Tommy Hilfiger:Born to be mild

Lesezeit: 5 min

Eine Begegnung mit dem Designer Tommy Hilfiger, der mit bunten Baumwollattacken die Welt erobert hat.

Marten Rolff

Vor einiger Zeit begegneten sich der Designer Tommy Hilfiger und der Rocksänger Axl Rose in der New Yorker Bar "The Plumm". Hilfiger war ins West Village gekommen, um mit ein paar Freunden zu feiern, die man auf den ersten Blick nicht der Liga der Button-Down-Hemden zurechnen würde: Lenny Kravitz etwa war dabei und Kid Rock. Man saß gemütlich an der Bar zusammen, bis Rose hereinrauschte, sich unverschämt breit machte und Hilfigers Freunde samt Drinks rüde beiseite schob. Einen höflichen Protest ("Excuse me?") quittierte der Sänger mit "Fuck you!", was der Modemacher als Unrecht empfand: "No, fuck you!". Irgendwann muss dann Axl Roses Faust in der Luft gewesen sein, und der bedrängte Hilfiger rettete sich mit einem sauberen Haken von unten, der Rose sofort zu Boden streckte.

Tommy Hilfiger: selbsterklärter Glamrocker und Positivdenker (Foto: Foto: dpa)

Wenn Tommy Hilfiger, eifrig bekennender Rockfan, diese Geschichte erzählt, dann hat sie etwas Unwirkliches. Fast wirkt es so, als berichte er von einer völlig anderen Person, hier in der gedämpften Atmosphäre seiner Suite im Berliner Hotel Adlon. Durch die Gänge davor wieselt seine Entourage und flötet irgendwann: "Tommy empfängt jetzt" und "Er ist ja so wahnsinnig nett". Der Casualkönig selbst trägt Tommy - rote Hose zum legeren blauen Pullover, aus dessen Rundausschnitt der Kragen eines weißen Hemdes mit himmelblauen Karos ragt - und lehnt mit übergeschlagenen Beinen in einem pastellgelben Kingsize-Sofa. Die "Fuck you"-Stelle klingt eher nach "Love you", auch weil er es milde lächelnd hinhaucht - nahezu intonationslos, wie mit der Stimme einer schwindsüchtigen Elfe.

Alles auf Zucker

Ein Magazin spekulierte später über den Zwischenfall mit Axl Rose, dass Hilfiger, der damals von seinen Bodyguards zurückgehalten werden musste, womöglich in seinem Temperament doch unberechenbarer ist als angenommen. Oder dass er mit dem Kinnhaken beweisen wollte: Ich bin ein Wilder, glaubt es endlich! Beides sei unwahr, sagt Hilfiger, der mit seinen 57 Jahren, als Vater von vier Kindern und Kreativdirektor eines von ihm selbst aufgebauten Modeimperiums selbstverständlich keinem mehr etwas beweisen muss. "Es war Selbstschutz." Axl Rose habe sehr weit ausgeholt, und an seiner Faust habe ein sehr großer Ring gesteckt. "Ich dachte, wenn er mich trifft, bin ich tot".

Natürlich schwingt in Hilfigers Erzählung mit, dass er Gewalt genauso sehr verabscheut wie jegliche andere Fiesheit auch. Denn wenn der Designer überhaupt Angriffe plant, dann nur solche von fast schon aggressiver Freundlichkeit.

Die bunten Baumwollattacken, mit denen er nun seit knapp 30 Jahren erfolgreich die Welt überzieht, kommen oft daher wie die kleinen Petit Fours, die in exakten Linien auf einem Tablett in seiner Suite für Gäste angerichtet sind: Mürbeteighäppchen mit einer säuerlichen Brombeere und einer süßen Himbeere, begraben unter einer dicken Schicht klebrigen Puderzuckers. Blau-rot-weiß ist auch sein Logo, weshalb dem Designer oft die komplizierte Absicht einer "patriotischen Mode" unterstellt wird, die sich am amerikanischen Sternenbanner orientiere. Er selbst hat dafür eine viel einfachere Erklärung: "Es sind meine Lieblingsfarben."

Nach Deutschland ist Hilfiger gekommen, um den Bambi entgegen zu nehmen - einen Preis, mit dem der Modemacher gewissermaßen das Image teilt: Beide gelten beim Publikum als konsensfähig und beliebt, aber werden ob ihrer Niedlichkeit von vielen Spöttern belächelt. Am Ende müssen selbst diese Spötter oft zugeben, dass sie beide schon im Schrank haben.

Mick Jagger habe ihm einmal geraten, wie mit Geringschätzung und Gerüchten zu verfahren sei, sagt Hilfiger: "Ignorieren! Sonst glaubst du die Geschichten noch selber." Der Designer sagt, dass es ihn nun nicht mehr kümmere, ob man ihn als schwul oder straight, arm oder reich, brav oder aufregend, innovativ oder konformistisch beschreibe. Dann erklärt er sein Motto, das er seit Jahren fast mantramäßig von sich gibt - und mit verwirrendem Nachdruck: "Ich bin ein glücklicher Mensch, Spaß haben ist wichtig".

