Typologie der Gärten:Mein schöner Garten

Lesezeit: 8 min

Zeige mir deinen Garten, und ich sage dir, wer du bist: Gärten spiegeln wider, wie ihre Schöpfer die Welt sehen - oder wie sie von ihr gesehen werden wollen.

der Grünflächen.

Zeige mir deinen Garten, und ich sage dir, wer du bist: Gärten spiegeln wider, wie ihre Schöpfer die Welt sehen - oder wie sie von ihr gesehen werden wollen. Manchmal brauchen sie Jahrhunderte für die Perfektion ihres Stils. Manchmal nur ein paar Jahrzehnte. Oder ein paar Jahre. Und manchmal kann es ziemlich schiefgehen. Eine Typologie.

Praktisch

"Mein Vater", schreibt Michael Pollan in Second Nature, seinem Werk zur Erziehung eines Gärtners, "mein Vater mochte einfach keinen Rasen und zog es vor, mit dem Rest des Gartens aus der Entfernung umzugehen, am liebsten durch ein Fenster."

Dies ist eine treffende Beschreibung für die Nicht-Gärtner - jene, übrigens keineswegs seltenen Menschen, die nicht viel anfangen können mit Erde und Kompost und all den anderen Dingen, die nun mal notwendig sind, um aus dem Boden um ein Haus und aus Wetter und Pflanzen einen richtigen Garten zu machen.

Das ist nicht weiter schlimm, nur ist es so, dass mit dieser Einstellung häufig etwas herauskommt, das vor allem aus viel Rasen besteht oder aus viel Waschbetonplatte. "Ist doch praktisch", sagt der, der nicht selber mähen mag, zum 20 x 10 Meter großen, messerschneidenscharfen Mittelgrünstück, das sein Mähroboter befahren kann, ohne irgendwo hängen zu bleiben.

Und im Frühjahr wird jedes Kleeblatt, das sich waghalsig zwischen den Betonplatten hindurchgedrückt hat, mit Dampfdruck gnadenlos herausgeschleudert. Manchmal aber sind es gerade jene praktischen Gärten, die viel mehr berühren als ihre mit Baumarktkitsch vollgestopften Nachbarn.

Solche Gärten sind etwas älter geworden, und ihre Besitzer, die sich einst vor allem praktisch nannten, weil sie lieber ein bisschen faulenzten in ihrer wenigen freien Zeit, sind nicht mehr ganz so akkurat.

Wäsche flattert an der einst so straff gespannten, jetzt lockeren Leine. Eine Ecke, einst als strukturierte Deponie für Gerät und Holz geplant und nie vollendet, ist zum Biotop geworden. Der Wind hat Eindringlinge hineingetragen, die das Mittelgrün schrumpfen und erblühen haben lassen. Und so ist, voilà, trotz allem ein Garten gewachsen.

Petra Steinberger

Esoterisch

Wer sich die hochentwickelte Kunst asiatisch inspirierter Gärten, die es auch hierzulande gibt, vor Augen führt, der muss den aktuellen Esoterik-Boom in den Vororten fürchten. Mit Asien hat das nichts zu tun. Mit einer wahrhaft verstandenen Esoterik noch weniger.

Schon der allgemeine Feng-Shui-Furor ist fragwürdig, der seit einigen Jahren Architektur und Innenarchitektur erfasst hat und die Leute Stühle und Sofas rücken lässt, als gälte es, den Teufel aus dem westlichen 3-Zimmer-Küche-Bad-Leben mit vermeintlich fernöstlichen Methoden auszutreiben.

Wenn man aber nun im Garten unter dem Oberbegriff der Esoterik vermutet Spirituelles und irgendwie Okkultes mit den Mitteln der prosperierenden Grünsupermärkte zusammenschraubt, also mit schamanischen Tier-Orakel-Figuren aus Plastik und einem Buchsbaum-Muster in Yin-und-Yang-Form, muss man sich nicht wundern, wenn am Ende nur eine Art gärtnerisches Lifestyle-Yoga herauskommt.

Der Eso-Garten ist deshalb meist alles andere als hilfreich, um das zu erreichen, was einem Garten tatsächlich innewohnen kann: Harmonie. Eher lassen die entsprechend gestalteten Gärten auf den Versuch schließen, ein Hundertwasser-Bild auf den Grundriss des gallischen Dorfes anzuwenden. Das Ineinander von unterschiedlichsten Materialien, Pflanzen und Formen ist aber oft nur dies: Chaos. Und somit das genaue Gegenteil von Harmonie.

