Hell's Kitchen (CIII):Jack

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(Foto: N/A)

Die Politik von Donald Trump hat auf das Privatleben unseres New Yorker Kolumnisten über all die Jahre nie großen Einfluss gehabt - bis er ganz zum Schluss einen alten Bekannten am Telefon hatte.

Von Christian Zaschke

Ganz am Ende seiner vier Jahre im Weißen Haus hat Donald Trump es doch noch geschafft, zumindest indirekt in mein Privatleben einzugreifen. Mein Berufsleben bestimmte er ohnehin, ich habe die meisten seiner Tweets gelesen, und obwohl ich immer und jedes Mal den Ton abstellen wollte, wenn ich seine Stimme im Radio oder im Fernsehen hörte, bin ich trotzdem stets drangeblieben, weil das Teil meines Jobs war. Mein Privatleben aber betraf das allenfalls am Rande.

Der Freundschaft zu Jack hatte Trump bis eben nichts anhaben können, obwohl Jack überzeugter Republikaner ist. Wir hatten uns vor einigen Jahren in einer Flughafenbar kennengelernt. Beide Flüge verspätet, natürlich, wir kamen ins Gespräch. Am Ende des Gesprächs sagte Jack, ich müsse unbedingt bald bei seiner Familie in Connecticut vorbeischauen, und wie viele Amerikaner, die so etwas sagen, meinte er es ernst.

Ich schaute also ein paar Wochen später in Connecticut vorbei, ich traf seine schwedische Frau und seine beiden superschlauen und übrigens politisch sehr linken Töchter, für die ich Blumen mitgebracht hatte - drei große Sträuße, an der Grand Central Station zum Preis eines Einfamilienhauses erworben. Es gab Roastbeef, und Jack holte einen Rotwein aus dem Keller, der bis heute der beste ist, den ich jemals trank.

Wir blieben in Kontakt, mindestens einmal im Monat telefonierten wir. Wenn Jack mit der Familie in New York war, trafen wir uns. Ich suchte das Lokal aus und zahlte das Essen, Jack zahlte den Wein, da ist er eigen. Meistens sprachen wir nicht über Politik, aber wenn wir es taten, dann immer mit Gewinn.

Jack hat Trump 2016 gewählt, und er hat auch 2020 für ihn gestimmt. Nun log Trump nach den Wahlen im November beständig über deren Ausgang. Wenn ich Jack fragte, was er davon halte, wich er aus. Nur so viel, sagte er: Der Betrug sei offensichtlich. Mir wurde mulmig. Trumps Anhänger stürmten das Kapitol. Ich rief Jack an. Er erklärte, dass das nicht Trumps Schuld sei. Außerdem hätten die Leute recht. Sie seien bestohlen worden.

Ich versuchte dennoch, mit ihm im Gespräch zu bleiben. Auf unsere Telefonate bereitete ich mich nun vor, um den Verschwörungstheorien entgegenzuwirken. Wir sprachen und sprachen, aber ich erreichte ihn nicht mehr. Jack sagte, ich sei Teil des tiefen Staates geworden, der Trump um jeden Preis loswerden wolle.

"Jack", sagte ich, "du weißt, dass das Blödsinn ist."

"Christian", sagte er, "du wirst gesteuert. Du leugnest die Wahrheit. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben."

Ich dankte ihm für seine Freundschaft. Er dankte mir für meine Freundschaft. Dann legten wir auf, im Wissen, dass wir vermutlich nie wieder miteinander sprechen werden.

© SZ vom 23.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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