Serie "Wie ich euch sehe" - die Friseurin:"Männer geben am meisten Trinkgeld"

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Friseure sind manchmal Seelentröster - etwa für ältere Kunden. (Foto: Illustration: Jessy Asmus/SZ.de)

Waschen, Schneiden, Fönen: Wer zu Maria N. in den Salon kommt, will manchmal einfach nur reden. Eine Friseurin erzählt.

Protokoll von Viktoria Bolmer

In der Serie "Wie ich euch sehe" kommen Protagonisten des Alltags zu Wort: Menschen, denen wir immer wieder begegnen, über die viele kaum etwas wissen: eine Polizistin, eine Rollstuhlfahrerin, ein Zahnarzt. Sie teilen uns mit, wie es ihnen ergeht, wenn sie es mit uns zu tun bekommen - als Kunden, Patienten, Mitmenschen. Diesmal erzählt Maria N., 28, aus ihrem Alltag als Friseurin.

Mir ist es lieber, wenn die Kunden reden, während ich ihnen die Haare schneide. Meine Konzentration stört das gar nicht, dank der jahrelangen Erfahrung sitzt jeder Handgriff. Ein Gesprächsthema anzufangen, ist einfach: Über das Wetter spricht wirklich jeder gern, das funktioniert immer.

Stille finde ich unangenehm. Er oder sie sitzt auf dem Stuhl, ich mache an den Haaren herum und keiner sagt was, das ist komisch. Klar gibt es Kunden, die nicht reden möchten. Das merke ich schnell, und selbstverständlich ist das dann auch okay - der Kunde ist schließlich König.

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Das gilt sowieso immer, auch wenn er oder sie hinterher über das Ergebnis auf dem Kopf meckert. Oft hat die Beschwerde nicht direkt etwas mit meiner Arbeit zu tun - es gibt Kunden, die kommen schon mit schlechter Laune in den Salon, denen kann ich es nicht recht machen. Andere kommen mit viel zu hohen Erwartungen und denken, ein neuer Haarschnitt wirkt wie eine Gesichts-OP. Eine neue Farbe oder Frisur kann viel machen mit dem Typ, aber eben nicht alles.

Die meisten Kunden wissen, was sie wollen. Wenn nicht, gebe ich gerne Tipps. Ich persönlich schneide gerne Kurzhaarschnitte. Aber keine Angst: Das heißt nicht, dass ich jedem Kunden, der noch unschlüssig ist, einen Irokesen verpasse. Dazu machen wir ja das Beratungsgespräch: um sich ein bisschen kennen zu lernen und einen Haarschnitt zu finden, der zur Persönlichkeit passt.

Klar habe ich dafür nur wenige Minuten Zeit. Aber ob jemand eher zurückhaltend oder extrovertiert ist, merke ich schon nach wenigen Minuten. Das sagt mir mein Gefühl - aber auch das Auftreten und Aussehen meiner Kunden.

Lauter Youtube-Experten

Nervig ist manchmal, dass gerade junge Leute denken, wenn sie ein paar Youtube-Videos geschaut haben, seien sie selbst Experten. Die machen mich dann ernsthaft darauf aufmerksam, dass ich angeblich die Schere falsch halte. Oder noch besser: Sie experimentieren zu Haus selbst herum und wundern sich anschließend, dass alles krumm und schief ist. Im Salon können wir es retten. Spätestens dann ist klar: Die dreijährige Ausbildung zur Friseurin hat schon ihren Grund.

Zu uns in den Salon kommen viele männliche Kunden. Die schauen oft spontan vorbei und geben das meiste Trinkgeld. Frauen planen ihren Friseurbesuch langfristiger und wenn sie für das Waschen, Schneiden und Färben schon 78 Euro bezahlen müssen, legen sie nicht unbedingt noch fünf Euro drauf.

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Ich mag die alten Leute ganz gern, die in den Salon kommen, auch wenn sie mir meist echt leidtun. Was die so erzählen, da möchte ich am liebsten mitweinen. Die eigenen Kinder kümmern sich nicht, der Mann ist verstorben, sie leben allein oder im Heim. Manchmal kann ich zuvor schon durchs Fenster sehen, wie sie unbeholfen versuchen, mit ihrem Rollator aus dem Bus zu kommen, das tut einem schon weh. Wenn sie dann bei mir auf dem Stuhl sitzen, merke ich, wie froh sie sind, dass sie mal rauskommen und ein wenig plaudern können.

Wenn ich genug Zeit habe, dauert der Haarschnitt bei solchen Kunden eben auch mal länger. Es gibt Kollegen, die mögen gerade diese Sorte Kunden nicht. Denn da sind ja durchaus auch mal müffelnde Omis bei, die sich länger nicht gewaschen haben - denen eine Dauerwelle aufzudrehen, ist nicht jedermanns Sache.

Die Leute erzählen im Friseurstuhl Geschichten, da fallen einem die Augen aus dem Kopf. Wenn ich abends die Tür vom Salon abschließe, muss ich das alles wieder vergessen. Klar, mit meinen Kolleginnen rede ich darüber, die haben das meistens ja auch mitbekommen, wer in der Familie gerade wen betrügt. Aber die Kunden vertrauen uns, und was wir im Salon gehört haben, behalten wir für uns.

Wie nehmen Sie die Menschen wahr, mit denen Sie sich aufgrund Ihrer Lebenssituation oder Ihres Berufes tagtäglich auseinandersetzen? Was wollten Sie schon immer einmal loswerden? Senden Sie ein paar Sätze mit einer kurzen Beschreibung Ihrer Situation per E-Mail an: leben@sueddeutsche.de. Wir melden uns bei Ihnen.

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