Familientrio:Wie geht man mit Eifersucht unter Geschwistern um?

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Wenn Kinder eifersüchtig sind auf ihre neugeborenen Geschwister, wissen Eltern oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. (Foto: imago/PhotoAlto)

Ein Fünfjähriger sagt, er habe seine neugeborene Schwester nicht lieb. Die Mutter ist schockiert. Wie soll sie darauf reagieren? Drei Experten geben Rat.

"Meinem Sohn, 5 Jahre, fällt es schwer, dass er mich seit der Geburt seiner Schwester nicht mehr allein hat. Im Kindergarten hat er neulich zwei kleine Karten gebastelt und jeweils ein Herz darauf gemalt. Beim Abholen sagt er zu mir: 'Schau, das habe ich für dich gebastelt und eins für Papa, für meine Schwester aber keins, weil die habe ich nicht lieb.' Wie kann ich darauf reagieren? Ich war wie in Schockstarre."

Mona W. aus Bad Krozingen

Kirsten Fuchs:

Ein bisschen Glück ist wohl schon dabei, wenn Geschwister sich so nahe und gut sind, wie Eltern sich das wünschen. Es sind ja nun mal zwei unterschiedliche Lebewesen, die miteinander leben müssen und sich nie dafür entschieden haben. Diese Schicksalsgemeinschaft muss nicht gelingen, zumal so ein Baby für einen Fünfjährigen anfangs nicht so interessant ist. Ich würde ihn darüber reden lassen, ohne verletzt zu sein. Wenn ein Baby kommt, sind komischerweise die großen Geschwister die eigentlich bedürftigen, und das darf man nicht vernachlässigen. Er braucht intensive Zeit mit ihnen, auch mal allein, so wie früher. Als ich das zweite Mal schwanger war, habe ich der großen Tochter (damals acht) gesagt, dass da ihr größter Fan auf die Welt kommt, jemand, der alles, was sie tut, toll findet, interessant, lustig, jemand der ewig zuhört. Das fand sie spitze und es hat geklappt. Babys fahren so sehr auf die großen Geschwister ab. Vielleicht liebt ihn einfach das Baby zuerst und er dann das Baby.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit zwei Töchtern, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis. (Foto: Stefanie Fiebrig)

Herbert Renz-Polster:

Die Schockstarre lohnt sich bei diesem Thema nicht. Das ist ja fast schon der Klassiker: "Mama, ich hab dich nicht mehr lieb!" Wie oft haben Sie das gehört? Und dann? Haben Sie es Ihrem Kind geglaubt? Na also. Aber Sie haben womöglich das Signal dahinter verstanden: Da ist etwas, das es meinem Kind gerade schwer macht, im Team gut mitzusegeln. Und ja, ein kleines Geschwisterchen ist ein Riesending für einen Fünfjährigen, der die "neue Beziehung", die Sie da mit seiner kleinen Schwester pflegen, argwöhnisch betrachtet. Das steht ihm zu. Aber wenn Sie genauer hinschauen, dann werden Sie auch die andere Seite sehen: Dass auch Zuneigung da ist und die beiden sich nach und nach kennenlernen. Und Sie selbst können sich nicht oft genug daran erinnern, was für ein Geschenk die beiden füreinander sind, wir vergessen das manchmal vor lauter Streit! Statt Ihren Sohn zu tadeln, nehmen Sie ihn in den Arm: "Ich hab euch beide lieb, ganz doll. Und wenn du das mal nicht spürst, dann sagst du es mir?"

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Collien Ulmen-Fernandes:

Ein stummer Schrei nach Liebe, den Sie nicht überschätzen sollten. Selbstverständlich ist es eine tragische Rolle, wenn man vom Alleininhaber elterlicher Zuwendung zu einem Teilhaber wird und jeder Ruf nach Aufmerksamkeit immer erst mal an dem kleineren und per se aufmerksamkeitsbedürftigen Kompagnon vorbei muss. In diesem Falle möchte ich dem Fünfjährigen aber gerne sagen: Deal with it, das bisschen weniger Aufmerksamkeit tauschst du ein gegen einen luxuriösen Ersatz, um den dich viele beneiden: eine kleine Schwester, der du schon bald Dinge beibringen kannst, gute wie schreckliche. Das Geschäft wird sich für dich lohnen, du wirst mit deiner Schwester jemanden haben, der zu dir aufschaut, dich, wenn du 23 Jahre alt bist, aus deiner ersten Depression reißt, indem sie dich als einzige regelmäßig in deiner Kiffer-WG besucht, und die dich mit 47 nach der zweiten Scheidung eine Weile in ihrer kalifornischen Villa wohnen lässt. Oder so. Oder eben: Deal with it!

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)
© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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