Zeitumstellung:Kommt Zeit, kommt Umfrageergebnis

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  • Heute um 23 Uhr (MEZ) endet die EU-weite Befragung zur Zeitumstellung.
  • Schon zu Beginn war das Interesse so groß, dass zeitweise die Server zusammenbrachen. Auch am Donnerstag war dies vorübergehend wieder der Fall.
  • Die Gegner der Zeitumstellung argumentieren, sie brächte mehr Nachteile als Nutzen. Argumente der Befürworter stammen teils aus dunkler Vergangenheit.
  • Die zuständige EU-Kommissarin Bulc will schnellstmöglich über die Ergebnisse der Umfrage informieren.

Von Max Sprick

Anhalten kann man sie nicht. Kaufen schon gar nicht. Dafür kann sie alle Wunden und Wunder heilen, kombiniert mit Geduld soll sie mehr bewirken als Gewalt und Wut. Und zurückdrehen (oder nach vorne) lässt sie sich dem Sprichwort nach nicht, in der EU-europäischen Realität aber durchaus: die Zeit. Die letzte der vorgenannten Eigenschaften droht sie jedoch zu verlieren.

Über eine Tendenz, ob die Zeitumstellung bald schon Geschichte sein könnte, wollte Violeta Bulc vor einigen Wochen noch keine Auskunft geben. Es sei noch zu früh, über ein Ergebnis und mögliche nächste Schritte zu spekulieren, sagte die EU-Kommissarin für Transport. In ihr Ressort fällt das Thema Zeitumstellung und damit auch die europaweite Online-Umfrage, die heute um 23 Uhr endet.

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Was die Deutschen von der Sommerzeit halten, kann man auf Twitter nachlesen - wo großes Gemecker auf Sommerabend-Liebhaber trifft.

508 Millionen EU-Bürger waren dazu aufgerufen worden, abzustimmen, ob die Zeitumstellung in der ganzen Europäischen Union abgeschafft gehört - oder ob sie doch eine sinnvolle Sache ist. Und, zumindest diese Tendenz war von Anfang an klar: Das Thema interessiert viele. Innerhalb der ersten drei Tage beteiligten sich mehr als eine halbe Million Menschen an der Umfrage, woraufhin die Internet-Server vorübergehend zusammenbrachen. Zur Hälfte der Umfragezeit waren dann mehr als eine Million Antworten eingegangen. Und auch heute wollen kurz vor Umfrageschluss offenbar abermals mehr Bürger ihre Stimme abgeben, als die Server verkraften. Die Seite ist am Donnerstag über Stunden nicht aufrufbar.

Bis heute Nacht müssen die Server noch durchhalten

Violeta Bulc war von alldem wenig beeindruckt, sie sagte: "Bei EU-Konsultationen, die auf sehr großes öffentliches Interesse stoßen, kann das schon mal passieren." Und über den Ausgang der Umfrage ließ sie nur soviel verlauten: "Wir werden schnellstmöglich über das Ergebnis der Konsultation berichten." Schnellstmöglich, das ist nun irgendwann nach heute Abend, eine Stunde vor Mitternacht. Bis dahin müssen die Server noch aushalten.

Die Initiative zur Parlamentsabstimmung war vom Verkehrsausschuss des EU-Parlaments gekommen. Dessen Experten argumentieren, dass die Zeitumstellung zu mehr Unfällen auf den Straßen führe, weil viele Menschen übermüdet seien oder ihre Depressionen verstärkt würden. Bulc kam daraufhin zum Schluss, entweder müsse EU-weit die Sommerzeit abgeschafft werden oder alles beim Alten bleiben.

Manche bekämen gar Herzprobleme von der Zeitumstellung

In Deutschland gab es im vergangenen Frühjahr eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK für oder gegen die Abschaffung der Zeitumstellung. Das Ergebnis: 73 Prozent der Befragten waren dagegen, dass die Uhren am letzten Sonntag im März um eine Stunde vor und am letzten Oktobersonntag um eine Stunde zurückgestellt werden. Die Zeit für ein Ende von Sommer- und Winterzeit sei reif. Die Zeitumstellungsgegner argumentieren meist so: Der menschliche Biorhythmus werde unnötig verschoben, Menschen seien müde, gestresst, physisch und psychisch angeschlagen, ja manche bekämen gar Herzprobleme. Außerdem koste das ganze System eine Menge Geld, weil IT-Systeme vorbereitet, Fahrpläne angepasst und nicht zuletzt Kühe eine Woche lang immer zehn Minuten früher oder später gemolken werden müssten, um die Umstellung zu verkraften.

Die Argumente für die Zeitumstellung hingegen stammen aus düsterer Vergangenheit. In den Weltkriegen sollte so Strom gespart werden, später, durch die Ölkrise, dann Öl. Tatsächlich aber wurde dieses Hauptziel, die Energieeinsparung, nie erreicht. Riesiger Aufwand, null Nutzen, schlussfolgern also die Zeitumstellungsgegner.

Aber: Kommt Zeit, kommt Rat. Und alles hat seine Zeit, die übrigens auch Geld und, wenn sie einmal verloren gegangen, nie wieder einzufangen ist. Man kann wahrscheinlich ganze Bücher mit halb-lustig-klugen Wortspielen über dieses Thema füllen, genau so, wie man unterschiedlichste, sich oft widersprechende Studien zur Sinnhaftigkeit oder eben Sinnlosigkeit der Zeitumstellung zu Rate ziehen kann.

Aber ein Sprichwort passt dann doch vortrefflich auf die von so vielen mit Spannung erwarteten Ergebnisse der EU-Umfrage, auch wenn von ihnen keine Rechtsverbindlichkeit ausgeht. Was man nicht tun kann, tut die Zeit ganz von allein. So sagen es die Schweizer, die sich der Zeit ja mit besonderer Präzision verschrieben haben. Außerdem sind sie in dieser Causa neutraler Beobachter. Folgt man dem Schweizer Aphorismus, kommen die Ergebnisse also, wenn sie kommen - nur bitte schnellstmöglich, natürlich.

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