Katzen als Haustiere:Ignorante Samtpfoten

Lesezeit: 2 min

Die Katze spitzt zwar vielleicht die Ohren, wenn ihr Besitzer nach ihr ruft. Ob sie reagiert, ist aber ein anderes Thema (Foto: Imago Stock&People)

Argumentationshilfe für all diejenigen, die keine Katzen mögen: Japanische Forscher haben herausgefunden, dass die Tiere auf ihre Besitzer kaum positiver reagieren als auf fremde Stimmen. Wer böse ist, nennt das egoistisch. Andere behaupten, dass der moderne Mensch vom Sozialverhalten der Katzen sogar noch etwas lernen kann.

Von Oliver Klasen

Wenn es um die Liebe zu Tieren geht, dann gibt es zwei große Parteien in Deutschland, aber - anders als Union und SPD - würden sie nie, nie, niemals und unter gar keinen Umständen eine große Koalition eingehen. Sie stehen sich unversöhnlich gegenüber, ohne jede Chance auf Kompromiss. Es gibt Hundemenschen und Katzenmenschen. Punkt. Dazwischen ist: nichts. Man muss sich entscheiden, zu welcher Partei man gehören will, genauso wie es der für seine schlichten Wahrheiten bekannte US-Präsident und Anti-Terror-Krieger George W. Bush einmal formuliert hat: "Either you're with us, or you're with the enemy." Entweder, du bist auf unserer Seite, oder auf der Seite des Feindes.

In diesem erbitterten Kampf bekommen jetzt die Hundemenschen, die ohnehin hierzulande zahlenmäßig leicht im Vorteil sind, neue Munition: Japanische Forscher wollen herausgefunden haben, dass Katzen zwar in der Lage sind, die Stimme ihrer Besitzer zu erkennen und von anderen Menschen zu unterscheiden. Das bedeutet aber nicht, dass Katzen deshalb folgsamer sind, wenn ihr Besitzer spricht als wenn es ein Fremder tut.

Die Wissenschaftler, die ihre Studie im Magazin Animal Cognition veröffentlicht haben, ließen Testpersonen mehrmals nach einer Katze rufen. Zuerst riefen drei unbekannte Menschen, dann der Katzenbesitzer. Stets war die rufende Person für die Katze nur hör- und nicht sichtbar. Ergebnis: Die Reaktion auf den Besitzer war meist stärker, jedenfalls was Kopf-, Ohr- und Schwanzbewegungen angeht. Ein verstärktes Miauen oder gar eine höhere Tendenz, sich in Richtung der Stimme zu bewegen, wenn der Besitzer rief, gab es aber nicht.

Der Liebe unfähig und vom Egoismus zerfressen

Zehn Dinge über ...
:Katzen

Sind Katzen Links- oder Rechtshänder, wem gilt ihr klagendes Schreien und gegen wen können die Miezen allergisch sein? Zehn Fakten über die Vierbeiner.

Sebastian Herrmann

Die Reaktionen, so heißt es auf dem US-Blog "IO9", liefen - egal, wer der Rufer war - immer nach dem gleichen Schema ab: Für die Katzen ging es eher darum, ihrer Neugier nachzugehen ("Wo kommt die Stimme her?") als darum, aus der Stimme eine eventuelle Anweisung abzuleiten ("Ich sollte darauf antworten").

Seht her, mögen Hundemenschen jetzt sagen. Wir wussten es immer. Ihr seid euren Katzenviechern herzlich egal, denn die scheren sich einen Dreck um euch. Der Liebe völlig unfähig und vom Egoismus zerfressen, ignorieren sie euch sogar, wenn ihr nach ihnen ruft.

Ist der Kampf der Hunde- gegen die Katzenmenschen also entschieden? Irgendwie nicht. Denn das Dumme ist, dass es bei jeder Studie, egal wie fragwürdig sie vom wissenschaftlichen Gehalt her ist, eine andere Studie gibt, die genau das Gegenteil aussagt. In diesem Fall kommt sie vom "Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft". Dort hat der Wissenschaftler Jens Lönneker mit tiefenpsychologischen Methoden das Verhältnis zwischen Mensch und Katze analysiert. Sein Fazit: Katzen passen eigentlich besser in die heutige Zeit, weil sie dem Menschen zeigen, "wie wir Anforderungen des modernen Lebens meistern können".

Gerade weil die Katze so eigensinnig und manchmal unnahbar sei, könne sie bestes Anschauungsmaterial bieten, um Nähe und Distanz in menschlichen Beziehungen auszutesten. "Wie können Individualisten Bindungen zueinander herstellen und ein Zusammenleben organisieren? Wie sehr kann man eigenen Interessen folgen, wie sehr muss man Rücksicht nehmen?" Um solche hochwissenschaftlichen Fragen geht es.

Die eigene Katze als Psycho-Coach? Immerhin - es scheine so, als würde die Katze von Natur aus in Verhältnissen leben, die denen in modernen Gesellschaften sehr nahe kommen. "Katzen sind die lebendige Unberechenbarkeit. Als unberechenbar gelten heutzutage aber auch die eigenen Lebensverhältnisse", schreibt Lönneker. Patchwork-Familien, Vereinzelung, ungesicherte soziale Bindungen, das ewige Sich-nicht-festlegen-Wollen - mit all dem kommt die Katze wunderbar klar. Während Hunde treudoof auf Anweisungen ihres Frauchens oder Herrchens warten, agiert die Katze autonom und hoch flexibel. Sie ist also ein wunderbares Vorbild in Zeiten der Dauerkrise.

Doch, mal ehrlich, wer will schon von seinem Haustier andauernd an die böse, stets latent in der Krise befindliche Existenz erinnert werden?

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: