Luft und Liebe:Die Geliebte - Biest oder Opfer?

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Ein gebundener Mann hat Vorteile. Er stellt keine Ansprüche, die Beziehung bleibt spannend, die Opferrolle ist garantiert! Wenn es nur so einfach wäre ...

Violetta Simon

So gesehen hatte sie keine Chance. Der Typ war toll - eloquent, witzig, gut aussehend. Also folgte sie ihrem Gefühl. Und entsprach damit exakt dem weiblichen Verhalten, das ein Psychologe in Bristol kürzlich durch eine Studie belegte: Frauen fliegen auf den Mann, der sie am besten davon überzeugen kann, ein guter Liebhaber zu sein. Und das hatte er. Theoretisch und praktisch.

Dass er verheiratet ist, konnte ja niemand ahnen. Jetzt hat sie den Salat. (Foto: Foto: iStockphoto)

Dass er verheiratet ist, konnte ja niemand ahnen. Jetzt hat sie den Salat.

Eben noch auf Augenhöhe, avancierte sie zu einem Anhängsel, einer Schatten-Existenz. Von der Ver- zur Geliebten.

Keine Entwicklung, auf die man stolz sein durfte - nicht erst seit Camilla Parker Bowles ist bekannt: Die Geliebte hat ein Imageproblem - sie ist illegal, sie ist ein Sexobjekt und darüber hinaus eine Bedrohung für die Familie. Die Geliebte steht irgendwie immer auf der falschen Seite.

Wo sitzt der Riegel beim Menschen?

Selbst schuld, werden nun einige sagen. Wer wäre so dreist, bei einer besetzten Toilette an die verschlossene Tür zu trommeln? In der U-Bahn quetscht man sich auch nicht einfach auf einen Sitz dazu oder gar auf den Schoß eines Fahrgastes. Und wenn der Besetztton im Telefon ertönt, legen wir auf und versuchen es, wenn die Leitung wieder frei ist.

Klingt schön einfach. Doch wie ist es in der Liebe? Wie erkennt man, ob ein Mann besetzt ist? Seine Frau kann schlecht einen roten Riegel vorschieben oder einen Piepton erklingen lassen, wenn man ihrem Gatten zu nahe kommt. Also ist man auf andere Hinweise angewiesen: Eheringe zum Beispiel. Doch die kann man in die Hosentasche stecken. Oder ignorieren.

Meist ist es eine Mischung aus beidem: Er sagt nichts, sie fragt nicht. Ist ja nichts Ernstes. Ernst wird es erst, wenn zu all den Hormonen auch noch Gefühle hinzukommen. Dann heißt es Farbe bekennen.

Eigentlich müsste sie jetzt so etwas sagen wie: "Komm wieder, wenn du frei bist!". Kann sie aber nicht. Und will es auch nicht. Denn längst bilden ihre Östrogene und seine Testosterone einen geradezu karmischen Cocktail.

Ein Höhepunkt jagt den nächsten

Ihre Freundin, die inzwischen mehr darüber weiß, als ihr lieb ist, hört immer wieder von ihr: "Der Sex ist überirdisch! Unsere Gespräche übersinnlich! Jede Begegnung unvergleichlich!"

Nun ja. Jede Affäre nährt sich von Höhepunkten - mehr hat in der Eile ohnehin keinen Platz.

Tatsache ist aber auch: Eine Affäre lässt den Schmetterlingen im Bauch keine Zeit sich zu setzen. Sie flattern so lange, bis sie sich anfühlen wie Grönemeyers Flugzeuge. Wehe, wenn sie landen.

Und irgendwann beginnt sich das teuflische Rad zu drehen:

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Und irgendwann beginnt sich das teuflische Rad zu drehen:

Viel zu langes Warten auf viel zu kurze Begegnungen. Keine gemeinsamen Wochenenden, Urlaube oder Festtage. Und immer die goldene Regel vor Augen: Keine Anrufe, keine Briefe, keine Fotos. Keine gemeinsamen Freunde, kein Händchenhalten und Küssen in der Öffentlichkeit. Die Frage: Was fangen wir an mit diesen wenigen Stunden? findet ihre Antwort meist im Bett.

Am Anfang akzeptiert sie das, denn: Er schwört, dass er sich bald trennt. Seine Ehe nurmehr auf dem Papier besteht. Sie die Einzige ist. Und sie übt sich in Geduld. Weil seine Kinder noch klein sind. Er gerade das Haus abbezahlen muss. Eine Scheidung ihn in den Ruin treiben würde.

"Du bist die Einzige, die mich versteht!" sagt er dann in ihr gequältes Lächeln hinein und macht es sich bequem in der Dreierkonstellation aus Sicherheit, Spaß, Selbstbestätigung. Geschenkt, denkt sie, was hab ich davon? Und plötzlich fühlt sich das Wort "Geliebte" nicht mehr so glamourös an.

Wird die Geliebte geliebt?

Wer wirklich geliebt wird, bekommt vermutlich nicht nur einmal die Woche von jemandem Besuch, der erst das Bett und dann die Dusche frequentiert. Und gerade, wenn man erkennt, dass der Moment, den man die ganze Woche herbeigesehnt hat, schon wieder vorbei ist, er den Motor anlässt, um zu seiner Familie ins Wochenende zu brausen.

Wie gut, wenn man eine Freundin hat, der man sein Herz ausschütten kann. Dumm nur, wenn die einen mit klugen Ratschlägen quält, statt grenzenloses Verständnis zu zeigen. "Spar dir deine schlauen Sprüche, was ich von dir möchte, ist Trost!" hatte sie gesagt. Und ihre Freundin hatte geantwortet: "Wie bitte soll man jemanden trösten, der unbedingt einen verlogenen Miesling ganz für sich allein haben möchte?"

Sicher war sie nur sauer, weil sie damals eine Stunde vor dem Konzert abgesagt hatte, nachdem er spontan vorbeikommen wollte. Die Freundin war beleidigt, ihre Karte verfiel. Leider konnte er sich dann doch nicht freimachen.

Einmal hatte ihre Freundin gesagt: "Ich glaube, du willst in Wirklichkeit gar nicht, dass er seine Frau verlässt."

Da fragte sie sich zum ersten Mal selbst: Will ich wirklich einen Mann, der nicht treu ist? Der seine Ehe verleugnet? Will ich an die Stelle dieser Frau rücken, und wird er dann bald über uns sagen, die Ehe bestünde nur auf dem Papier?

Ach was, beruhigte sie sich. Zu einer schlechten Beziehung gehören immer zwei. Außerdem: Ein gebundener Mann hat auch seine Vorteile. Er stellt keine Ansprüche, die Beziehung bleibt spannend, und das Wichtigste: Die Opferrolle ist garantiert!

Übrigens: Zum Betrug gehören auch immer zwei. Nur zum Selbstbetrug, da genügt einer.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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