Ehrenamt und Zivilcourage (4):"Nur beten und schweigen ist nichts für mich"

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Mit 23 schmiss Lea Ackermann den Job in einer Bank, um sich für "Gottes vergessene Töchter" einzusetzen: Migrantinnen und Prostituierte.

Petra Blum

Als sie 23 war, wechselte Lea Ackermann die Seiten. Gab den Job in einer Bank auf und widmete sich ganz dem Glauben. Noch heute schlägt das Herz der 72-jährigen Ordensschwester von der Gemeinschaft der Weißen Schwestern weniger für Zahlen als für Menschen. Und für Afrika. Als sie vor mehr als 20 Jahren in die kenianische Hafenstadt Mombasa entsandt wurde, sollte Ackermann nur in einer Fortbildung für Lehrer helfen. Doch die Prostitution und das Elend der Frauen in der Tourismushochburg ließen sie nicht los.

Setzt sich ein für Frauen in Not: Lea Ackermann. (Foto: Foto: oh)

"Ich dachte mir, die Lehrer haben doch schon eine Ausbildung", sagt Ackermann. Aber die vielen Mädchen, die sich ohne Lebensperspektive prostituieren mussten, hätten sich keine Ausbildung leisten können. "Die brauchten Hilfe." In den Rotlichtvierteln von Mombasa begann Ackermann, sich ehrenamtlich für "Gottes vergessene Töchter" einzusetzen.

Weil dafür Geld nötig war, schrieb Ackermann kurzerhand einen Brief, der auf die dramatische Situation der kenianischen Frauen aufmerksam machte. Sie verschickte ihn an hundert Adressen in Deutschland und bat um Spenden. Die Resonanz war überwältigend, erzählt sie.

Geld außerhalb der Prostitution

Kurz darauf gründete sie das Hilfswerk "Solwodi". Das ist eine Abkürzung für "Solidarity with women in distress", also Solidarität mit Frauen in Not. "Ich wollte etwas machen mit den Frauen, damit sie Geld außerhalb der Prostitution verdienen können", sagt die Schwester.

Das erste Solwodi-Zentrum in Mombasa war ein ehemaliges Lagerhaus. Dort knüpften die Frauen Perlenketten, um sie an Touristen zu verkaufen. Der Andrang war groß. Aus anfänglich zwölf Frauen wurden schnell 50 und mehr. Rasch baute Ackermann das Angebot aus: Sie richtete Nähkurse für Frauen ein. Das Haus wurde um einen Kiosk und eine Bäckerei erweitert. Das Projekt, das Frauen eine wirtschaftliche Basis zur Selbständigkeit gibt, wuchs mit jedem Jahr. "Jede einzelne Frau, die es durch unsere Arbeit aus der Prostitution heraus schafft, ist für mich ein Erfolgserlebnis", sagt Ackermann, die in Kenia nur "Mama Lea" genannt wird.

Beratung und Verstecke

Bereits drei Jahre nach der Gründung von Solwodi musste sie Kenia aber verlassen, die Behörden machten ihr Schwierigkeiten. Solwodi wuchs dennoch weiter: Heute gibt es in Kenia acht Beratungsstellen und ein Frauenhaus. Etwa 34.000 Frauen in Not hat Solwodi schon erreicht.

Ackermanns Einsatz war damit aber nicht beendet. Zurück in Deutschland half sie einer Kenianerin, die nach jahrelanger Prostitution einen Selbstmordversuch begangen hatte. Damit musste auch Ackermann erleben, dass die Ausbeutung von Frauen nicht vor Ländergrenzen haltmacht. Ackermann gründete 1988 Solwodi Deutschland. Der Verein hilft Migrantinnen, die durch Prostitution, Menschenhandel und Zwangsheirat in Not geraten sind.

Inzwischen ist das Hilfswerk auf zwölf Beratungsstellen und sieben Schutzwohnungen angewachsen. "Die Aufgaben sind größer geworden, nicht kleiner", sagt Ackermann. "Aber nur beten und schweigen ist nichts für mich."

© SZ vom 08.05.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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