Essen & Trinken:Treten im Akkord: Sauerkrautproduzent setzt auf Tradition

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Lübbenau (dpa) - Karin Rudolph steht in einem riesigen Fass. Unter ihr: überall Weißkohl. In Gummistiefeln und mit einem Dreiecks-Tuch auf dem Kopf stampft die 63-Jährige mit zwei Kolleginnen immer und immer wieder im Kreis.

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Lübbenau (dpa) - Karin Rudolph steht in einem riesigen Fass. Unter ihr: überall Weißkohl. In Gummistiefeln und mit einem Dreiecks-Tuch auf dem Kopf stampft die 63-Jährige mit zwei Kolleginnen immer und immer wieder im Kreis.

Über ein Laufband kommt geschnittener Kohl hinzu. Nach rund zweieinhalb Stunden ist so ein Fass voll. Über eine Leiter geht es dann von dem meterhohen Kübel wieder runter. Der Kohl ruht danach vier bis sechs Wochen. Typisch ist diese Produktion heute nicht mehr - aber im Spreewald gibt es Firmen, die Sauerkraut noch ganz traditionell herstellen.

Die Firma Spreewaldmüller in Lübbenau, für die Rudolph stampft, gehört dazu. Der Kohl-Geruch dringt dort in jede Ecke. „Der Duft gehört zu mir“, sagt die Produktionsarbeiterin. Auch mit Duschen bekomme sie den nicht weg. „Wenn ich in einem Wartezimmer beim Arzt sitze, dauert es nicht lange und der Erste sagt: “Hier riecht es so angenehm nach irgendetwas. Dann schaue ich immer weg, obwohl ich genau weiß, was er meint, sagt sie und lacht.

Seit 13 Jahren ist die Lübbenauerin bei der Sauerkraut-Produktion dabei. Mal steht sie im Fass und stampft, gibt Salz oder Kümmelauszug hinzu oder verteilt mit einer Heugabel den Weißkohl. Mal tauscht sie mit anderen Kolleginnen und steht dann an einer Maschine, die den Strunk aus dem Weißkohlkopf entfernt. Schwere körperliche Arbeit. „Das ist wie ein Fitnessstudio“, sagt Rudolph.

Nach Angaben des Gartenbauverbands Berlin-Brandenburg liegen im Spreewald die meisten der brandenburgischen Firmen, die Weißkohl zu Sauerkraut verarbeiten. Im Oderbruch baut die Firma Odega Frischgemüsehandel & Rohkonserven den Weißkohl, den sie zu Sauerkraut verarbeitet, noch selbst an. Mitarbeiter steigen auch dort noch nach traditioneller Art in die Fässer zum Treten. Im bundesweiten Vergleich liegt Brandenburg mit 30 Hektar (2014) allerdings eher im hinteren Bereich.

Der Blick in die Produktionshalle von Spreewaldmüller hat etwas von einer Reise in die Vergangenheit. Warum wird nicht moderner produziert? „Wir haben aus Platzgründen nicht die Möglichkeit, große Silos und Anlagen aufzustellen“, sagt Geschäftsführerin Cornelia Rosner. Zwar sei das Sauerkraut für den Käufer teurer als industriell gefertigtes, aber Rosner schwört auf den Geschmack.

Das Treten bewirkt den Angaben zufolge, dass das Kraut verdichtet wird und Zellsaft austritt. Hohlräume im Fass werden so vermieden. Das Ganze soll verhindern, dass sich bestimmte Bakterien vermehren und Fehlgärungen entstehen. Gewollt ist dagegen, dass Milchsäurebakterien den Zucker im Kohl in Milchsäure umwandeln. Dann entsteht Sauerkraut, wie die Firma erläutert.

In Deutschland werden pro Jahr im Schnitt etwa 80 000 Tonnen Sauerkraut produziert, wie der Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie in Bonn mitteilt. Die Zahl schwanke zwar von Jahr zu Jahr, sei aber dennoch relativ stabil. Große Anbaugebiete für Weißkohl liegen demnach in Schleswig-Holstein an der Nordsee, in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Stuttgarter Raum.

In diesem Jahr gibt es in einigen Regionen wetterbedingte Ernteausfälle, wie Geschäftsführer Christoph Freitag berichtet. Engpässe habe es unter anderem schon im Rheinland, Bayern und in Baden-Württemberg gegeben.

In der Lübbenauer Firma ist die Produktion im August angelaufen, jetzt ist Hochsaison. Das Kraut wird über den Großhandel auf Wochenmärkten in Ostdeutschland verkauft.

Kann Karin Rudolph nach der Arbeit eigentlich selbst noch Sauerkraut auf dem Teller sehen? „Ja, klar“, sagt sie. Und dann zählt sie auf: Mit Kassler oder Bratwurst oder Gulasch ...

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