Qualitätssiegel:Hauptsache Siegel drauf

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Immer mehr Firmen dekorieren ihre Produkte mit Qualitätszeichen, aber nicht alle halten, was sie versprechen.

Silvia Liebrich

Wer umweltbewusst, sozialverträglich und sicherheitsbewusst einkaufen will, hat es nicht einfach. Eine Entscheidungshilfe sollen da die unzähligen Qualitätssiegel bieten, die auf Verpackungen und Produkten prangen. Doch der Label-Dschungel wird immer undurchdringlicher.

Mehr als tausend solcher Qualitätssiegel sind in Deutschland im Umlauf, wie das Verbraucherministerium bestätigt. Allein in der Ökobranche finden knapp 20 Zeichen Verwendung. Neueste Errungenschaft ist ein "Fair"-Zertifikat, mit dem der Verband Naturland seit einigen Tagen Lebensmittel kennzeichnet, die nicht nur Bio sind, sondern auch aus fairem Handel stammen.

Auch die EU plant ein neues Bio-Logo - ein Blatt auf grünem Grund. Ursprünglich sollte es alle anderen ersetzen und auf diese Weise für mehr Klarheit sorgen. Doch dieses Vorhaben scheiterte am Widerstand der Ökoproduzenten, die auf eigene Kennzeichen nicht verzichten wollen. Woher soll man nun aber wissen, welches Siegel das beste Bio-Yoghurt oder das sicherste Kinderspielzeug auszeichnet?

Verbraucherschützer verfolgen die Flut der Gütesiegel mit zunehmender Skepsis. "Es besteht die Gefahr, dass man irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht", sagt Christian Fronczak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Vielen Kunden fällt es demnach schwer, ein verlässliches Siegel von einem PR-Gag zu unterscheiden.

Und genau darauf setzen viele Hersteller. Denn ein vertrauenserweckendes Qualitätszeichen zahlt sich aus, wie jüngst eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Qualität offenlegte: Demnach achtet jeder zweite Verbraucher beim Kauf eines Produkts auf ein Qualitätszeichen. Von Werbung lässt sich dagegen nur jeder Vierte beeinflussen. Allerdings halten viele Siegel nicht, was sie versprechen.

Es fehlt an Aussagekraft, Verlässlichkeit und Unabhängigkeit. Das zeigt auch der jüngste Skandal um Bio-Baumwolle, von dem nach unbestätigten Angaben Unternehmen wie H&M und Tchibo betroffen sind. Wie sich herausstellte, stammte die vermeintliche Ökoware aus konventionellem Anbau. "Wenn die Nachfrage größer als das Angebot ist, lädt das zum Betrug geradezu ein", heißt es beim Naturschutzbund Nabu. Dabei hätten die Firmen misstrauisch werden müssen: Nur ein halbes Prozent der Welternte an Baumwolle wird nach Bio-Standards produziert.

Verbraucher, die keinen Zugang zu solchen Informationen haben, müssen auf den Wahrheitsgehalt eines Gütesiegels vertrauen. Was viele aber nicht wissen: Es gibt staatliche Kennzeichen und solche, die von privaten Unternehmen vergeben werden, mit höchst unterschiedlichen Anforderungen. So prangt etwa auf vielen Spielwaren "made in China" ein CE-Zeichen, das eine Produktion nach europäischen Richtlinien garantieren soll.

Das Problem daran: "Es existiert keine Stelle, die überprüft, ob die Kriterien tatsächlich erfüllt werden", kritisiert Verbraucherschützer Fronczak. Denn bislang ist es zulässig, dass sich Hersteller selbst ein Gütesiegel verleihen, ohne dass dies durch eine neutrale Stelle überprüft werden muss. Er fordert ein Gesetz, das dies verbietet.

Käufern rät Fronczak, misstrauisch zu sein. Wer genau wissen will, was sich hinter einem vermeintlichen Qualitätssiegel verbirgt, dem bleibe nichts anderes übrig, als selbst zu recherchieren, etwa auf der Internet-Seite www.label-online.de. Hundertprozentige Sicherheit gibt es aber auch dort nicht.

© SZ vom 26.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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