Kolumne "Luft und Liebe":"Fällt dir gar nichts an mir auf?"

Lesezeit: 4 min

Es gibt Fragen, auf die sollte ein Mann keine Antwort geben - zumindest nicht ohne Rechtsbeistand. Am besten, er stellt sich tot.

Violetta Simon

Das Leben könnte so schön sein. Es ist Samstag, die Sonne scheint, der Tag ist dein Freund. Der Biergarten wartet. Müsste nur noch die Liebste das Bad verlassen und es kann losgehen.

Keine Chance: Ein Mann erkennt Veränderungen nicht. Das hat nichts mit Ignoranz zu tun - es liegt an den Genen. (Foto: Foto: iStock-Photos)

Endlich - die Badezimmertür öffnet sich, und dann kommt's: "Fällt dir gar nichts an mir auf?"

Es gibt Momente im Beziehungsleben, die stellen die Partnerschaft auf eine unnötig harte Probe. Genügt es nicht, dass man dieselben Filme mag, sich nicht um die Handcreme streitet und abwechselnd den Müll rausbringt? Nein, sie will es ganz genau wissen.

Und dazu hat sie auch allen Grund. Schließlich hat sie sich nicht nur auf schmerzhafte Weise Beine, Achseln und Bikinizone epilliert, ohne dass er sich jemals gefragt hätte, warum Frauen an diesen Stellen statt Haaren rote Pusteln wachsen.

Auch der Friseurbesuch liegt bereits eine Woche zurück und blieb unkommentiert. Nur die neue Haarfarbe hat eine Reaktion bei ihm ausgelöst - oder zumindest die rötlichen Farbreste im Waschbecken, die ihn zu der Frage veranlassten: "Hast du hier ein Huhn ausgenommen?"

Da steht sie nun, die Hände in die Hüften gestemmt, Erwartung im Gesicht. In seinem Gesicht: Die totale Leere.

Doch seien wir ehrlich: Selbst wenn sie mit einer Darth-Vader-Maske auf dem Kopf und in Latex-Strumpfhosen einbeinig durch die Wohnung hüpfen würde, wäre seine Antwort dieselbe: "Nö, was denn?"

Ihr Blick immerhin spricht Bände - und diese Sprache versteht auch er: Falsche Antwort.

Hätte er eigentlich wissen müssen. Schon damals, als sie ihn gefragt hatte, was ihm zum Thema Familienplanung einfiele, war "Nö, was denn?" nicht wirklich gut bei ihr angekommen.

Was meint sie bloß?

Doch er gibt nicht auf. Panisch beginnt er, die Gestalt vor sich abzuscannen: Kopf, Bauch, Beine, Arme - alles noch da. Was zum Teufel meint sie bloß? Lieber Gott, schick mir ein Zeichen! Tut Gott aber nicht. Also fragt er sie: "Gibst du mir einen Tipp?"

Sie schnappt sich das nächste Buch und wirft es ihm an den Kopf.

Er versucht es nochmal, diesmal gründlicher: zwei Augen, eine Nase, ein Mund, zwei Ohren - es hat keinen Sinn, er kommt nicht drauf. Da knallt sie die Türe zu.

"Äh ... das mit dem Biergarten wird dann wohl nichts mehr?" ruft er fragend hinterher.

Als Antwort fliegt irgendwas gegen die Tür, das ein Fön sein könnte.

Das war's. Der Tag ist gelaufen.

Es ist ein Jammer. Auf diesem Planeten leben noch immer Männer, die glauben, eine vertrottelte Gegenfrage oder ein mitleidserregendes Schulterzucken sei eine echte Option zu einer vernünftigen Antwort.

Und so tappen sie weiter in die Kommunikationsfallen, die der Beziehungsalltag für sie bereithält. Gegen das Schlingen-Wirrwarr weiblicher Denkstrukturen allerdings sind die Fallen eines Grizzly-Jägers Mäusespielzeug.

In ihrer Verzweiflung lassen sich Männer manchmal die skurrilsten Taktiken einfallen. Neulich kam einer mit seiner Frau in eine Boutique - wo doch jeder weiß, dass der Kabinenbereich vermintes Gebiet ist.

