Projekt Nichtraucher:Nichtrauchen kostet!

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Heutzutage muss man fürs Nichtrauchen bezahlen - und die Kneipen verdienen damit richtig Geld.

Jürgen Schmieder

Der Schriftsteller Martin Walser sagte einmal: "Die schlimmste Wirkung des Kapitalismus ist, dass man glaubt, alles, was man bezahlen kann, gehöre einem." Ein schöner Satz, allerdings hat eine Variante heutzutage mehr Gültigkeit: "Die schlimme Wirkung des Kapitalismus ist, dass man für Tätigkeiten bezahlt, die man gar nicht ausüben will."

Nichtraucher müssen draußen bleiben. (Foto: Fotomontage: Vera Thiessat)

Genau das nämlich passiert derzeit in Wirtshäusern und Kneipen. Die sehen sich plötzlich als Klubheim des größten Vereins der Welt - des ersten weltweiten Rauchervereins. Der Name "Gaststätte" gilt seit diesem Jahr als Anachronismus, aktuell spricht man vom "Raucherklub". Vordergründig dient es dem Ziel, das Rauchen in den Etablissements zu erlauben. In Wirklichkeit jedoch verfolgen die Betreiber wirtschaftliche Ziele.

Es ist nämlich so, dass auch Nichtraucher Mitglied werden müssen bei diesem "Raucherklub", sonst blüht ihnen ein "Du musst draußen bleiben". Wer sich also das Hund-beim-Metzger-Schicksal ersparen möchte, muss löhnen - und nicht gerade wenig. Die Mitgliedschaft in einem dieser neuartigen Vereine kostet zwischen fünfzig Cent und drei Euro. Das ist der Jahresbeitrag, egal wie oft man die Gaststätte aufsucht. Im Gegenzug erhält das nichtrauchende Raucherklub-Mitglied einen Ausweis in Form einer Kreditkarte oder eines Plastikschildes bei Konferenzen.

Da ich nicht zur Gattung des Homo stammgastus gehöre, quillt mein Portemonnaie über, ich habe vierundzwanzig Mitgliedsausweise gesammelt. Als Raucher war ich Mitglied bei einem Dorf-Fußballverein und im Fitnessklub, als Nichtraucher unterstütze ich 24 Raucherklubs. Der Geldbeutel wird nur deshalb nicht dicker, weil mir das Kleingeld entfernt wird. Innerhalb von drei Monaten habe ich 43 Euro ausgegeben, um als Nichtraucher Mitglied in einem Raucherklub werden zu dürfen. Hochgerechnet aufs Jahr werden das 172 Euro sein. Noch einmal: Man bezahlt Geld, damit man eine Tätigkeit ausüben darf, die man gar nicht ausüben will.

Wer nun glaubt, die Gaststätten würden mit der Umbenennung in Raucherklubs einen Dienst an der Menschheit zum Thema Toleranz leisten, der liegt falsch. Es ist eine wirtschaftliche Entscheidung. Je nach Größe und Auslastung kann eine Großraumdiskothek bis zu 8000 Euro pro Abend durch Mitgliedsbeiträge einnehmen. Bei drei guten Abenden pro Woche und stets wechselndem Publikum wären das 1,248 Millionen Euro im Jahr. Zum Vergleich: Der FC Bayern nimmt mit seinen 140.000 Mitgliedern etwa fünf Millionen Euro durch Beiträge ein.

Dass man in seinem Leben für Dinge bezahlt, von denen man nichts hat, ist nichts Neues. Fans von Schalke 04 etwa bezahlen seit einem halben Jahrhundert Mitgliedsbeiträge, ohne eine Deutsche Meisterschaft zu erleben. Dass Menschen jedoch für etwas bezahlen, das sie gar nicht tun wollen, das ist neu. Mit Martin Walsers Ausspruch freilich hat das wenig zu tun. Schon eher mit dem Satz des Autors Wladimir Kaminer, der in seinem Buch "Karaoke" schreibt: "Egal, was du verkaufst, es zählt nur der Profit."

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