Glaubensbekenntnis:Peter Dabrock

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"Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?" Der stellvertetende Vorsitzende des Ethikrats sieht in dieser Frage den Kern seines Glaubens - weil der Frage im Heidelberger Katechismus auch eine Antwort folgt.

Protokoll von Christina Berndt

Glaube ist für mich vor allem eines: Getragensein. Dabei war mir die etwas pathetische Formulierung aus dem Heidelberger Katechismus stets ein wichtiger Begleiter: "Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin." Bei dem Satz geht mir das Herz auf. Er macht deutlich: Egal, in welchem Lebenskontext wir uns aufhalten, mit wem wir zusammen sind, welche Interessen wir haben, was wir tun, aber auch an welche Grenzen wir stoßen: Es gibt ein das alles einigendes Getragensein. Das verbinde ich mit dem Namen Jesu Christi, der die Liebe des geglaubten Gottes verkörpert. Der Glaube an diese Liebe lässt mich auch im Hier und Jetzt hoffen - hoffen, dass dieser Grund unendlich trägt.

Für meinen Glauben leitend erweist sich immer wieder die Unterscheidung von Letztem und Vorletztem, wie sie Dietrich Bonhoeffer vorgenommen hat. Mit ihm verstehe ich unter dem Letzten das für mein Leben tröstliche Wort Gottes, dass für mich endgültig gut gesorgt ist. Alles andere wird damit zum Vorletzten: der Staat, die Kultur, der Fußball. Alles, worin sich Leute engagieren, manchmal als ginge es um Leben und Tod. Es ist, bei aller Größe, nur das Vorletzte. Gerade in der Depotenzierung dieser Lebensbereiche durch das Letzte erhalten sie ihre angemessene Würdigung. Weil man sich von ihnen nicht endgültig gefangen nehmen lassen muss, wird man besonders dankbar für sie: Wer sich im Letzten liebevoll getragen weiß, kann sich fürs Vorletzte umso intensiver engagieren und muss auch keine Angst haben, wenn andere letzten Trost woanders finden.

Manchmal werde ich gefragt, wie ich als Ethiker, der so viel mit Naturwissenschaften zu tun hat, meinen Glauben mit meinem Verstand in Einklang bringen kann. Ich nehme naturwissenschaftliche Theorien sehr ernst. Sie stellen den Glauben sehr wohl immer wieder infrage: Kann man Schöpfung und Evolution zusammendenken? Ich bin überzeugt: Ja! Es sind zwei Perspektiven auf die eine Wirklichkeit - einmal kann ich den Ton der Natur hören, einmal ihrer Musik lauschen wollen. Ist das Zweite verkehrt, weil es das Erste auch gibt?

Mein Glaubensleben binde ich nicht deswegen so gerne an die Bibel, weil sie eine Telefonleitung aus dem Himmel wäre. Vielmehr gibt sie in faszinierender Weise Zeugnis davon, wie Generationen von Menschen - in Zagen und Zittern, mit Jubel und Mut - versucht haben zu leben und zu verstehen, was für sie der Grund und Ziel ihres Lebens ist, reizend, tröstend, lockend, ermutigend, fordernd: Gott. Ich liebe diese Erfahrungsbibliothek, weil sie den Menschen so schonungslos nüchtern beschreibt, und damit den Gott, der diesem Menschen in erbarmungsvoller Treue zugeneigt bleibt, noch umso wunderbarer auszumalen erlaubt.

Mir eröffnet der evangelische Glaube eine förderliche Perspektive für mein Leben, und das nicht nur im Sinne religiöser Selbstverwirklichung. Der Glaube stiftet vor allem auch Gemeinschaftsleben: im Blick auf die Familie und im Blick auf die Kirche mit ihrem Engagement in die Gesellschaft hinein. Selbst wenn sich das, was wir Christen von der Ewigkeit und vom Jenseits erhoffen, am Ende nicht bewahrheiten sollte, dann würde ich trotzdem für das Hier und Jetzt sagen: Mein Glaube ist eine so erfüllende und großartige Sicht auf das Leben in dieser Welt, dass ich ihn auf keinen Fall missen möchte.

Prof. Dr. Peter Dabrock ist stellv. Vorsitzender des Deutschen Ethikrats und Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Theologie II (Ethik) an der Uni Erlangen-Nürnberg.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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