Gesellschaft:Neuer Audiospaziergang erzählt Geschichte der Sexarbeit

Lesezeit: 2 min

Die Gegend um die Berliner Kurfürstenstraße ist als Rotlichtviertel bekannt und berüchtigt. Eine neue Audiotour eröffent neue Perspektiven zu einem klischeebehafteten Thema.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa/bb) - Als Brennpunkt und Ausgehviertel ist die Gegend über Berlin hinaus bekannt: Eine neue Audioführung erzählt die Geschichte der Sexarbeit rund um die Kurfürstenstraße. „Der Rundgang ist für alle, die an Berlins Geschichte interessiert sind“, sagte Caspar Tate, Sexarbeiter und einer der Kuratoren des Projekts des Vereins Berlinhistory. Die Führung ist in der gleichnamigen kostenlosen App enthalten und geht durch zwölf Stationen im Bülowkiez.

Sie beginnt am U-Bahnhof Bülowstraße und mit seinem Bau im Jahr 1885 und endet mit einem Zukunftsausblick an der Zwölf-Apostel-Kirche. Im chronologischen Spaziergang lernt man etwa das „Eldorado“ kennen, das in den 1920er Jahren ein bekanntes „Transvestitenlokal“ war. Ein Nachtclub, in dem vor allem queere Menschen Zuflucht fanden - also Menschen, deren sexuelle oder geschlechtliche Identität von gesellschaftlichen Normen abweicht.

„Wir wollten einen Berührungspunkt für die Nachbarn schaffen, die uns sonst nicht hier haben wollen. Auch, weil es in letzter Zeit viel Gewalt gegen uns gab“, sagt Emma Pankhurst, die selbst in einem Bordell in der Nachbarschaft arbeitet. Sie heißt nicht wirklich so, sondern nennt sich wie die Frauenrechtlerin aus dem 19. Jahrhundert. Bei der Premiere führt sie kostümiert wie 1880 durch die Stadt.

Der Rundgang zeigt die Gegend, die wegen des Straßenstrichs als hartes Pflaster bekannt ist, von einer anderen Seite und öffnet neue Perspektiven zu einem mit vielen Klischees behafteten Thema. Genaue Zahlen, wie viele Menschen ihr Geld mit Sexarbeit in Berlin oder im Bülowkiez verdienen, gibt es nicht. „Es gibt Schätzungen der Polizei für den Kiez von ungefähr 400 Menschen, die hier auf der Straße arbeiten“, erzählt Caspar Tate.

Laut der Senatsverwaltung für Gesundheit und Gleichstellung sind in Berlin momentan knapp 1600 Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen angemeldet. Sexarbeit ist laut Tate dabei ein selbstgewählter Oberbegriff für Menschen, die erotische Dienstleistungen anbieten. Der Begriff Prostitution sei abwertend geprägt und werde deshalb von den meisten Sexarbeitern abgelehnt.

Der Audiorundgang soll vor allem die Sichtbarkeit der Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen erhöhen. „Wir waren schon immer überall“ - so lautet die Überschrift der Tour. Sie soll verdeutlichen, dass diese Arbeit schon immer zum Berliner Stadtbild gehört hat - auch wenn diese von Historikern gerne ignoriert werde, meint Pankhurst.Der Rundgang wurde von einer Sexarbeiter-Organisation, der Berlinhistory-App und dem Schwulen Museum entwickelt. „Die Überschneidungen zwischen Sexarbeitenden und queeren Menschen waren schon immer da“, sagte Projektleiterin Birgit Bosold aus dem Vorstand des Schwulen Museums, das ebenfalls in Schöneberg zu finden ist. Dies sei auch ein Grund für die Standortwahl gewesen.

© dpa-infocom, dpa:221205-99-781496/2

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: