Essay:Fenster zum Hof

Lesezeit: 8 min

Bei deutschen Sendern war man zunächst skeptisch, ob ausgerechnet die Bewohner der Sesamstraße (v.l.: das Krümelmonster, Mariechen, Ernie, Elmo, Bert, Oskar, Grobi und hinten Bibo) den Kindern gute Vorbilder sein können. (Foto: KNA)

Im November 1969 kam die erste Folge der Kindersendung "Sesamstraße" ins amerikanische Fernsehen. Unser Autor gehörte damals noch zur Kernzielgruppe - und lernte deshalb bald mit Ernie, Bert und dem Krümelmonster die Welt kennen.

Von Holger Gertz

Von allen Filmen und Momenten aus der "Sesamstraße" ist mir einer am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben, vielleicht, weil man die Musik auch heute noch immer wieder mal hört. "Lulu's Back in Town" ist ein Klassiker aus den Dreißigern. Dass sie in der "Sesamstraße" früher solche Songs gespielt haben, erzählt eine Menge über die "Sesamstraße", sie war zwar für Vorschulkinder gedacht, aber nicht nur für Vorschulkinder gemacht, die Geschichte zu "Lulu's Back in Town" ist ein schönes Beispiel. Worum ging es? Das grüne Plüschmännlein Tony tritt auf, ein Spießbürgerchen mit Haarkranz und Oberlippenbart. Tony singt von einer verflossenen Freundin, die er bald wiedersehen wird, "Lulu kommt heut zurück", singt er, und seine Vorfreude ist so gewaltig, dass er bereit ist, eine Medienkrise heraufzubeschwören, die es damals noch nicht gab. "Ich bestell jetzt meine Zeitung ab/weil ich nur noch Zeit für Lulu hab", singt Tony, und natürlich erwartet jeder, dass irgendwann eine wahrhaftige Zauberfrau um die Ecke biegt. Aber dann - da war die "Sesamstraße" anders als andere Kinderprogramme - kam eben nicht das Erwartbare, sondern es schob sich ein gewaltiges blaues Monster ins Bild. Dieses Monster also war Lulu. Schwarze Perücke, rote Haarschleifen. Lulu sah komplett irrsinnig aus.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: