Wellness-Getränke:Auf die Schönheit?

Lesezeit: 3 min

Jugend für den Geist oder Reinigung der Seele: Wellness-Getränke werben mit ihrer gesunden Wirkung. Doch viele von ihnen sind bestenfalls wirkungslos, sagen Experten.

K. Thielitz und S. Pfauth

Gestern Abend wieder, vor den Nachrichten. "Irgendwie fühl' ich mich lebendig", sagt diese junge, attraktive Frau, die unentwegt lächelt, während sie am Schreibtisch im lichtdurchfluteten Großraumbüro sitzt und auf ihrer Tastatur tippt. "Liegt es am gelungenen Text?" Sie greift ihre Wasserflasche und stößt sich schwungvoll mit dem Drehstuhl nach hinten. "Liegt es an den netten Kollegen?" Ihr Blick streift den eines Mannes. Dann trinkt sie einen Schluck, eine Stimme ertönt: "Oder liegt es auch an Gerolsteiner Moment, weil man damit kurz abschalten und genießen kann?"

Cholesterin senken oder Osteoporose vorbeugen? Die Frage lautet heute nicht mehr "Was willst du trinken?", sondern "Wozu?". (Foto: Foto: iStock)

Gerolsteiner Moment ist der Marktführer unter den Wellness-Wässern, die ebenso wie Smoothies und Trinkjoghurts in die Supermarktregale drängen. Erhältlich in den Geschmacksrichtungen Grüntee & Traube, Weißtee & Birne oder Rooibostee & Pfirsich soll es laut Werbespot blitzschnell für Entspannung sorgen.

Das Schwesterprodukt Gerolsteiner Linée verspricht gar, den Energiehaushalt zu stabilisieren und von "Vitalitätsbremsen" zu befreien. Beide Produkte sind sogenannte funktionale Getränke, denen ein gesundheitlicher Zusatznutzen attestiert wird. Die Frage an den Supermarktkunden lautet heute nicht mehr "Was willst du trinken?", sondern "Wozu?".

Cholesterin senken oder Osteoporose vorbeugen? Jugend für den Geist oder Reinigung der Seele? Weniger essen, Stoffwechsel ankurbeln, Abwehr stärken oder die Haut straffen? Alles scheint möglich, wenn man den Herstellen Glauben schenkt. "Wer Stress hat, kann den mit Entspannungswasser nicht ausgleichen", sagt Andrea Danitschek von der Verbraucherzentrale Bayern. Häufig seien die Pflanzen- oder Fruchtextrakte wie Ginkgo, Johanniskraut oder Melisse in den Getränken viel zu gering dosiert, um etwas zu bewirken.

Viele "Near water-Produkte" (zu deutsch: nah am Wasser) sind außerdem mit künstlichen Aromen, Konservierungsstoffen und zahnschädigenden Säuren versetzt - wichtige Mineralstoffe fehlen dagegen. Auch als Durstlöscher taugen sie nicht, weil sie zwischen 150 und 300 Kilokalorien pro Liter aufweisen. "Hin und wieder ein Glas ist aber unbedenklich", so Danitschek.

Um in dem hart umkämpften Feld der Getränkeindustrie Erfolg zu haben, präsentieren die Hersteller neue Produkte mit der Verheißung, Verbraucher könnten damit ihre Gesundheit oder die Ausstrahlung optimieren - frei nach dem Motto: Wer schön sein will, muss trinken. Sie sprechen Sehnsüchte an, viele Menschen wollen den Werbebotschaften glauben.

Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit der Getränke fehlen dabei fast immer. "Man schließt einfach von der Wirkung einzelner Inhaltsstoffe auf die Wirkung der Getränke", sagt Christiana Gerbracht vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. "Aber Nahrungsmittel sind mehr als Substanzen, die man in bunten Säften auflösen kann."

Wellness-Getränke
:Auf die Schönheit?

Jugend für den Geist oder Reinigung der Seele: Wellness-Getränke werben mit ihrer gesunden Wirkung. Doch viele von ihnen sind bestenfalls wirkungslos, sagen Experten.

K. Thielitz und S. Pfauth

Nicht Betacarotin ist gesund, sondern Möhre. Nicht Lycopin, sondern Tomate. Nicht Vitamin C, sondern Obst. Bei Smoothies etwa, die sich gerne als "Obst zum Trinken" anpreisen, schwanke die Qualität enorm - auch deshalb, weil wichtige Schalenbestandteile des Ursprungsobstes fehlten. Je mehr Fruchtmark ein Smoothie enthalte, desto gesünder sei er.

Wellness-Getränke
:Auf die Schönheit?

Jugend für den Geist oder Reinigung der Seele: Wellness-Getränke werben mit ihrer gesunden Wirkung. Doch viele von ihnen sind bestenfalls wirkungslos, sagen Experten.

K. Thielitz und S. Pfauth

Arzneimittel müssen einen Wirksamkeitsnachweis erbringen, um als solche zu gelten. Für Nahrungsergänzungsmittel, zu denen auch Wellness-Getränke zählen, gilt das nicht. Um diesen Anschein dennoch zu wecken, vertreibt beispielsweise die Schweizer beautywater AG ihr beautywater Q10 ausschließlich über Apotheken - das beglaubigt das Elixier, das mit 40 Milligramm des Koenzyms Q10 pro Liter "Jungbleiben" verheißt.

Andere Kosmetikfirmen setzen auf vergleichbare Wunderstoffe - als seien Schönheit und Jugend bloß eine Frage der Chemie. Weil Exklusivität den Marktwert erhöht, findet sich etwa der "Schönheit von innen" versprechende Waterbooster von Dr. Brandt ausschließlich in Douglas-Parfümerien; das Fruchtsaft-Duo von Daniele de Winter, das mit mehr als 40 Oxidantien und Aminosäuren für eine straffere Haut sorgen will, gibt es in Schönheitssalons und Parfümerien.

Kein Wellness-Getränk kann eine ausgewogene Ernährung ersetzen

"Was diese Firmen machen, ist verantwortungslos", sagt Christos Zouboulis, Dermatologe und Präsident der Europäischen Gesellschaft für präventive, regenerative und Anti-Aging-Medizin. "Sie behaupten etwas, ohne dafür Beweise zu bringen." Möglich ist, dass allein der Glaube an die Wirksamkeit einzelner Getränke zu einer gewissen Wirkung führt (Placebo-Effekt).

Aber ein durchschlagendes Ergebnis soll ja auch gar nicht erreicht werden. Dann nämlich müsste das Getränk zum Arzneimittel deklariert werden und würde damit teuer für die Hersteller. Mit nebulöser Werbesprache lassen sie dem Verbraucher also Platz für Assoziationen, wie im Fall von Gerolsteiners Wässern, die "irgendwie" lebendiger machen.

Klar ist: Kein Wellness-Getränk kann eine ausgewogene Ernährung ersetzen. Wer krank ist, sollte nicht in den Supermarkt gehen, sondern zum Arzt. Der Großteil der neuen Zaubertränke ist zwar nicht schädlich, aber eigentlich überflüssig.

© Wohlfühlen vom März 2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: