Laufcomputer:An der digitalen Leine

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Laufen, Rennschach mit und gegen den eigenen Körper, war einmal eine einsame Angelegenheit. Dann kamen die Sportuhren.

Bernd Graff

Drei gewellte Poffs. Das ist das Ausatmen. Das Einsaugen der Luft geschieht in einem Zug. So entsteht der Rhythmus. Denn es sind sechs Schritte, in denen diese Atmen-Schleife abläuft. Drei Poffs, ein Zug - und man ist sechs Schritte weiter.

Nur scheinbar allein: Laufcomputer ermöglichen Wettkämpfe unabhängig von Zeit und Raum. (Foto: Foto: Getty Images)

Der laufende Körper will jedoch immer mehr Zeit mit dem Luftholen verbringen. Lässt man das zu, dann ist der Rhythmus dahin. Dann gerät der Körper ins Trudeln, die Schultern drehen sich zu weit nach hinten. Man benötigt Kraft, sie wieder zurückzuholen. Dadurch werden die Schritte kürzer. Man trippelt, hechelt und atmet wild. Darum muss der Kopf die Kontrolle über einen Körper behalten, der leider zur Lufthol-Rebellion neigt. Der Kopf - ein Tanzlehrer des Laufens: Er kontrolliert, ob der Takt stimmt, er koordiniert die Bewegungs-Atmungs-Maschine. Wenn sie einmal eingestellt ist, kann man sehr weit laufen.

Laufen, ein Kopfsport, Rennschach mit und gegen den eigenen Körper, war einmal eine einsame Angelegenheit. Laufen war Zen, eher Meditation in Motion als Zieleinlaufssport. Und am Ende grübelte man, warum und wo man Zeit gewonnen oder verloren hatte.

Dann kam die Ironman, die Laufuhr von Timex. Gelangen die Einschätzung und das Einhalten der Geschwindigkeit bis dahin, weil die Läufer durch ihre inneren Monologe und ständigen Körperchecks wussten, was die Rückmeldungen für ihren Lauf bedeuteten, dann revolutionierte diese Uhr die Lauflandschaft.

1986 vorgestellt, wurde sie innerhalb eines Jahres zur meistverkauften Sportuhr in den USA. Denn die robust-hässliche Ironman brachte das Messen aus dem Körper heraus: Man musste nicht mehr in sich hineinhorchen, man konnte seinen Lauf nun auf einem Display ablesen. Neben der Zeitangabe hatte die Ironman eine Stoppuhr, einen rückwärts zählenden Chrono-Timer, Sekundenalarme und vor allem diverse Rundenmesser. Wer regelmäßig lief, sah sofort, wie er unterwegs war. Und an die Stelle der Selbstkalibrierung war die Exakt-Erfassung getreten. Das machte aus dem individuellen Lauf den objektiven Kampf mit der Zeit. Diese Externalisierung der Lauferfahrung kennzeichnet seitdem jede technische Innovation auf dem weiten Markt der Lauf-Ausrüstung.

Mittlerweile ist die bloße Zeit-Erfassungs-Prothese zum Kommunikationsgerät geworden: Läufer sind nun verdrahtet, verortet und erfasst. Der Lauf - ein Datenberg: Über Funk werden die Herzschläge an die Uhren gesendet, GPS sorgt für die exakte Ortung des Läufers. Dank der beständigen Ortung ist die Berechnung der Durchschnittsgeschwindigkeit zu jedem gegebenen Moment möglich, die Spitzenwerte, die Tiefstwerte, ja sogar Rennen gegen sich selber und seine früheren Läufe. Wer mag, kann sich auch auf dem letzten Kilometer von seinem persönlichen Adrenalin-Song antreiben lassen. Nach der anschließenden Übertragung all dieser Werte auf den Computer werden die Trainingseinheiten zu persönlichen Laufdossiers zusammengestellt - und wer diese Daten dann noch ins Internet überträgt, findet sogar Anschluss an Leistungsgleichgesinnte.

Laufteufelchen gegen Schweinehund

Nike und Apple etwa haben den iPod aufgerüstet. Ein Sensor im Schuh und ein Empfangsteil am Musikplayer sorgen dafür, dass der Lauf zum Wunschkonzert wird und - übrigens erstaunlich genau angesichts dieser Methode - die Angaben über Distanz und Dauer von einer Computerstimme dazugesäuselt werden.

Wer das Laufmusiksportgerät dann an den Computer anschließt, wird auf die Community-Seite Nikeplus gebracht, auf der man sein Laufprofil hinterlegen kann und auf andere Begeisterte trifft. Man schließt sich zu virtuellen Communitys zusammen, die rund um den Globus Laufmeilen sammeln. Die Kunstfigur namens Miles, ein Laufteufelchen, sorgt zudem dafür, dass der Läufer auch noch den inneren Schweinehund an den Rechner delegieren kann. Das bei Nikeplus spielerisch umgesetzte Konzept haben die Hersteller ausgereifterer Laufuhren übernommen.

Schließt man diese kleinen Hightech-Wunder fürs Handgelenk an den Computer an, werden die erlaufenen Geodaten auf Satelliten-Karten dargestellt. Ein animierter Positionszeiger rekapituliert den Lauf unter Einblendung der Geschwindigkeits- und Pulsdaten zu jedem gegebenen Zeitpunkt. Funktionieren diese Geräte so, wie sie sollen, dann bereichern sie den Läufer um Daten, die wichtig sind für den Aufbau von Trainingsplänen, etwa zur Vorbereitung auf Wettbewerbe. In Kombination mit den Daten der Herzschlagmessungen können so effizientere und nicht zuletzt auch gesündere Läufe gelingen.

Funktionieren die Geräte während des Laufs aber nicht, wird man auf der Strecke zum irritiert-verärgerten Tastendrücker - und das ist schlimmer, als aus dem Atem-Schritt-Rhythmus zu kommen. Insofern ist dem Motto von D.H. Lawrence immer noch Einiges abzugewinnen: "Sei ein gutes Tier und bleib deinen tierischen Instinkten treu!"

© SZ vom 05.10.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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