Glaubensbekenntnis:Marion Cobretti

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(Foto: Kolja Eckert)

Als israelischer DJ in Berlin steht man manchmal zwischen den Kulturen. Marion Cobretti erzählt auch, wie man aus einem jüdischen Fest eine Techno-Party macht.

Protokoll von Ronen Steinke

Iraner und Israelis können vortrefflich miteinander tanzen, wenn sie nicht gerade Rohani oder Netanjahu heißen. Ich bin Israeli, und als ich vor vier Jahren nach Berlin kam, fing ich an, Techno-Partys mit meinem iranischen Freund Reza Khani zu veranstalten, den ich hier kennengelernt habe. Wir haben uns Kollektiv No Beef genannt. No beef ist amerikanische Umgangssprache für: kein Ärger, kein Streit. Es steht dafür, dass man die Politik hinter sich lassen und sich nicht gegeneinander aufhetzen lassen soll. No pork würde natürlich auch passen. Iraner und Israelis eint, dass wir beide einer schweinefleischfreien Minderheitsreligion angehören in Berlin.

Ich bin jüdisch aufgewachsen. Aber wie die meisten Israelis bin ich völlig säkular. Atheist trifft es am ehesten, ich mag Religion eigentlich nicht. Was ich sehr mag, ist die jüdische Kultur, das ist etwas anderes, und mir liegt eine Menge daran, dem verschlossenen, exklusiven, orthodoxen Judentum, das in Israel leider bedenklich an Macht gewinnt, einen humanistischen, weltoffenen liberalen Umgang mit dieser Kultur entgegenzusetzen. Zum Beispiel mag ich es sehr, mit meiner kleinen Familie in Berlin das Schabbat-Abendessen zu feiern.

Das ist eines der schönsten Dinge an der jüdischen Kultur: Eltern und Kinder versammeln sich freitagabends, wir kochen, nehmen uns Zeit, kommen zur Ruhe, stoßen an, fühlen uns ein bisschen festlich und beginnen das Wochenende. Manchmal schauen wir danach zusammen einen Film oder lesen eine Geschichte. Natürlich machen es die Religiösen auf eine striktere Weise. Manchmal laden wir auch nicht-jüdische Freunde dazu ein, ich sage dann extra, dass es ein Schabbat-Abendessen wird. Oft erwarten sie ein anstrengendes Ritual und sind überrascht, dass es stattdessen nur gutes Essen und gute Gespräche gibt.

Aus meiner Familie kenne ich es auch anders. Die Geschwister meines Vaters kamen einst als bettelarme Einwanderer aus Libyen nach Israel, als orientalische Juden. Es gibt eine Redensart in Israel: Als diese Gruppe kam, waren alle Türen schon verschlossen. Nur nicht die Tür zur Synagoge. So sind sie orthodox geworden, ernste, ergriffene Leute. Als Kind in Israel war ich fasziniert davon, wie sie zum Purim-Fest trotzdem völlig ausflippen können. Da sah ich die Verwandten plötzlich betrunken, sie sangen Lieder, alberten herum wie kleine Kinder, weil der Talmud einen dazu ermuntert, bei dieser Gelegenheit einen draufzumachen.

Neulich ist mir aufgegangen, wie gut dieses Fest in die hedonistische Partyszene Berlins passt. Jetzt planen wir eine Techno-Party mit Purim-Thema für den 26. März, mit DJs, Kostümen, Süßigkeiten, Schmink-Künstlern und mit offenen Türen für alle. Ich will auch eine Gruppe Flüchtlinge aus arabischen Ländern einladen. Und ich hoffe, anschließend ein großes Bündnis zusammenzukriegen für die erste israelisch-palästinensische "No Beef"-Party. In Berlin verweigern wir uns vorgefertigten Feindschaften.

Marion Cobretti, 37, ist ein israelischer DJ in Berlin. Der Künstlername stammt aus einem Film von Sylvester Stallone.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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