Lindgrens Erbe:Pippi Geldstrumpf

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Streit ums Geld: Einer der Gründer des Lindgren-Themenparks in Vimmerby würde die Erben Lindgrens am liebsten zu Michel in den Holzschuppen sperren.

Gunnar Herrmann

Pippi Langstrumpf hat es leicht. Bei ihr fragt nie jemand nach, wo die vielen Goldstücke eigentlich genau herstammen, die sie vom Vater säckeweise bekommt. Was angesichts des eher zweifelhaften Berufs von Papa Efraim (er ist "Negerkönig" im Taka-Tuka-Land) wohl besser ist. Im wirklichen Schweden geht es korrekter zu.

Pippi besuchen: Das wollen jährlich ziemlich viele Menschen, die viel Geld in Vimmerby lassen. (Foto: Foto: dpa)

Wer Geld hat, muss dort stets mit bohrenden Fragen rechnen. Diese Erfahrung machen derzeit Astrid Lindgrens Erben, die einen Vergnügungspark in Vimmerby kaufen wollen, der Heimatstadt der berühmten Autorin. Das Ansinnen hat einen hässlichen Streit ausgelöst und die Nachkommen sehen sich Vorwürfen ausgesetzt, sie wollten mit Pippi, Karlsson und Ronja einen Reibach machen.

Mütze und Büchse

Was hätte Astrid wohl dazu gesagt? Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Einerseits machte die 2002 verstorbene Autorin nie einen Hehl daraus, dass ihr Geld unwichtig ist und sie übertriebene Kommerzialisierung verabscheut. Andererseits hat sie selbst manchmal die Vermarktung ihrer Figuren abgesegnet. So war das auch bei dem Vergnügungspark "Astrid Lindgrens Welt", der 1981 in Vimmerby eröffnete.

Drei Familien aus dem Ort gründeten den Rummel mit ausdrücklicher Genehmigung. Lindgren versicherte damals in einem Brief, kein finanzielles Interesse an dem Ganzen zu haben und gestattete dem Park, die Romanfiguren und ihren Namen ohne Lizenzabgaben zu benutzen.

Das war so, als hätte Lindgren vor die Tore ihrer Heimatstadt einen Goldkoffer gestellt, der sich jeden Sommer wieder füllt. Denn im Sommer strömen die Touristen in "Astrid Lindgrens Welt". Die Schauplätze aus den Büchern sind dort nachgebaut, Schauspielern mimen die Romanhelden. Nicht nur Schweden, auch Deutsche, Engländer, Holländer, Russen kommen, um Pippi in der Villa Kunterbunt zu besuchen oder ein paar Worte mit Michel im Holzschuppen auf dem Katthulthof zu wechseln.

Und um in den Holzhäusern des Parks Souvenirs zu kaufen - von Michels Mütze und Büchse über Bücher und DVDs bis hin zu Pippi-Perücken. Eine Tageskarte kostet in der Hauptsaison für Kinder knapp 18, für Erwachsene etwa 30 Euro. 450.000 Besucher zählt man pro Jahr. 2008 machte der Park 116 Millionen Schwedische Kronen Umsatz (knapp 12 Millionen Euro).

Seit etwa 20Jahren gehört die Goldgrube der Stadt, die den Park nach einem Konkurs übernommen hatte. Die drei Gründerfamilien hielten bis vor kurzem noch einige wenige Prozent. Nun aber wollen Lindgrens Erben die Anlage komplett übernehmen. Für den - auf den ersten Blick sehr niedrigen - Preis von umgerechnet 2,4 Millionen Euro sollen sie 70 Prozent der Anteile erhalten. Das Geschäft ist heftig umstritten.

Einer der verbissensten Verkaufs-Gegner ist Rein Soowik, einer der drei Gründer des Parks. "Wir ärgern uns über die Art und Weise, wie die das durchgezogen haben", schimpft er. "Uns Gründerfamilien hat man dabei gar nicht gefragt." Die Gemeinde hat ihn mittlerweile auch zum Verkauf seiner Anteile gezwungen. 2000 Unterschriften hat Soowik in Vimmerby gesammelt, um eine Volksabstimmung über den Verkauf zu erzwingen.

Aber der Stadtrat lehnte ab. "Die haben Angst vor dem Willen des Volkes", schimpft Soowik. Der Mann betreibt ein Hotel und ist darum - wie viele Vimmerbyer - vom Vergnügungspark abhängig. "Wenn die dort ein neues Hotel bauen, dann würde das uns anderen Hoteliers das Geschäft verderben", erläutert er. Darum müsse die Kontrolle über "Astrid Lindgrens Welt" unbedingt in Vimmerby bleiben.

Im Rathaus sieht man das anders. Carl-Axel Centerstig, Sprecher des Stadtrats, meint: "Der Vergnügungspark ist reines Geschäft. So etwas zählt nicht zu den Aufgaben einer Kommune." Der Betrieb sei immer mehr gewachsen. "Irgendwo müssen wir einen Schlussstrich ziehen."

Bei der Frage nach dem niedrigen Verkaufspreis verweist Centerstig auf eine Studie der Unternehmensberatung Ernst&Young. Die hat den Park im Auftrag der Stadt geschätzt. Ergebnis: Am wertvollsten sind die Lizenzrechte. "Und dafür können wir von den Lindgren-Erben schlecht Geld verlangen", meint Centerstig. "Dann würden wir ihnen etwas verkaufen, was ihnen schon gehört." Also wurde nur ein Preis für die Gebäude vereinbart - und Immobilien sind günstig in der schwedischen Provinz.

Zudem geht es aber auch darum, wer Astrids Erbe am besten wahren kann. Die Kinder und Enkel der Autorin haben da Übung, denn ihnen fielen nach Lindgrens Tod alle Marken- und Urheberrechte zu.

Diese verwalten sie in der Aktiengesellschaft Saltkråkan und immer wieder ziehen sie vor Gericht, um Leuten das Handwerk zu legen, die mit dem Namen "Langstrumpf" Waschmittel verkaufen wollen oder ihr Spielzeuggeschäft "Villa Kunterbunt" nennen. Vor allem in Deutschland sind Plagiate häufig.

Der Stadtrat entscheidet

Die Autorin selbst hatte es mit dem Papierkram nie so genau genommen. Manchmal gab es nur vage Vereinbarungen, die die Nachkommen dann "im Sinne Astrids" ändern mussten. So sei es auch mit dem Vergnügungspark, erläutert Lindgren-Enkelin Malin Billing. Der sei inzwischen "so groß und wichtig, dass es nur natürlich ist, dass wir dort eine größere Verantwortung übernehmen".

Kommerz soll sich auch bei einer Weiterentwicklung in Grenzen halten. Alle Einnahmen sollen wieder investiert werden. Soowik glaubt das nicht: "Astrid hätte das nie gut geheißen", meint er.

Vergangenen Freitag haben einige lokale Geschäftsleute ein eigenes Gebot für den Park abgegeben. Es ist fast doppelt so hoch wie das der Erben. Am heutigen Montag will der Stadtrat entscheiden, wem Astrid Lindgrens Welt künftig gehören soll.

© SZ vom 25.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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