Die Zöpfe von Julia Timoschenko:Blondinen bevorzugt

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Mit dem Aufstieg der Politikerin Julia Timoschenko ist der traditionelle Haarkranz in der Ukraine wieder in Mode gekommen. Das Geschäft mit Haarteilen boomt.

Thomas Urban

Alles gibt es auf dem berühmten Jahrmarkt von Sorotschynzi. So hat es schon der in dem ukrainischen Dorf geborene Schriftsteller Nikolaj Gogol vor mehr als anderthalb Jahrhunderten in einer seiner phantastischen Erzählungen geschrieben. Nur eines wäre zu Gogols Zeiten völlig undenkbar gewesen: Dass dort ein Aufkäufer menschlichen Haares seinen Geschäften nachgeht. Gesucht wird langes blondes Haupthaar. Flachsblond, Weizenblond, Strohblond, Honigblond sind sehr gefragt, Mittelblond und Aschblond werden auch genommen, Dunkelblond aber hat keine Chance.

Das blonde Haar von Timoschenko ist ein Hingucker. Doch es sind eher nicht so reiche Frauen aus Osteuropa, die ihre Zöpfe in den Westen verkaufen, wo das Geschäft mit der Haarverlängerung boomt. (Foto: dpa)

Die Zentralukraine, in der Sorotschynzi liegt, ist schon längst ein Geheimtipp bei Haarhändlern aus Westeuropa und den USA, die Perückenhersteller und Friseursalons beliefern. Denn gerade auf dem Land tragen viele Mädchen noch geflochtene Zöpfe, und der traditionelle Haarkranz ist mit dem Aufstieg der temperamentvollen Politikerin Julia Timoschenko wieder in Mode gekommen. In vielen Dörfern werden die alten Rezepte zur Pflege der Haare weiter in Ehren gehalten: Waschen in Malzbier, mindestens einmal pro Woche ein rohes Ei auf dem Kopf zerschlagen und damit die Kopfhaut massieren.

Einmal Strähnchen, 1000 Euro

Natürlich blondes kräftiges Haar wird gebraucht für die immer mehr in Mode kommende Haarverlängerung. Strähnenweise wird es an die echten Haare einer Kundin geknotet oder unmittelbar auf die Kopfhaut geklebt. Die größten Märkte dafür sind die USA - und Deutschland. Für eine Haarverlängerung mit etwa 150 bis zu 45 Zentimeter langen Strähnen aus echtem Haar sind bei einem bundesdeutschen Friseur schnell mal 1000 Euro fällig. Die ukrainischen Mädchen und Frauen, die dem "Haaragenten" von Sorotschynzi oft verschämt ihren Kopfschmuck anbieten, bekommen allerdings nur eine Handvoll Euro. Die Gehälter auf dem Land sind gering, die Arbeitslosigkeit ist hoch.

Die Haare werden von dort über die Grenze nach Moskau geschickt, dem Sitz der Firma Capelli belli (schöne Haare), die Kunden in der ganzen Welt beliefert. Die Firma hat in der gesamten ehemaligen Sowjetunion ein Netz von "Blondinen-Kundschaftern" aufgebaut. Sie lassen ihre Handzettel in den Friseursalons zurück, schalten Annoncen in der Lokalpresse oder sprechen direkt langmähnige oder bezopfte Frauen an. Bereits fertig geflochtene dicke Zöpfe sind derzeit der Renner bei westeuropäischen Frauen, der eine nette Abwechslung im Blondinenlook garantiert.

Allerdings hat Julia Timoschenko mit dieser Haarteilmode nichts gemein. Als ein amerikanischer Korrespondent sie einmal auf einer Pressekonferenz direkt fragte, ob denn ihr Zopf echt sei, zog sie in aller Seelenruhe eine Haarnadel nach der anderen aus ihrer Frisur, bis das Haar lang herunterwallte. Nun wussten es alle: Der Zopf ist echt.

Eine Chance hätte sie bei den Haaraufkäufern dennoch nicht: Denn ihr Honigblond ist nicht echt, von Natur aus hat sie "Haar von der Farbe der Haselnuss", wie es der Schriftsteller Gogol genannt hätte.

© SZ vom 10.12.2010/holl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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