Abwechslung auf dem Teller bringt die wechselnde regionale und saisonale Auswahl. Die Nachhaltig genießen-Autoren empfehlen zudem, die Verwendung von Fertigprodukten zu reduzieren, da ihre Verarbeitung und aufwendige Verpackung hohe Mengen an Energie und Wasser verbrauchen. Überhaupt sei "ohne Bio alles nichts", findet Koerber. So enthält das Buch eine Erklärung zu den verschiedenen Bio-Logos und die Empfehlung, sich von Bauern sogenannte "Bio-Kisten" im Internet zu bestellen und direkt nach Hause liefern zu lassen. Doch Küchenchef Hohler weiß in Bezug auf die Forderung nach Regionalität um eine Kontroverse: Äpfel aus Argentinien zu importieren, sei häufig energiesparender als sie hier in Deutschland über Monate hinweg zu lagern.
Produkte aus Fairem Handel sind meist Ladenhüter
Dem Fairen Handel widmet Nachhaltig genießen ein eigenes Kapitel: Nicht nur um die Unterstützung der heimischen Bauern geht es dem Autorenteam, sondern auch um Hilfe für demokratische Bauern-Genossenschaften in Entwicklungsländern, die das Mehreinkommen für soziale Projekte, Fortbildungen, Gesundheitsvorsorge und Infrastruktur nutzen könnten. Darüber hinaus stärke der Faire Handel das Selbstbewusstsein der Produzenten und schließe ausbeuterische Formen der Kinderarbeit aus. Doch im Ladenregal würden Produkte aus Fairem Handel aufgrund des Preises meist liegen bleiben - "Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit" sollen dies ändern.
Weil aber niemand gerne den moralischen Zeigefinger auf sich gerichtet spürt und keiner diese Konzepte umsetzen würde, "wenn es nicht schmeckt", wollten Karl von Koerber und Küchenchef Hubert Hohler mit ihrem Buch eine "Brücke bauen zwischen den hohen Ansprüchen der Nachhaltigkeit und dem Genuss": Mit Rezepten für vergessene Gemüsesorten wie Chinakohl, rote Beete und Chicorée etwa, die laut des im Buch abgedruckten Saisonkalenders bei geringer Klimabelastung ganzjährig zur Verfügung stehen. Mit Tipps wie: "Öl ist das Parfüm des Essens" - deshalb sollte es erst zum Schluss beigefügt werden. Gemüse könne bei niedriger Temperatur auch im eigenen Saft anbraten. Oder auch: "Das genialste Süßungsmittel ist die frische Frucht", weshalb einem Quark lieber pürierte Birnen als Zucker beigemischt werden sollten.
Den oftmals exotisch klingenden, aber mit einfachen Zutaten zubereiteten Rezepten ("Linsenkroketten") merkt man zweierlei an: Die große Liebe zum Essen und die enorme Achtung vor seiner Herkunft - etwas, das der deutschen Gesellschaft irgendwann verloren gegangen zu sein scheint: Nur 14 Prozent ihres Einkommens geben die Deutschen im Durchschnitt für Nahrung aus, ein Viertel der Lebensmittel landet wieder auf dem Müll - weil das Mindesthaltbarkeitsdatum einen Tag zurück liegt oder weil die Banane braune Flecken hat.
Essen ist unser Schicksal
"Essen ist schicksalhaft", schreibt Karl-Ludwig Schweisfurth im Vorwort zu Nachhaltig genießen - der 81-jährige Unternehmer und frühere Besitzer des Fleischvertriebs Herta ist Gründer der Hermannsdorfer Landwerkstätten, die als Vorreiter auf dem Gebiet der ökologischen Lebensmittelerzeugung gelten. "Wir sind mit der intensiven Tierhaltung und automatisierten Verarbeitung von Tieren vom rechten Weg abgekommen", betont Schweisfurth. "Die Tiere der Reichen fressen das Brot der Armen", heißt es in seinem Vorwort weiter, und: "Gemeinsam mit den Tieren fressen wir die Erde kahl."
Seine Worte ändern nicht das Schicksal des somalischen Kindes mit dem Wasserbauch, dessen Bild am U-Bahn-Aufgang hängt. Wahrscheinlich ändern sie nicht mal den nächsten Gang zum Supermarkt und den Griff zur Napoli-Tütensoße. Doch Karl von Koerber ist überzeugt, dass sich etwas verbessern kann, "Schritt für Schritt". Denn unser Schicksal, schreibt Schweisfurth, "muss nicht unabwendbar sein."