"Wenn Ihnen immer wieder das Geld zwischen den Fingern zerrinnt", so ein typischer Esoterik-Garten-Rat im Weltwissen, also im Internet, "sollten Sie in die Reichtumszone Ihres Gartens kräftige Pflanzen setzen." Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wo denn die Reichtumszone ist. Das wird im Internet nicht verraten, aber man erhält die Telefonnummer eines "geschulten Gartenberaters", der ein "Berater zum Glück" sein soll.

Der käme dann, flüsterte vermutlich ein wenig in Richtung Pflaumenbaum, studierte den Flug der Amsel - und verortete die Reichtumszone zwei Meter links hinter dem Komposthaufen. Dumm nur: Die Zone gehört zum Nachbargrundstück.

Gerhard Matzig

Wild

Dann, eines Tages, hatten sie genug. Die Stauden wuchsen nicht, wie sie wachsen sollten, außer man schüttete tonnenweise Dünger über sie. Englisch inspirierte Staudenbeete funktionierten nicht, das Klima war zu rau und zu extrem. Das Wasser wurde auch immer spärlicher, in manchen der heißen Sommer durften sie nicht einmal mehr gießen. Das war schlimm für den Rasen.

Der verschwand als Erstes. Aber es wurde auch schlimm für die empfindlichen Pflanzen, die aus milderen Klimazonen stammten. Überhaupt diese Ordnung, diese zu brave, zu schöne, aufgehübschte, bauerngärtnerische. Es kamen Gärtner, Landschaftsarchitekten, Gartendesigner wie Piet Oudolf in den Niederlanden oder Scott und Lauren Ogden und Wolfgang Oehme in den USA.

Unterstützt wurden sie von Lehranstalten wie der Hochschule für Gartenbau in Weihenstephan oder dem Schaugarten Hermannshof, die schon jahrelang erforscht hatten, wie man Pestizide und Dünger reduzieren und trotzdem gestalterisch interessant bleiben konnte. Sie entdeckten genügsame Pflanzen und robuste Pflanzen und vor allem Gräser, Gräser, Gräser.

Und damit schufen sie eine neue Pflanzästhetik, die zugleich sehr alt ist. Präriepflanzungen werden sie manchmal genannt, sie zitieren die Savanne, oder, wenn sie noch härteren Bedingungen ausgesetzt werden, die Steppen Asiens. Es sind Graslandschaften, gesprenkelt mit niedrigen Stauden, die den Stürmen widerstehen können. Sie brauchen wenig, um zu überleben.

Sogar das tumble weed, diese klischeehaft albernen Grasballen, die in alten Western vom Wind durch die Straßen getrieben werden, immer kurz bevor eine Bande Bösewichter die Stadt überfällt - selbst das tumble weed findet neue Verwendung.

Wilde, natürliche Pflanzungen sind also im Kommen - in den endlos weiten Ranchanwesen, diesen neuen Schlossanlagen reicher Amerikaner schon längst, aber auch in immer mehr europäischen Parks, sogar auf so mancher Verkehrsinsel. Selbst die Klein- und Kleinstgärtner Europas entdecken sie. Dort sind wogende Gräser vielleicht auch ein botanischer Protest gegen das zunehmende Schrumpfen, Zerstückeln, Zerteilen alter Gärten, weil ein Doppelhaus oder noch mehr darauf gesetzt wird und ein Garten übrig bleibt, der diesen Namen kaum noch verdient.

Ökologisch korrekt sind solche Pflanzungen natürlich auch. Das ist heutzutage wichtig, auch wenn es natürlich nicht wahr ist, dass derart angelegte Gärten keine Pflege mehr brauchen. Aber dieses Gerücht existiert, seit es die so geliebten "verwilderten", die verwunschenen Gärten gibt. Also von Anfang an.

Petra Steinberger

Prachtvoll

Die Bändigung der wuchernden Natur kann man als gärtnerische Urgeste deuten. Formal geordnete Pflanzungen hat es, seit der Mensch die Natur in Dienst nimmt, immer schon gegeben. Die legendären Gärten der Antike, etwa die Hängenden Gärten der Semiramis in Babylon.

