Medizin und Wahnsinn, Folge 110:Ein schlechtes Vorbild

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Die wissenschaftliche Gerüchteküche brodelt: Der Weihnachtsmann tauge nicht mehr als Idol - er lebe zu ungesund.

Werner Bartens

Weihnachten ist das Fest des Ehestreits und der Familienzerrung. Menschen, die sich das ganze Jahr über brav und indolent aus dem Weg gegangen sind, teilen sich an Heiligabend ff. schonungslos und ohne Fluchtweg mit, warum sie einander noch nie ausstehen konnten. Es wird viel zu viel gegessen und gesessen.

Was auch immer der Weihnachtsmann dem Kleinen erzählt - sein Ruf ist angeschlagen. (Foto: Foto: AP)

Wer depressiv ist oder dazu neigt, für den ist Weihnachten ein einziger Risikofaktor. Die Fußgängerzonen sind leer, die Frauenhäuser und Ambulanzen voll. Das Innenohr wird mit Blockflöten und Blechblasinstrumenten traktiert, manche Menschen atmen schadstoffhaltige Dämpfe von Weihrauch, Myrrhe und den verkokelten Bastelarbeiten der Kinder ein. Gesund ist das alles nicht.

Ein bulliger Weihnachtsmann ist kein Rollenmodell

Als Ikone der Festtage hat der laute, bullige Weihnachtsmann das dezent-devote Christkind in den letzten Jahren immer mehr verdrängt. Dabei taugt er überhaupt nicht als Rollenmodell für gesundheitsbewusstes Verhalten, beklagt Nathan Grills von der Monash University im australischen Melbourne. Der Mann muss es wissen, er ist schließlich Vorsorgemediziner von Beruf.

Grills ist besonders besorgt über das schlechte Vorbild, das der im Angloamerikanischen als Santa Claus bezeichnete Weihnachtsmann für die Kinder abgibt. Der ältere Herr ist immerhin stark adipös, bringt aber viele Geschenke und zeigt sich ungemein freundlich. Auf Kinder muss es so wirken, als ob Übergewicht mit einem Body-Mass-Index jenseits der 35 joviales Verhalten begünstigt und Fettsucht belohnt wird. Statt sich Kissen vor und Kekse in den Bauch zu stopfen, sollten die üblen Weihnachtsmann-Imitatoren ihre Körper schlank und in Form halten.

Mit Pfeife und Zigarre

Geradezu unverantwortlich ist das Sucht- und Konsumverhalten des Weihnachtsmannes. In der Werbung darf er zwar nicht mehr rauchen, doch auf etlichen Weihnachtskarten ist er noch mit Pfeife oder Zigarre zu sehen. Einem 14-Jährigen, der beim heimlichen Rauchen erwischt wird, ist argumentativ schlecht beizukommen, wenn er vorbringt, dass der Weihnachtsmann schließlich auch rauche und schon mindestens 99 sei, ohne Zeichen von Lungenkrebs oder auch nur zarteste Symptome einer obstruktiven Atemwegserkrankung aufzuweisen.

Als Karikatur aller Präventionsbemühungen muss der sitzende Lebensstil des Weihnachtsmannes aufgefasst werden, der sich im Schlitten von Haus zu Haus ziehen lässt, anstatt zu gehen. Gut, er hat viel zu tun. Aber Zeitersparnis bringt ihm das kaum. Die Postboten, die nicht mehr das Fahrrad benutzen, sondern Moped oder Auto, sind nicht schneller, sondern nur dicker und umweltschädlicher als ihre Kollegen.

Alkohol am Steuer

In manchen Regionen der Welt ist es üblich, dem Weihnachtsmann ein Glas Branntwein hinzustellen. Trunkenheit am Steuer, beziehungsweise an den Zügeln ist keineswegs ein harmloses Delikt, auch wenn man anführen kann, dass die Rentiere den Weihnachtsmann womöglich auch ohne dessen Steuerkünste sicher ans Ziel bringen werden. Wie viele Geschwindigkeitsübertretungen dem Alkohol geschuldet sind, kann man nur ahnen. Der Weihnachtsmann muss immerhin ein paar Millionen Häusern seinen Besuch abstatten, da ist die Promillegrenze schnell überschritten.

Mitreisendes oder rastendes Geflügel auf dem Schlitten könnte zudem zur weiteren Verbreitung der Vogelgrippe beitragen. Das enthemmte Knuddeln des Weihnachtsmannes ist daher ein unkalkulierbarer Risikofaktor für Infektionskrankheiten aller Art.

Hier sind besonders die Infektiöse Mononukleose (engl.: "Kissing disease"), aber auch die Schweine- und Rentiergrippe zu nennen. Spontane Zärtlichkeitsbekundungen gegenüber dem Weihnachtsmann haben aus Präventionsgründen zu unterbleiben. Er sollte schnell vom Schlitten steigen und statt Plätzchen besser die Karotten und Selleriestangen seiner Rentiere essen.

© SZ vom 24.12.2009/dog - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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