Medizin und Wahnsinn (116):Der Söder-Effekt

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Der bayerische Gesundheitsminister wünscht sich eine Geld-zurück-Garantie für Pillen und Pasten, die nicht wirken. Das kann aber nicht funktionieren.

Werner Bartens

Man kann Markus Söder als das Placebo unter den Politikern bezeichnen. Nichts drin, kann aber erstaunliche Wirkungen auslösen. Das ist anerkennend gemeint, denn einen solchen Wirkungsgrad erreichen nicht viele Menschen. Gerade deshalb ist es befremdlich, was der bayerische Universalgelehrte und CSU-Politiker Markus Söder diese Woche auf dem von Markus Söder persönlich ausgerufenen "1. Bayerischen Pharmagipfel" gefordert hat: Patienten sollten nur für die Medikamente bezahlen, die auch wirken, so Söders Vorschlag.

Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder bei der Schweinegrippe-Impfung. (Foto: Foto: dpa)

Spüren die Patienten hingegen nichts, sollen sie die Kosten wieder erstattet bekommen. Klingt prima, so eine Geld-zurück-Garantie für Pillen, Pasten und kalte Umschläge.

Dabei sollte Herr Söder doch am besten wissen, dass auch in der Medizin gilt, was er in der politischen Klasse idealtypisch vormacht: Es kommt auf die Verpackung an. Wenn ein Patient glaubt, dass ihm die Tablette hilft, werden seine Beschwerden gelindert, auch wenn es sich bei dem vermeintlichen Wirkstoff nur um Milchzucker handelt. Wer hingegen davon überzeugt ist, dass die Medikamente ihn vergiften und mehr schaden als nutzen, dem helfen selbst eine Chemotherapie und andere starke Arzneimittel nicht, wieder gesund zu werden.

Eine Wirkung zu verstärken oder abzubremsen funktioniert mit Placebo wie mit richtigen Arzneimitteln. Bedeutungserteilung sagen psychosomatisch orientierte Ärzte dazu. Nach einem Kater beweisen Tausende Menschen täglich, wie das geht: Sie schlucken eine Kopfschmerztablette, fühlen sich sogleich bedeutend besser und spüren, wie das elende Schädelbrummen nachlässt, obwohl pharmakologisch kein Wirkstoff ihre Rezeptoren erreicht und die Schmerzkaskade unterbrochen haben kann.

Es gibt allerdings auch den umgekehrten Fall, den wiederum Markus Söder im Herbst exemplarisch vorführte: Er ließ sich gegen die Schweinegrippe impfen und verkündete hinterher frohgemut: Ich spüre nichts. Lassen wir mal beiseite, was Herr Söder sonst so spürt, bleibt nur eine Interpretation übrig: Wenn man nicht damit rechnet, dass Medikamente oder Impfstoffe wirken, spürt man auch nichts.

Becherweise Zuckerkügelchen

Herrn Söders Rolle während der Impfkampagne gegen die Schweinegrippe rückt dieser Befund in ein noch schlechteres Licht. Vielleicht ist auch Herrn Söders Stoffwechsel anders und er ist ein ungewöhnlich schlechter Metabolisierer. Oder er bräuchte schleunigst ein Intensivseminar in Bedeutungserteilung.

Mehreren hundert Homöopathie-Gegnern könnte ein solches Seminar auch nicht schaden. Sie haben in England, Kanada und den USA diese Woche protestiert. Um ihre Skepsis gegenüber der Lieblingsmethode der Liegeradfahrer und Strahlenabschirmer zu zeigen, schluckten sie auf zentralen Plätzen becherweise Globuli, wie Zuckerkügelchen auf Homöopathisch heißen.

Darunter waren auch dutzendfach Arsenpräparate in homöopathischer Verdünnung, die aber erwartungsgemäß keinen Schaden anrichteten. Für die Homöopathie-Gegner war damit der klare Beweis erbracht, wie sinnlos die von immer mehr Kassen erstattete Methode ist.

Diese Narren! Natürlich wirkt die Homöopathie nicht deshalb, weil für die Zubereitung das Nichts verdünnt, geschüttelt und gerührt wird. Derart magische Rituale sind eine wichtige, aber eben nur eine Seite des Söder-Effekts.

Man muss nur fest genug daran glauben und von der Wirkung überzeugt sein, dann wirkt Homöopathie und dann wirkt bei manchen Patientengruppen sogar Markus Söder. Weil die Wirkung individuell so unterschiedlich ist, kann das mit der Geld-zurück-Garantie nie klappen. Dieser Ansatz würde zudem die Skeptiker diskriminieren. Von manchen Medikamenten wie von manchen Politikern versprechen sich schließlich nur die Leichtgläubigen eine Wirkung.

© SZ vom 06.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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