Dialog im Kabinenbereich

Um eine Eskalation zu verhindern, wollte er ihr mit Logik beikommen - da kann er es ja gleich mit Humor versuchen!

Sie: "Und?" Er: "Das ziehst du doch sowieso nicht an."

Sie: "Du willst dich ja nur vor einer Aussage drücken." Er: "Aber nein, ich habe eine Aussage gemacht: So was ziehst du nicht an."

Sie: "Ich habe dich aber nicht gefragt, ob ich das anziehen werde, sondern wie es an mir aussieht." Er: "Stimmt nicht, du hast gesagt: 'Und?'"

Sie: "Na wenn schon, du weißt genau was ich damit sagen wollte." Er: "Ah ja?"

Sie : "Also, wie findest du es?" Er: "Ich sage dir ja, dass du so was nicht anziehst."

Sie: "Was soll das heißen? Natürlich ziehe ich es an. Wenn es gut an mir aussieht. So wie du das sagst, klingt es allerdings, als sei ich dafür zu alt." Er: "Aber nein, ich finde das keineswegs. Aber ich kenne dich, du ziehst so was nicht an."

Sie: "Ach, etwa weil ICH finde, ich sei dafür zu alt?" Er: "So in etwa."

Sie: "Dann bin also ich das Problem?" Er: "Immerhin ist es dein Kleid. Außerdem: Sind wir hier in einem Modegeschäft oder im Gerichtssaal?"

Sie: "Dich nehme ich nie wieder zum Shoppen mit!" Er: "Versprochen?"

Mit einem wütendem Ruck zieht sie den Vorhang ihrer Garderobe zu. Hätte man da was machen können? Nein.

Mit Diplomatie kommt man hier nicht weiter

Nur ein Narr denkt, er käme mit ein bisschen Diplomatie aus dieser Sache wieder raus. Eher bringt man die Hamas dazu, auf den Gazastreifen zu verzichten.

Manche Männer glauben, ihre Partnerin sei anders als die anderen: unkompliziert. Ein prima Kumpel. Souverän, wenn es um ihre Figur geht. Unbestechlich gegen oberflächliche Komplimente. Das ist Quatsch! Ebenso könnte man glauben, mit dem Weihnachtsmann oder dem Osterhasen verheiratet zu sein.

Egal, zu welcher Bemerkung ein Mann sich versteigt - mit jeder landet er in der Sackgasse.

Sagt er: "Du kannst so was tragen." Vermutet sie: "Du meinst, eigentlich wirkt es nuttig, aber zu mir passt es?"

Sagt er: "Macht eine gute Figur!" Keift sie: "Die ich nur in diesem Kleid habe, oder was?"

Sagt er: "Nimm es doch eine Nummer größer!" - kann er gleich einpacken

Es gibt ihn, den richtigen Satz

Liebe Männer, hier ein guter Rat: Fragen Sie nicht nach dem warum. Sie haben es mit einer Frau zu tun. Einem Wesen, das in einem Ding steckt, von dem sie sich wünscht, dass es an ihr so gut aussieht wie sie es sich in den Kopf gesetzt hat. Und dafür soll ER sorgen. Ein mieser Job. Dafür sollte man Bundesverdienstkreuze ausgeben oder mindestens einmal jährlich Kuren verschreiben.

Egal wie man es dreht und wendet, man kommt hier nicht weiter.

Was also tun? Tun Sie das richtige! Vermeiden Sie Situationen, in denen es zu unbequemen Fragen kommen könnte. Halten Sie Monologe übers Wetter, schieben Sie eine Erkältung vor. Notfalls stellen Sie sich tot.

Wenn das alles nichts hilft, kommt er zum Einsatz: Der ultimative Supersatz, den Frauen noch lieber hören als "Ich liebe dich". Dieser eine Satz wird Sie retten.

Er lautet: "Hast Du abgenommen?"

Er ist die allzeit richtige Antwort auf Fragen wie "Und?" oder "Fällt dir was an mir auf?" Selbst wenn Sie nicht die geringste Ahnung haben, was sie jetzt hören will - damit zaubern sie ein Lächeln auf ihr Gesicht, und alles ist gut.

Immerhin, eine Ausnahme gibt es. Fragt sie: "Wie findest du meinen Po?" hilft nur noch: rennen.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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