Serie Kinderwelten: Nairobi, Kenia:Shem will riesige Flieger bauen

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Der 13-jährige Shem aus Nairobi, Kenia. (Foto: N/A)

Der 13-jährige Shem aus Nairobi möchte unbedingt Flugzeugingenieur werden. Dafür lernt er hart. "Kämpfen um Erfolg" steht auf dem stählernen Eingangstor seiner teuren Privatschule.

Von Tobias Zick, Nairobi

Spielen? Lernen? Arbeiten? Wie wächst ein Kind auf? Das hing bislang davon ab, wo es zur Welt kam. Das ändert sich gerade, denn in vielen Teilen der Welt wächst der Wohlstand. Wir haben fünf Kinder aus fünf Kontinenten gebeten, ihren Alltag zu fotografieren. Teil 2 der Serie: Shem, 13, aus Nairobi.

Shem lebt in Banana Hill, einem Vorort von Kenias Hauptstadt Nairobi. Als dieses Land noch britische Kolonie war, wucherten hier Bananenplantagen, so weit das Auge reichte. Heute stehen entlang der Straßen viele junge Männer den ganzen Tag herum, sie haben keine Arbeit, viele betrinken sich, nehmen Drogen. "Ich will nicht so enden wie die", sagt Shem. "Die haben ihre Zeit mit schlechten Sachen verschwendet."

Was die Zukunft bringt, da ist sich Shem Karanja Muniu, 13, schon ganz sicher: Er wird Flugzeugingenieur, so wie die Männer in dem chinesischen Film, den er letztens gesehen hat. Berühmt und gut bezahlt. Shem wird eine eigene Firma haben, er wird ein schönes Auto fahren, einen Subaru Forester. Völlig neuartige Flugzeuge wird Shem entwickeln; das größte soll bis zu 400 000 Menschen transportieren können, von Amerika bis nach China. So viele Leute auf einem einzigen Flug - das mag sich heute noch irgendwie komisch anhören, aber wir reden hier über die Zukunft.

Der Vater schafft es nicht mehr ohne Taxifahren

Damit sein Traum in Erfüllung geht, arbeitet Shem sehr hart. Er steht morgens um 5.30 Uhr auf, frühstückt Porridge oder Rührei und geht dann zur Schule, der "Upper Hill Junior Academy", zehn Gehminuten entfernt. Eine Privatschule, die beste der Gegend; auf dem stählernen Eingangstor steht gepinselt: "Kämpfen um Erfolg."

Shems Eltern mühen sich täglich, ihm diesen Kampf zu ermöglichen. Sein Vater ist Priester, seine Mutter ist Priesterin - aber nicht nur. Die Mutter arbeitet außerdem noch halbtags als Sekretärin in der Innenstadt von Nairobi, und der Vater hat vor knapp einem Jahr angefangen, nebenher Taxi zu fahren, um irgendwie die Familie durchzubringen und Shems Schulgebühren zu zahlen, insgesamt etwa 550 Euro im Jahr.

Serie Kinderwelten: Nairobi, Kenia
:Shem möchte riesige Flieger bauen.

Shem ist sich sicher, dass er Flugzeugingenieur werden will. Er wird berühmt und gut bezahlt und eine eigene Firma haben. Dafür arbeitet er hart. Ein Fotostreifzug durch sein Leben.

Es ist zuletzt immer härter geworden: Die Wohnungsmiete ist gestiegen, die Preise für Strom, Wasser und Lebensmittel auch, und seit Kurzem erhebt der Staat auch noch 16 Prozent Mehrwertsteuer auf Mieten. Deshalb schafft es Shems Vater nicht mehr ohne das Taxifahren. Im Nacken fährt immer die Angst mit: Die Upper Hill Junior Academy schickt jede Woche weinende Kinder nach Hause, weil deren Eltern das Schulgeld nicht mehr zahlen konnten.

Shem glaubt fest an Kenias Zukunft

Shem auf eine kostenlose staatliche Schule schicken zu müssen, das wäre ein Schreckensszenario für seine Eltern. Dort drängen sich oft um die Hundert Schüler in einer Klasse, die Lehrer sind völlig überfordert; wer weiß, ob Shem in dem Fall nicht eines Tages so enden würde wie die heutigen jungen Männer an den Straßenrändern von Banana Hill.

Gerade hat sich die Notlage der Familie noch einmal verschärft: Nächstes Jahr soll Shem auf die weiterführende Schule, womit sich die Gebühren aber auf einen Schlag verdreifachen würden. Shems Vater hat noch keine Ahnung, wie er das finanzieren soll. "Bildung ist das einzige, was unsere Generation unseren Kindern mitgeben kann", sagt er. "Wenn das scheitert, haben sie gar nichts."

Das Kenia der Zukunft werde ein schönes Land sein, sagt Shem. "Mit elektrischen Zügen und großen Flughäfen. Nicht mehr so unordentlich wie heute." Und wie stellt er sich das Leben in dem großen Haus vor, das er bewohnen wird? Zwei Kinder wird er haben, sagt er, auf keinen Fall mehr: "Sonst könnte es ziemlich laut und störend werden. Davon würde ich Kopfschmerzen bekommen." Dann zieht er mit ernster Miene seinen großen Rucksack auf, er muss jetzt nach Hause.

© SZ vom 29.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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