Klimawandel:Talfahrt

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Als der Skilift auf ihrem Hausberg schließt, retten zwei Brüder das Lifthäuschen. Über ein Baumhaus am Boden.

Von Georg Cadeggianini

Hat hier jemand ein Lifthäuschen bestellt? Über 40 Jahre lang thronte es im Skigebiet Forsteralm, am Schluss hat es der Kranlaster am Haken. (Foto: privat)

"Letzte Bergfahrt", steht auf dem gelben Schild, das im Lifthäuschenfenster lehnt - und dann in Schülerschwungschrift: "15:55 Uhr". Das hat Laurin, 12, mit Kreide dazu geschrieben. So wie es halt immer war. "Die letzte Bergfahrt war oft die wichtigste. Meistens haben wir gewartet, bis wir den Berg für uns allein hatten." Wir, das sind er und sein Bruder Janik, 10. Am liebsten fahren sie abseits der Piste, im Wald, Sprünge üben über Baumstümpfe.

Das letzte Mal, dass die beiden mit dem Dreier unterwegs waren, ist schon ein bisschen her: Der "Kesslerbodenlift", wie der Dreier offiziell heißt, ein Schlepplift, orangefarbene Anker, über 40 Jahre alt. "Richtig Abschied genommen haben wir nicht", sagt Laurin, "das war ja nicht klar, dass er ganz zumacht." Oft hatte er ohnehin nicht mehr offen, zu wenig Schnee.

Wochenlang haben die Brüder die Ankunft der Hütte vorbereitet. Hier graben sie Löcher für die Betonblöcke, auf denen das Häuschen heute steht. (Foto: privat)

Jetzt sind die Brüder die neuen Herren des Dreier-Lifthäuschens. Denn das steht jetzt bei ihnen im Garten. "Zur Erinnerung", sagt Janik. Innen hängt ein Foto, holzgerahmt, gleich rechts hinter der Tür, aus besseren Zeiten. Wie ein kleines Wimmelbild, halber Meter Neuschnee, bunte Skijacken in der Liftspur, Zuckergussschnee auf den Bäumen: Der Dreier in Aktion. Und ganz hinten im Bild das Lifthäuschen wie auf einem kleinen Thron.

Von dort oben am Ende des Dreiers, 1020 Meter hoch, hat man eine schöne Aussicht auf die Donau, Niederösterreich, bis zum Böhmerwald. Es ist die vielleicht schönste Aussicht hier im Familienskigebiet Forsteralm, dem Hausberg von Janik und Laurin. Sie wohnen nur ein paar Minuten entfernt, fahren hier Ski, seitdem sie laufen können, genauer, seit sie zwei Jahre alt sind. Schon ihre Mutter hat hier Skifahren gelernt. Damals, als es noch sehr viel mehr Schneetage gab im Winter - selbst ohne künstliche Beschneiung. Aber in der vergangenen Saison wurden fünf der acht Lifte im Skigebiet Forsteralm stillgelegt. Durch den Klimawandel ist es zu teuer, sie weiter laufen zu lassen. Ja, meint Laurin, jetzt im Sommer sei das schon schön dort am Berg. Wandern ohne Liftstützen, der Badeteich dort in der Nähe. "Aber meine Lieblingsjahreszeit ist nun mal der Winter. Ich mag halt Tiefschnee."

Die erste Nacht im Lifthäuschen, seitdem sind viele dazugekommen: Janik (links) und Laurin schlafen fast jedes Wochenende in „ihrer Hüttn“. (Foto: privat)

Eine Einweihungsfeier steht noch aus - "mit einem großen Grillfest". Sie wollen die ganze Familie einladen, auch die Großeltern, die Eltern, alle die mitgeholfen haben, dass sie jetzt da steht, wo sie steht, "unsere Hüttn". Monatelang haben Laurin und Janik dafür gearbeitet. Das hieß erst mal Geld verdienen: Im Spätsommer haben sie Rasen gemäht, das Heu an Familien mit Meerschweinchen verkauft, den Sack für fünf Euro. Im Winter waren sie auf ihren Gokarts in Gaflenz unterwegs, haben eine Schaufel vorne dran montiert, Schneeräumdienst für Nachbarn. Sie haben Löcher ausgehoben für die Betonblöcke, das Fundament für die Lifthütte. Das Dach ist neu abgedichtet, den Fußboden haben die beiden neu verlegt, zwei Betten reingebaut: "Zwei Meter lang. Da können wir groß werden." 1600 Euro hat alles zusammen gekostet, der Kranlaster allein 200 Euro.

Fast jedes Wochenende schlafen die beiden jetzt in ihrer Hütte. Auch, nein gerade, wenn es schneit. Janik hat zu Weihnachten ein Baustellenradio bekommen, "das ist alles so gemütlich." Ein richtiges Licht hätten sie gern noch drin, einen kleinen Schrank fürs Lego und ein Regal wollen sie noch bauen, für die Pokale von den Skirennen. Wenn sie dann ihr Bettzeug am Sonntag wieder ins Haus bringen, dann kommt immer auch ein bisschen Hüttenduft mit, meint ihr Papa, zumindest kurz.

Wenn es mal richtig schneit, sagt Laurin, würde er gern auf Skiern in die Schule. Noch bevor der Schneepflug kommt, erst bisschen schieben, dann Schuss bergab, zehn Kilometer. "Zurück bräuchten wir einen Lift", meint er. Letzte Bergfahrt halt, allerletzte. Ein Lifthäuschen immerhin hätten sie da schon. Es steht genau richtig.

Momentan ist die Hütte eingezuckert, selbst im Garten. Insgesamt gibt es im Skigebiet mittlerweile zu wenig Schnee. Fünf der acht Lifte wurden deshalb stillgelegt. (Foto: privat)
© SZ vom 11.02.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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