Aber auch die anspruchsvollen Gartenkunstwerke der islamischen Welt, etwa die der Alhambra in Granada, waren kunstvoll nach geometrischen Prinzipien gestaltet. In der Renaissance haben die Gartenarchitekten dann die Prinzipien des formalen Gartens - ummauerte Terrassen und Parterres, Treppen- und Wegeachsen, Brunnenanlagen und ornamentale Pflanzmuster - höchst lebendig wiederbelebt.

Die Gärten der Villa d Este in Tivoli, der Villa Lante in Bagnaia und der Villa Aldobrandini in Frascati deuten die enorme Variantenvielfalt an, die innerhalb der Grundregeln auf vergleichsweise beengten Grundflächen möglich war.

Im absolutistischen Staatssystem Ludwigs XIV. wurden die Achsen-Ordnungen der Renaissancegärten dann ins Maßlose gedehnt. Die Gärten von Versailles - sie nahmen mit ihren Sicht- und Wegeachsen virtuell ganz Frankreich ins Visier - stellten das absolutistische Prinzip so überwältigend klar dar, dass diese Wirkungsmittel bald in ganz Europa übernommen wurden. Im absolutistischen Barockgartennahm der Potentat seine Umgebung bildhaft in Beschlag - und das mit einem Ort des Vergnügens, der nur ihm zugänglich war.

Dieser ins Land getragene fürstliche Triumph musste irgendwann eine gärtnerische Gegenbewegung auslösen. Diese Bewegung hat sich in England formiert. Die Engländer strichen zunächst alle unnatürlichen Geraden aus ihren Gartenplänen und ließen sich vom individuellen Schwung der Landschaft und von den Zufallsgruppierungen malerischer Bäume zu jener gewaltlosen Form der Naturgestaltung anregen, die sich als Landschaftspark oder Englischer Garten bis heute höchster Beliebtheit erfreut.

Im Historismus mischten die Gartengestalter dann wieder die Stile: Sie reicherten die frei flutenden Landschaften mit kleinteilig gestalteten Partien an, mit schnittigen Achsen, mit kugelig beschnittenen Bäumen und mit prallfarbigen Schmuckbeeten. Heute bewegt sich die Gartenkunst zwischen Extremen: Strengste formale Rasterungen können sich mit den Zufälligkeiten der Spontanvegetation zu etwas aufregend Neuem verbünden.

Unser Beispiel zeigt die penibel gepflegten Heckenanlagen in den Marqueyssac Gärten im Dordogne-Tal in Frankreich.

Gottfried Knapp

Kunstvoll

Künstlergärten sind die freiesten Kreationen auf dem Gebiet der Gartenkunst. Innerhalb dieser Kategorie gibt es zwei Grundtypen. Der eine Typus steht ganz im Dienst eines bildnerischen Werks, zeigt gartengestalterisch also nur mäßigen Ehrgeiz.

Das schönste Beispiel für diesen Typus ist wohl das Museo Chillida-Leku in der Nähe von San Sebastián: Dort sind die Skulpturen des Bildhauers Eduardo Chillida wirkungssicher in einem weiten Landschaftsgarten verteilt. Beim anderen Typus ergeht sich ein Künstler wollüstig in seinen individuellen Mythologien, er bricht also ganz bewusst die gängigen Gestaltungsregeln.

Eines der bekanntesten Beispiele dieses Typusdürfte der Giardino dei Tarocchi sein, den Niki de Saint Phalle in der Toskana angelegt und mit begehbaren Riesenfiguren bestückt hat. Das aufregendste Gartenkunstwerk, das von einem Künstler im 20. Jahrhundert angelegt wurde, ist aber wohl der Zaubergarten Las Pozas, den der exzentrische englische Milliardär Edward James von 1950 an in jahrzehntelanger Arbeit in Mexiko in die wilde subtropische Tallandschaft der Sierra Madre hat hineinmodellieren lassen.

Eigentlich hatte sich der zum Kreis der Surrealisten zählende James nur deshalb in die abgelegene Gegend bei Tampico locken lassen, weil er gehört hatte, dass dort die Orchideen besonders gut gedeihen. Doch als er die abenteuerlich gewundene Felsschlucht mit ihren Seen und Wasserfällen entdeckte, war es klar für ihn, dass er an diesem Ort etwas schaffen konnte, was auf seine Art sogar die Kreationen der befreundeten Surrealisten in den Schatten stellen würde.

