrammen. Natürlich braucht die Demokratie starke, politisch unabhängige öffentlich-rechtliche Sender, das Beispiel Italien lehrt das drastisch. Demokratie braucht Meinungsvielfalt, Sorgfalt und Qualität. Wenn es die öffentlich-rechtlichen Sender nicht gäbe, müsste man sie erfinden - aber nicht so, wie sie sind, nicht als ältlichen Abklatsch der Privatsender. ARD und ZDF müssen herunter von der Rutsche des Kommerzes.

Der Bildungsanspruch darf kein lästiges Beiwerk sein (abgeschoben nach Arte, Phoenix und 3sat). Es geht nicht, dass die Programme der Öffentlich-Rechtlichen auf die Werbewirtschaft und damit Massenattraktivität ausgerichtet werden. Nicht die hohe Zuschauerquote rechtfertigt das Zwangsgeld, sondern hohe Qualität. Dieser Programmauftrag darf nicht verkauft werden. Werbung ist daher zu streichen - ansonsten ist und bleibt der neue Rundfunkstaatsvertrag ein immerwährendes Ärgernis.

© SZ vom 16.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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