Familientrio:Ab ins Bett!

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Eine Mutter sorgt sich um ihre (fast) erwachsenen Söhne, weil diese viel zu spät ins Bett gehen und morgens nicht aus den Federn kommen. Darf sie sie zwingen?

Meine Söhne, 17 und 18, treffen sich häufig mit Freunden in der Kneipe und kommen erst nach Mitternacht nach Hause. Dabei müssen sie morgens früh aufstehen. Nur mit Mühe kommen sie aus den Betten, ihre Schulnoten sind rapide nach unten gegangen. Wir streiten uns darum ständig. Ich will, dass sie unter der Woche um 22 Uhr ins Bett gehen, damit sie fit sind. Darf ich sie dazu zwingen?

Traudel F. aus Singen

Margit Auer:

Sie dürfen, aber es wird Ihnen vermutlich nicht gelingen. In dem Alter kommen Sie mit Ermahnungen nicht weit. Aber Mitternacht ist echt zu spät, da ist jeder von uns am nächsten Morgen kaputt. Was tun? Eine Möglichkeit wäre, Ihre Söhne nicht mehr zu wecken. Dann müssen sie selbst die Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen. Sie werden zu spät zur Schule kommen, weiterhin schlechte Noten schreiben. Aber dann sind sie selbst schuld. Das würde ich zwei Wochen lang ausprobieren. Wenn die Schule anruft, reichen Sie beherzt den Hörer weiter. Entscheidend ist für mich, was das für Freunde sind, mit denen Ihre Söhne in die Kneipe gehen. Sind es nette Kerle? Dann wird sich irgendwann Vernunft einstellen. Wenn nicht, sollten Sie eine Familienkonferenz einberufen und besprechen, wie sich die Herrschaften ihre Zukunft vorstellen. Da müssen dann alle durch, fürchte ich.

Margit Auer ist die Autorin der Kinderbuch-Bestseller-Reihe "Die Schule der magischen Tiere", die inzwischen mehr als acht Millionen Mal gedruckt und in 25 Sprachen übersetzt wurde. Sie hat drei erwachsene Söhne und lebt mitten in Bayern. (Foto: Auer)

Herbert Renz-Polster:

Ein klassischer Familienkonflikt: Ihre (fast) erwachsenen Kinder richten ihr Leben anders ein, als Sie das gut finden. Im angenommenen besten Interesse Ihrer Kinder würden Sie die beiden gerne zwingen, sich zu ändern. Verbunden mit dem Zwingen, das skizzieren Sie schon, ist aber ein Preis: Stress in der Bude. Glauben Sie im Ernst, dass das Ihre "Kinder" wieder auf die - also Ihre - Spur bringen wird? Ich weiß von Jugendlichen so viel: Sie kommen nicht durch Übermacht zu einer anderen Einstellung, eher eskaliert dadurch die Wahl der Waffen oder es verlagern sich die Kampfzonen. Kinder lenken zu wollen, mag verlockend sein. Aber diese Art der Stärke hat ein Verfallsdatum, das ist schneller erreicht als viele Eltern glauben, in Ihrem Fall ist es längst abgelaufen. Jetzt helfen nur die Trampelpfade, die Sie zum Beispiel von Ihrer Ehe her kennen: in Beziehung bleiben, zuhören, Positives unternehmen, die "Kinder" ernst nehmen. Vielleicht ist die Kneipe ja so attraktiv, weil sie in Ihrem Haus immer nur als die Kinder leben sollen, die sie nicht mehr sind? Machen Sie dringend ein paar Termine mit Ihren Kindern, um sie wieder kennenzulernen. Wenn Sie zuhören, ist das der erste Schritt, dass Ihre Kinder ihrerseits zuhören.

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg. (Foto: Verlag)

Collien Ulmen-Fernandes:

Das stelle ich mir wahnsinnig anstrengend vor: abends bis nach zwölf in die Kneipe und dann zur unmenschlich frühen Schwachsinnszeit um acht Uhr in die Schule. Was auch immer Ihre Söhne in der Kneipe erleben: Es scheint ihnen so wichtig zu sein, dass sie dafür körperliche Qualen und Notenverfall in Kauf nehmen. Vielleicht fragen Sie mal, was da so abgeht? Eventuell suchen Ihre Söhne etwas, das wichtig ist für ihre Entwicklung: Kontakt zu Mädchen, Gemeinschaft mit Freunden, Erholung von den Zumutungen im Körper eines jungen Mannes. All das hat seine Berechtigung. Leider fallen mit 17, 18, 19 auch die Entscheidungen in diesem Bildungssystem: Was kann ich werden, wie weit kann ich kommen? Ihnen das zu sagen, gehört auch zu Ihren Kernaufgaben als Mutter. Das Wort "Zwang" aber empfehle ich mit freundlichen Grüßen in die 40er-Jahre zurückzuschicken.

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter wohnt in Potsdam und hat den Kinderbuch-Bestseller "Lotti und Otto" und den Elternratgeber "Ich bin dann mal Mama" verfasst. (Foto: Anatol Kotte)
© SZ vom 01.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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