Tiere:Körperwerkstatt

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Bein ab? Auge kaputt? Manche Tiere haben erstaunliche Selbstheilungskräfte. Sie können Zähne nachladen, aus abgehackten Beinen Geschwister machen, sogar einen ganzen Kopf einfach nachwachsen lassen. Wieso klappt das beim Menschen nicht?

Von Nina Himmer

Wundersame Axolotl

Arme, Beine, Augen, Schwanz - sogar Teile von Gehirn und Wirbelsäule können Axolotl nachwachsen lassen. Mehrfach, ratzfatz und voll funktionstüchtig. Das macht die Lurche zum Lieblingstier vieler Forscherinnen und Forscher: Sie erhoffen sich von der Entschlüsselung der tierischen Superheilkräfte neue Erkenntnisse für Therapien bei Menschen mit Brandwunden oder Amputationen. Dafür aber müssen sie erst wichtige Fragen klären: Woher weiß der Körper, welcher Teil repariert werden muss? Und wie genau funktioniert das?

Rasende Hirsche

Etwa 2,5 Zentimeter am Tag wächst das knöcherne Geweih von Hirschen. Das ist sauschnell. Würde der Körper eines Menschen mit der gleichen Geschwindigkeit wachsen, wäre man mit drei Jahren schon über 25 Meter groß. Das ist gleich doppelt ungewöhnlich: Zum einen ist kein Organ bekannt, dass sich so schnell vollständig erneuern kann. Zum anderen gibt es sonst keine Säugetiere, die ein Körperteile komplett nachwachsen lassen können.

Robuste Regenwürmer

Einmal mit der Gartenharke nicht aufgepasst, schon ist der Regenwurm halbiert. Mit etwas Glück kann der vordere Teil aber überleben: Wenn Mundöffnung, Hirn, Magen, Darm und Herzen (Regenwürmer haben fünf davon) unbeschädigt sind, kann der Wurm sich heilen. Das kostet ihn allerdings so viel Energie, dass er in eine Heilstarre verfällt und sich eine Weile nicht bewegen kann. In dieser Zeit ist er leichte Beute für Vögel oder Maulwürfe. Im Gegensatz dazu sind Plattwürmer wahre Überlebenskünstler - selbst für ein neues Gehirn brauchen sie nur zwei Wochen. Und auch wenn man sie in Einzelteile zerstückelt, entsteht aus jedem Stück ein neuer Wurm.

Doppel-Seesterne

Verlieren Seesterne einen Arm, wächst dieser nicht einfach nur nach. Aus dem abgetrennten Stück entsteht ein neuer Seestern - sofern es nicht vorher von einem Raubtier verspeist wird. Mit etwas Glück (und wenn das Körperinnere unverletzt bleibt) führt eine Verstümmelung also zu einer Verdopplung. Manchmal trennen sich Seesterne sogar absichtlich von Körperteilen, indem sie einen Arm abwerfen oder sich in der Mitte spalten. Das ist für sie eine Art, sich auch ohne Partner zu vermehren. Klonen!

Kopflose Schnecken

Es gibt eine Meeresschnecke, die sich selbst köpft. Das klingt verrückt und gruselig, ist aber eigentlich ziemlich schlau: die Schnecke stößt ihren Körper nämlich nur dann ab, wenn er verletzt oder von Parasiten befallen ist. Danach braucht "Elysia marginata" etwa eine Woche, um sich halsabwärts wieder herzustellen und einen brandneuen Körper samt Herz und Organen wachsen zu lassen. Weil sie ähnlich wie Pflanzen aus Licht Energie gewinnt, verhungert die Schnecke nicht, während sie ihren neuen Körper baut.

Bewaffnete Haie

Loch im Zahn? Kante abgebrochen? Mit solchen Wehwehchen müssen Menschen zum Zahnarzt. Haie haben dafür in ihrem Maul eine Art Ersatzteillager: Hinter jedem Zahn stehen gleich mehrere neue Zähne bereit. Sobald einer ausfällt, wird direkt nachgeladen - daher spricht man bei Haien auch von einem Revolvergebiss. Bis zu 30 000 Zähne kann ein Hai so im Laufe seines Lebens ersetzen.

Und wir Menschen?

Arme und Beine nachwachsen lassen, den Rücken reparieren oder das Hirn verjüngen - das wäre was! Leider ist die Regenerationsfähigkeit von Menschen sehr begrenzt. Haut und Knochen können wir heilen, auch Teile der Leber können nachwachsen. Das war es dann aber auch. Zum einen sind Menschen komplexer gebaut als etwa Plattwürmer. Zum anderen verlieren unsere Stammzellen mit dem Erwachsenwerden die Fähigkeit, Gewebe von Grund auf neu aufzubauen. Genau daran arbeitet die Medizin: Wie könnte man Stammzellen dazu anregen, ein neues Bein oder Herz herzustellen?

© SZ vom 08.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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