Er ließ Bauten von aberwitziger Verspieltheit im Dschungel hochschießen - etwa eine Treppenspirale, die hoch über den Bäumen geländerlos in den Himmel steigt. Er hat tropische Menagerien in den Winkeln der Schlucht verteilt und ein System von Wegen so durch seinen botanischen Märchenpark angelegt, dass nach jeder Windung eine andere gebaute Bizarrerie auftaucht, ein anderer Ausblick auf die Wunder der Landschaft.

Gottfried Knapp

Japanisch

Sie kommen alle zwei Jahre nach London, Paris, Düsseldorf. Sie kommen in heiliger Mission. Sie wissen gutes von schlechtem Moos zu unterscheiden. Sie wissen, warum die Bäume an der Zufahrtsallee auf keinen Fall geschnitten werden dürfen.

Aber sie kennen keine Gnade, wenn es um das winzigste Ästchen an einem versteckten Japanischen Ahorn geht. Sie drehen jeden Stein zurecht, der in einem kleinen Bächlein von einem Tier oder wem auch immer zur Seite gerückt wurde.

Die Rede ist von japanischen Gartenspezialisten, die alle zwei Jahre die wichtigsten Gärten in Europa besuchen. In Düsseldorf, wo die drittgrößte japanische Gemeinde Europas lebt, kümmern sich deutsche Gärtner täglich um den Garten des EKO-Hauses der Japanischen Kultur. Er umschließt einen großen buddhistischen Tempel, dessen Altar seinesgleichen in Europa sucht.

Aber die tägliche gründliche Pflege der Deutschen vermag nicht den Einsatz der Experten zu ersetzen. Die kennen den Plan, welcher der Harmonie von Dingen und Pflanzen zugrunde liegt.

Japanische Gärten sind ein Mythos an Gepflegtheit und Gestaltungskunst, sie sind berühmt für ihre ausgeklügelten Arrangements. Die Wegeführung wird zu einem Gang durch wechselnde Theaterführungen, das Kino des Spaziergängers entsteht durch neue Perspektiven. Es geht um Inszenierungen und natürlich um asiatische Philosophie - und um die beiden wichtigen japanischen Religionen.

In einem Garten wie dem in Düsseldorf weisen alle ansteigenden Wege hinauf zum Heiligtum, allerdings auf raffinierten Umwegen. Vor allem geht es um möglichst viel Natur auf wenig Raum. Man könnte auch sagen, es wird die Kunst gefeiert, Artifizielles auf rein pflanzlicher Basis zu verabreichen. Und zwar diskret, niemand soll merken, dass er mit legalen optischen Drogen wie Ahorn und Zierkirsche betäubt wird.

Wie vieles im frühen Japan waren auch die Gärten von der bewunderten chinesischen Kultur inspiriert. Aus anfangs großzügigen Landschaftsgärten wurden kleinteiligere, oft asymmetrische Anlagen. Effektvoll zeigt sich immer wieder ein anderer Garten, sobald der Betrachter einen neuen Standort einnimmt.

Diese Kunst der Dramaturgie entwickelte sich aus vielen Gründen. Neben einem ausgeprägten ästhetischen Empfinden für das Nebeneinander immergrüner sowie aufblühender und wieder verwelkender Pflanzen, war sicherlich die Enge der Städte ursächlich. Japan ist ein Land mit wenig Siedlungsfläche.

Wo ausnahmsweise kein Gebirge ist, nutzt der Mensch jeden Flecken Erde, um ihn zu bewirtschaften. In vollgestopften Städten bleibt nur so viel Raum für die Natur wie im Setzkasten für ein Auto. Und in einen dermaßen kleinen Garten muss viel hineinpassen: möglichst das Universum, und der Kreislauf des Lebens dazu.

Deshalb können hier Bäume winzig sein, ohne klein zu wirken. Bonsais sind Teil eines Mikrokosmos. Jedes Detail ist genau gesetzt, jeder Stein liegt, wo er liegen soll. Denn Pflanzen, Wasser und Steine sind auch Symbole, im Steingarten wird sogar das Wasser mit Kies dargestellt. Bei so viel Kontrolle, selbst von Wildwuchs, müssen Spezialisten her.

Harald Hordych

© SZ vom 3/4.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: