Fashion Week Berlin: Patrick Mohr:Das verschleierte Geschlecht

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"Ich sehe die Frau behaart", sagt Patrick Mohr - und schickt die Models mit Glatze und Vollbart über den Laufsteg. Das war das Mindeste, was man von dem Münchner Designer erwartete.

Anna Christina Kessler

Patrick Mohr schickte die Models mit Glatze und flauschigem Vollbart über den Laufsteg. Die Idee dahinter ist sein "Konzept der Einheit der Geschlechter", das der Münchner Designer heute auf der Berliner Fashion Week präsentiert hat. "Ich sehe die Frau behaart", erklärt Patrick Mohr seine die Idee mit den Bärten. Damit hat das "Enfant Terrible" der deutschen Designer wieder gezeigt, dass er nichts davon hält, Männer als Männer und Frauen als Frauen in Szene zu setzen.

Fashion Week Berlin: Patrick Mohr
:Beim Barte des Designers!

Patrick Mohr ist für seine provozierenden Präsentationen bekannt. Auch diesmal tat der Berliner Designer, was man von ihm erwartete.

Seine neueste Kollektion mit dem Titel "Unity" besteht aus 23, wie er selbst sagt, "starken Outfits". Darin finden sich wieder die Shirts mit den Dreiecken und Vierecken, die beiden geometrischen Formen, die es Mohr so sehr angetan haben. Der Stil wird als "avant-garde streetwear" beschrieben. Rot ist die Signalfarbe dieser Kollektion kombiniert mit beige, creme, weiß und viel schwarz. Patrick Mohr ist freiheitsliebend und äußerst konsequent. Er sagt: "Hätte ich eine Lieblingsfarbe, müsste ich die ganze Kollektion in dieser einen Farbe machen." Also hat er lieber keine. Über Privates redet er nicht gerne, auch da ist er konsequent.

Die Glatze juckt

Vor der Show ist nach der Show, sagt er, aber dennoch müssen jetzt 23 Models zu Glatzenträgern mit Bart verwandelt werden und richtig in die weitgeschnittenen Kleider eingepackt werden. Kein leichtes Unterfangen, Models und die Freiwilligen, die beim Einkleiden helfen sollen, wissen auch nicht so recht wie was gehört. Patrick Mohr ist die Anspannung ins Gesicht geschrieben, hektisch läuft er zwischen Garderobe und Make-up hin und her, ärgert sich, weil was fehlt, die Accessoires sind nicht im Gepäck und müssen jetzt schnell gefunden werden. Eine Assistentin setzt sich sofort ins Taxi und begibt sich auf die Suche. Ein Model zeigt an, dass es sich das papierdicke Make-up und die Glatze am liebsten von Gesicht und Kopf kratzen würden weil es juckt.

Wie möchte Patrick Mohr, dass Patrick Mohr in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden? "Einer liebt mich, ein Anderer hasst mich. Ich möchte die Leute auf der Straße in meinen Kleidern sehen, jeder findet bei mir was zum Anziehen", sagt er, und stellt einmal mehr fest: "Patrick Mohr ist auch Unternehmer." Er sagt es fast so leise, als glaube er das selbst noch nicht.

Dieses Mal liefen - im Gegensatz zu den beiden letzten Präsentationen auf der Fashion Week - richtige Models für ihn über den Laufsteg. Das gewohnte Bild bieten sie dennoch nicht, denn Mohr hat sehr junge Models ausgewählt. "Sie müssen möglichst androgyn sein", sagt er. Schließlich soll ihr Geschlecht mit Maske und Kleidung bis zur Unkenntlichkeit verschleiert werden. Michaela, 15, aus Tschechien läuft zum ersten Mal für einen Designer auf der Fashion Week Berlin. Die Glatze fühlt sich cool an, sagt sie, vielleicht spannt es ein bisschen, aber das ist jetzt egal. Wie alle anderen Models trägt sie einen blonden, flauschigen Vollbart. Doch dass sie sich nicht ganz wohl fühlt, gestylt wie ein Rumpelstilzchen, ist in ihren ängstlich blickenden Augen abzulesen.

"Noch zehn Minuten, anziehen, jetzt!" brüllt Mohr in die Garderobe. Die letzten Models bekommen Schuhe angezogen, einigen werden Fäden an die Finger gebunden, an denen ein Basketball hängt (wie die Schuhe ebenfalls eine Kooperation mit einer Firma) Patrick zeigt einem Mädchen, wie es den Basketball an Fäden halten soll, nämlich mit leicht angewinkeltem Arm. Fünfzehn Minuten später schwebt der Ball vor dem Augen der staunenden Gäste über den Boden. Aus den Lautsprechern wummert "I'm the operator of my pocket calculator" von Kraftwerk.

Der Geschäftsmann

Bei Mohrs Mode tritt die Persönlichkeit des Trägers in den Hintergrund. Es ist egal, wer ein Kleidungsstück trägt, bei Patrick Mohr gibt es keine Männerkleidung, genauso wenig wie es Kleider für Frauen gibt. Alle tragen alles, und wer was trägt, spielt keine Rolle. Provokant wie immer, doch etwas hat sich verändert: Patrick Mohr sieht sich selbst heute mehr in der Rolle des Geschäftsmanns, als das bei seinen früheren Auftritten der Fall war. Die Schuhe, mit denen er seine Models ausstattet, sind in einer Kooperation mit dem Münchner Label K1X entstanden, seine Kleider sollen demnächst bei Peek & Cloppenburg zu kaufen sein, zumindest sei das geplant.

Es ist derselbe Patrick Mohr, der auf den letzten Schauen Obdachlose und Bodybuilder zu seinen Models machte. Zwar stecke das Krasse nach wie vor in ihm drin, doch: "Mehr und mehr kommt mein Geschäftssinn durch", so Mohr. Mit 30 will er seine Kollektion in Paris zeigen, hat er einmal gesagt. Noch ist Patrick Mohr 29 Jahre alt - doch seine Pläne haben sich geändert, besser gesagt, haben sich seine Proiritäten verschoben. Auch hier kommt der Unternehmer Mohr einmal mehr zum Vorschein. Er wolle sich erst im deutschsprachigen Raum etablieren, bevor er nach Paris geht.

Und noch eine Veränderung wird es bei Patrick Mohr geben: Demnächst steigt seine Schwester bei ihm ein, die an der Berliner Modeschule "Esmod" studiert und vor wenigen Tagen ihre Diplomkollektion präsentiert hat. Am Ende der Show noch ein Schocker: "Oben ohne" lässt Mohr ein weibliches Model in einer weiten, kurzen Hose auftreten. Oder war es ein Junge? Auf der Suche nach dem richtigen Wort rückt der einzig passende Begriff ins Zentrum: Mensch. Das ist es, was Patrick Mohr wollte. Und natürlich, für Aufregung, Verwirrung und Gesprächsstoff zu sorgen.

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