Lieblingsmöbel:Willkommen zuhause!

Überseetruhe, Sofa, Fußbank-Dackel: Die SZ hat bei ihren Mitarbeitern nachgeforscht, an welchen Möbelstücken sie besonders hängen.

Lieblingsmöbel

Der Hocker

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(Foto: N/A)

Er stand neben der alten Wanne mit den Tatzen, die mir immer Unbehagen bereiteten, wenn ich als Kind allein im Bad meiner Großeltern war. Er war das schmuckloseste Möbel in dieser dunklen Wohnung, in der man jederzeit Gefahr lief, von Suse, der debilen Rauhaardackel-Dame, angefallen zu werden. Damals war der Hocker allerdings kein Hocker, sondern eine Zeitmaschine. Auf ihm konnte man am Waschtisch hochklettern: zum flauschigen Rasierpinsel (verboten) und dem Rasiermesser (total verboten), oder hoch zum Schrank, in dem der staubige Zylinder und die Violine meines Großvaters lagen. Oder auf den Esszimmerschrank, zum Globus mit den Ländern, die es 1973 seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht mehr gab. Heute steht der Hocker wieder neben einer Badewanne. Er ist mit Abstand das schmuckloseste Möbel in unserer Wohnung, aber irgendwie das schönste. Christian Tönsmann

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Die Truhe

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(Foto: N/A)

Ein Kleiderladen in der Fraunhoferstraße machte zu. Lauter schniekes Schnuckelzeug, ich war schon wieder am Rausgehen, als mir diese Truhe ins Auge fiel, in der Krawatten und Einstecktücher ausgelegt waren. Vielleicht sollte ich sagen: obwohl darin Krawatten und Einstecktücher ausgelegt waren, ich besitze nämlich weder das eine noch das andere. Aber diese Truhe! Das glänzende Lackrot. Die kaputte Schließe. Die komischen Wesen darauf. Ich hockte mich hin und rätselte, ob die orangen Buckeltiere wohl mit den grünen verwandt sind. Da erzählte mir die Ladeninhaberin, sie habe die Truhe damals im Winter in Kapstadt gekauft, von einem südafrikanischen Seemann, der damit jahrelang auf hoher See unterwegs gewesen sei und seinen ganzen Hausrat verkaufte. Eigentlich sei sie unverkäuflich. Nun: Diese Geschichte ruht seither am Grunde der Truhe, tief unter den darin verstauten Yoga-Utensilien meiner Frau, diese Geschichte von einem Zufallsfund und von doppeltem Fernweh: Kapstadt im Winter und dann noch ein unbekannter Seemann, der Tabula rasa macht. Dein Lebensboot sei leicht! Alex Rühle

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Das Sofa

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(Foto: N/A)

Polierter Dielenboden, ein Habitat-Bett, Bücherstapel statt Regale: Interiorexperten würden meinen Wohnstil in die Schublade "gepflegter Minimalismus" stecken. Höchst unschmuddelig also, alles. Außer - meinem Sofa. Es ist alt, kaputt, krumm, und unter den Sitzpolstern liegt seit ein paar Jahren eine dicke Spanplatte, weil der Federkern auch nicht mehr der jüngste ist. Ich weiß es doch: Dieses Sofa ist nicht Vintage, es ist Wertstoffhof. Aber bei seinem Anblick reagiere ich wie ein konditioniertes Äffchen: Ich will sofort per Liane zu ihm rüberhangeln und mich draufhocken. Vielleicht ist es der urwaldgrüne Feincord-Bezug, bezeichnenderweise der gleiche Stoff, aus dem mein Lieblingsstofftier war: ein Frosch, so groß wie ein halbes Grundschulkind. Mein Sofa ist auch gewaltig, dreiteilig, 2,80 Meter lang und 1,40 Meter tief, ein Sofa-Dinosaurier aus einer Zeit, als die Farbe "Flaschengrün" hieß und die Menschheit noch in Partykellern lebte. Vermacht hat es mir meine ehemalige Mitbewohnerin, als sie 2004 nach Kalifornien zog. Da stand es also, im 14-qm-WG-Wohnzimmer in München. Bewohner und Gäste liebten es gleichermaßen, denn man konnte toll auf ihm abhängen, schlafen, fernsehen, dinieren (sogar zu zweit, sich gegenübersitzend) - eigentlich wohnten wir nicht in der Wohnung, sondern auf dem Sofa. Zweimal bin ich mit ihm umgezogen, seit Kurzem steht es in einem Acht-qm-Raum. Und egal, wie viele Wohnungen noch folgen: Das Sofa kommt mit. Es imitiert die Natur einfach zu perfekt: Es ist weich wie Moos, und der samtige Stoff lässt jeden Raum behaglich und warm wirken. Wenn man ganz, ganz leise ist, kann man hören, wie mein Sofa all diese beige-blassen, betonharten Designer-Sitzlandschaften verhöhnt: jetzt gerade wieder. Höhöhö. Verena Stehle

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Die Schirmlampe

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(Foto: N/A)

Manche Dinge überleben wie von Zauberhand. Im Keller der Eltern gab es einen Raum, der "die Bar" genannt wurde und in ziemlich beschwingten Vorzeiten auch als solche genutzt worden war. Aus Gründen, die niemand kennt, warf der Vater später nichts weg, was in der einstigen Bar stand; sonst war er ein Forträumer und Sperrmüllbestücker, der kostbare Güter wie die alte Elastolin-Ritterburg des groß gewordenen Sohns als Unrat entsorgte. In die Bar schleppte die Familie große Teile der 50er-Jahre-Einrichtung, die einst das Wohnzimmer geziert hatte, bevor schwere Ledergarnituren und dunkle Einbauschränke deren Platz einnahmen. Die Lampe mit dem roten und dem gelben Schirm macht ein geheimnisvoll-behagliches Licht. Der Verfasser hat sie in verschiedene Wohnsituationen mitgeschleppt, und er liebt sie noch wie am ersten Tag. Sie hat Flecken von dem Umzugstag, als sie in den Regen geriet, sie franst etwas aus, sie ist ein Staubfänger allererster Güte. Es gibt Menschen, die bei ihrem Anblick in erschrecktes Lachen ausbrechen. Und doch kann man ihresgleichen heute in Antiquitätenläden sehen oder zu Phantompreisen bei Ebay. Aber nicht diese, niemals. Joachim Käppner

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Die Antiquität

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Auf diesem Sofa sieht man aus wie Loriot. Es ist niedrig und unbequem - weshalb man immer so darauf sitzt, als müsste man die Aktentasche samt Brotzeitdose und Apfelschnitten auf den Knien balancieren. Und was wollen uns die Schnörkelei an der Lehne beziehungsweise die bauchig ausgestellten Beine sagen? Dass es sich um eine ausgesuchte Antiquität handelt? Ach Gott. Das Ding stammt direkt vom Sperrmüll sowie aus dem Nachkriegsbarock für ganz, ganz Arme. Gefunden in der Nähe vom Café Jasmin. Aber dann wurde es vom Polsterer (eine wunderbare Berufsbezeichnung, nicht wahr?) aufgepolstert und aufregend neu bis geschmacklos eingekleidet, für 500 Mark, dann wurde es auf dem Dach eines Fiat Panda nach Hause gebracht, fiel unterwegs auf die Straße, ein Auto musste bremsen (zu spät), ein zweites Auto dito (und dito zu spät) - woraufhin die Polizei . . . nun, am Ende saßen wildfremde Leute in Haidhausen mitten auf der Straße auf einem aufregend gestreiften, nachkriegsbarocken Schnörkelsofa und tauschten Versicherungsformulare, Polizeiprotokolle und Visitenkarten aus. Alle sahen aus wie Loriot. So muss ein Sofa sein. Alles andere sind Sitzmöbel. Gerhard Matzig

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Das Rattanbett

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(Foto: N/A)

Das Bett knarzt. Es befindet sich seit vielen Jahren im Zustand des latenten Zerfalls. Wenn es kritisch wird, muss man ein paar Mal fest dagegentreten, dann rasten die Holzdübel wieder ein. Die Rattanstäbchen splittern längst, erstaunlich, dass es noch nicht zu größeren Verletzungen kam, überhaupt ist das Bett erstaunlich schief geworden. Aber es hält. Ich bekam es mit vier Jahren, sprang wild darauf herum und schlief dann gemütlich wie in einem zu groß geratenen Hundebett. Später zog es mit nach London. Dort passte es gut hin, denn das Haus, überhaupt der gesamte Straßenzug knarzten mit ihm um die Wette. So sind die Häuser nun mal gebaut in England. Vielleicht stammte es ursprünglich auch von dort, herausbekommen habe ich das allerdings nie. Ein paar Jahre war ich ihm danach untreu, ungeliebt gammelte es im Haus meiner Eltern vor sich hin, ich schämte mich für das alte Ding. Jetzt springen eine Fünf- und eine Siebenjährige darauf herum, die Bettseiten wackeln dann gefährlich, der Rost ist extrem brüchig, irgendwann wird es einen schweren Unfall geben, und ich bin schuld. Vielleicht wird es eine von beiden später mal mitnehmen - wenn ich es je hergeben werde. Petra Steinberger

© SZ vom 19./20.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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