Gute Sitten in Frankreich:"Miss France ist nicht Miss Trash"

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Frankreichs Miss-Wettbewerb ist ein nationales Ereignis, und das verdankt er einer alten Dame. Doch die droht mit einer Gegenveranstaltung.

Stefan Ulrich, Paris

Wenn der Miss-Wettbewerb in Frankreich noch immer ein nationales Ereignis von gewisser Grazie ist, dann verdankt er es der "Dame mit dem Hut". So wird die Veranstalterin Geneviève de Fontenay genannt, weil sie nie ohne schwarzen Panama-Hut mit weißem Band, oder umgekehrt, auftritt. Die 77 Jahre alte Dame leitete die Wahl über Jahrzehnte und erwarb sich in dieser Zeit den Ruf einer Gralshüterin. Sie pochte darauf, dass die Kandidatinnen Frankreich zur Ehre gereichten - und sich nicht durch anzügliche Fotos bloßstellten. "Ich mag altmodische Werte verteidigen, aber ich glaube daran und viele andere tun das auch", sagte sie.

Weil sie sich von einer jungen Dame und der Produktionsfirma Endemol provoziert fühlt, ging ihr jetzt der Hut hoch. Sie droht, eine Gegenveranstaltung zur Miss-France-Wahl zu organisieren.

Das Schisma bahnt sich schon seit einigen Jahren an. 2002 verkaufte Madame de Fontenay, die eigentlich Geneviève Mulmann heißt, die Rechte am Miss-France-Wettbewerb an Endemol. Sie blieb aber Chefin des Organisations-Komitees. In den Folgejahren musste Madame immer wieder eingreifen, damit ihre Schönheitsköniginnen nicht verluderten.

So durfte Miss France 2004 ein halbes Jahr lang nicht mehr mit Krone und Schärpe auftreten, weil sie sich für den Playboy entblößt hatte. Auch Miss France 2008 bekam größte Schwierigkeiten, nachdem Erotikfotos erschienen, auf denen sie unter anderem einen verschütteten Joghurt aufschleckte.

Am meisten empörte die Gralshüterin jedoch der Fall der Kelly Bochenko. Dieser Schönheit war kürzlich wegen eindeutig zweideutiger Fotos der Titel "Miss Paris 2009" aberkannt worden. Dennoch lud Endemol sie nun in eine Reality-Show. Das war zu viel für Madame de Fontenay.

Endemol trete "das Ansehen der Miss France mit Füßen", schimpfte sie und schmiss ihren Komitee-Vorsitz hin. "Miss France ist doch nicht Miss Trash." Daher wolle sie eine Konkurrenzshow aufziehen. Endemol verweist auf eine Vertragsklausel, die einen Gegenwettbewerb untersage. Auch argwöhnt die Produktionsfirma, Geneviève de Fontenay gehe es nur darum, sich ihren Abgang aus dem Miss-Geschäft versilbern zu lassen.

Die Dame mit dem Hut kontert: "Ich verkaufe für diese Leute nicht meine Seele." Im kommenden Jahr könnte Frankreich nun gleich zwei Schönheitsköniginnen bekommen. Chapeau!

© SZ vom 06.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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