Schon als 18-Jähriger eröffnete er in seiner Heimatstadt Elmira im Bundesstaat New York seinen ersten Laden, wo er Schlaghosen verkaufte. Cool habe er aussehen wollen. Und rebellisch sei er gewesen, sagt er. Pause. "Ein bisschen". Lange Haare, Flower Power, 68er. Ein Musikfan, der sagt, dass er Hendrix, Bowie und die Stones verehrte. Doch Rebellion und Coolness hat er stets wohl dosiert. Woodstock war nicht weit entfernt von seinem Elternhaus, trotzdem verkaufte Hilfiger am Festivalwochenende in einem Laden in Elmira Poster. Er hat später Fotos gesehen - mit all dem Regen und Schlamm und den unkontrollierten Massen. Da war er dann ganz froh, nicht dabei gewesen zu sein.

Es ist bekannt, dass er früh Jobs angenommen hat, dass er immer "viel Geld verdienen" wollte. Weil er als eines von neun Kindern einer Krankenschwester und eines Uhrmachers aus eher bescheidenen Verhältnissen kam. Wohlhabendere Klassenkameraden hat er manchmal um ihre schöne Kleidung beneidet. Nur solle man aber bitte nicht auf die Idee kommen, seine Kindheit sei deshalb unglücklich gewesen. Hilfiger kann sich an Baseball, Musik, glitzernde Tankstellen, Popcorn und Apfelkuchen erinnern. Amerika-Romantik, die er auch in seiner Mode immer und immer wieder zitiert. Glück ist in seiner Branche eine verdammt ernste Sache.

Der Designer findet seine gleichzeitigen Schwärmereien für College-Schick, Flower-Power, Rock'n'Roll oder Glamrock nicht widersprüchlich. Er glaubt tatsächlich, dass er damals einfach nur den Stil von (Jimi) "Hendrix und Lacoste zusammengeführt" habe. Dass ihn dies von anderen unterscheide. "Kreativität ohne Geschäftssinn bringt keinen Erfolg" ist ein Hilfiger-Credo. In Stilfragen zu ideologisch gewesen zu sein, kann man ihm sicher nicht vorwerfen. Er hat in den Achtzigern vor allem die weiße Mittelklasse bedient. In den Neunzigern kam dann die Rapszene hinzu - mit ihren T-Shirts und Baggy Pants, später die Luxusrevolution. Als man ihm Beliebigkeit vorwarf und das Geschäft nicht mehr so lief, verkaufte er an einen Investor und schuftete im nun nicht mehr eigenen Laden weiter, bis die Zahlen wieder besser wurden.

Womöglich ist diese Haltung ja das wirklich Amerikanische am US-Designer Tommy Hilfiger. Nicht seine Chinos und Jeans, nicht seine Polos, nicht seine Sternenbannerfarben oder seine gigantischen Logos - sondern sein beharrlich-freundliches Werben darum, alle einzubinden, vom Gangsta-Rapper bis zur Hockey-Mum. In Interviews äußert er sich gegen den Irakkrieg und sehnt das Ende der Ära Bush herbei. Nebenbei verpflichtete er die Präsidenten-Nichte Lauren als Model für seine Kampagnen. Lauren ist übrigens mit dem Sohn von Ralph Lauren liiert, Hilfigers höherpreisigem Konkurrenten aus der Neuengland-Mode-Fraktion.

Und so wird Hilfiger wohl auch versuchen, dem neuen Amerika des Wandels ein Gesicht geben. Man darf ihm zutrauen, dass er irgendwann die Bush-Töchter händchenhaltend mit den Obama-Mädchen zu Hardrockklängen über den Laufsteg schickt und es dazu Waldbeeren und Puderzucker regnen lässt. Was die vollständige Weltumarmung angeht, widerspricht der Designer allerdings: Stars wie Amy Winehouse oder Pete Doherty zum Beispiel würde er nie einkleiden wollen, sagt er. "Zu anti, zu vorsätzlich". Negatives Denken ist ihm zuwider. Besonders, wenn es inszeniert ist.

Mit dem Daueroppositionellen Axl Rose kam es damals übrigens sehr schnell zur Versöhnung. Auch weil der Sänger noch am selben Abend "meinem guten Freund Tommy Hilfiger" ein Lied widmete: "You're crazy". Und Hilfiger sagt, dass er die Musik von Rose mag: "Einiges davon ist wirklich gut." Dazu knallt er ein Lächeln auf die schmalen Lippen, das die Sphinx nicht besser hingekriegt hätte.

© SZ vom 29.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: