Zwei Mal pro Woche Sport empfehlen Mediziner für einen ausgeglichenen Lebensstil. Täglich aber sollten wir einem ausgewogenen Speiseplan befolgen - denn das steigert nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Leistung von Sportlern. Der Hamburger Professor für Ernährungswissenschaften, Michael Hamm, erklärt, warum Tennisspieler anders essen sollten als Marathonläufer, ob Sportler mehr Kohlenhydrate oder Eiweiß benötigen und wie man zu einem gesunden Trinkverhalten findet.
sueddeutsche.de: Welche Rolle spielt die Ernährung im Leben eines Sportlers?
Prof. Michael Hamm: Nicht nur durch das Training, sondern auch durch die Ernährung können wir unsere Leistungsfähigkeit steigern und erhalten. Im Spitzensport kann man sich auf keinen Fall erlauben, das richtige Essen und Trinken zu vernachlässigen. Das wird von den Sportlern zunehmend anerkannt, denn spätestens im Wettkampf merken sie, ob sie ernährungsmäßig gut vorbereitet sind oder nicht.
sueddeutsche.de: Räumen Freizeitsportler dem Thema einen zu geringen Stellenwert ein?
Hamm: Das kommt darauf an, aus welchem Grund Sport getrieben wird. Viele Freizeitsportler wollen ihren Bewegungsmangel im Beruf sowie die Folgen einer Überernährung ausgleichen. Dann ist Leistungssteigerung nicht das primäre Ziel und eine hundertprozentig abgestimmte Ernährung ist nicht gefragt. Andererseits gilt auch im Fitnessbereich: Sport und Spiel machen mehr Spaß, wenn der Körper dank ausgewogener Ernährung gut vorbereitet ist.
sueddeutsche.de: Was gilt es täglich zu beachten? Und welche Fehler werden häufig gemacht?
Hamm: Die meisten Fehler werden immer noch beim Trinken gemacht. Das heißt, man trinkt oft gar nichts oder zu spät und das Falsche - wie zuckerreiche Getränke, die lange im Magen verweilen und die Flüssigkeit nicht zeitgerecht ersetzen. Außerdem besteht oft in der Alltagsernährung das Problem eines Missverhältnisses von zu viel Fett und zu wenig Kohlenhydraten.
sueddeutsche.de: Wie sieht das gesunde Verhältnis von Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett aus?
Hamm: Die Grundformel für alle sportlich Aktiven heißt: Beziehen Sie mindestens 50 Prozent der Energie aus Kohlenhydraten, zwischen 25 und 35 Prozent aus Fetten und 15 bis 20 Prozent aus Eiweiß. In der Wettkampfvorbereitung des Ausdauer- und Spielsports kann die Kohlenhydrataufnahme auf 55 bis 60 Prozent in der Wettkampfvorbereitung steigen. Bei Kraft-Ausdauersportlern, zum Beispiel Ruderern, ist ein höherer Fettanteil von 35 Prozent erforderlich, weil Fett die höchste Energiedichte hat. Auf diese Weise muss man während des Sports nicht zu belastender kohlenhydratreicher Nahrung greifen. Allerdings sollte man auf eine gesunde Fettauswahl - wie in der Mittelmeerländerküche- achten, das heißt auf Oliven- oder Rapsöl, Nüsse und Ölsaaten und Omega-3-reiche Meeresfische.
sueddeutsche.de: Ihr Buch trägt den allgemeinen Titel "Die richtige Sportlerernährung". Gibt es allgemeine Grundregeln und wo muss man differenzieren - etwa zwischen der richtigen Ernährung eines Kugelstoßers und der eines Marathonläufers?
Hamm: Wir unterscheiden zwischen sportarten- und sportphasenspezifischer Ernährung. Kugelstoßen ist ein Kraftsport, bei dem es auf eine entsprechende Eiweißakzentuierung ankommt. Für Ausdauersportler ist die Anlage von Kohlenhydratspeicher besonders wichtig. Aber auch im Spielsport wie Tennis oder Basketball mit ständigen Intensitäts-, Tempo- und Richtungswechseln ist eine kohlenhydratbetonte Ernährung Pflicht. Allerdings brauchen alle Sportler ebenso Proteine für den Aufbau und Erhalt ihrer Muskeln. Mit "sportphasenspezifischer" Ernährung sind die unterschiedlichen Anforderungen des Trainings - in der Wettkampfvorbereitung, während des Wettkampfs und schließlich nach erbrachter Leistung - gemeint.
sueddeutsche.de: Wie kann ich vor dem Wettkampf meine Leistung gezielt durch die Nahrung steigern?
Hamm: Bei Ausdauerbelastungen, zum Beispiel Marathonläufen, sollte man bis zu einer Woche vor dem Event seine Kohlenhydratreserven, sprich die Glykogenspeicher der Muskeln, gut füllen. Eine abschließende Maßnahme ist die bekannte "Nudelparty" am Vorabend des Laufs. Auch das für die Muskelfunktion wichtige Magnesium sollte man lieber im Vorfeld ausreichend aufnehmen - durch Gemüse, Vollkorn und magnesiumreiches Mineralwasser. Es bringt wenig, erst am Wettkampftag daran zu denken und auf Tabletten zurückzugreifen.
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Hamm: Bei Kohlenhydraten sollten wir auf zwei Dinge achten: auf die Blutzuckerwirksamkeit, den so genannten glykämischen Index, und auf die natürlichen Begleitstoffe von Kohlenhydraten. Denn auch der Vitamin-, Mineralstoff- und Balaststoffgehalt von Lebensmitteln ist für die "Langzeitenergie" von Sportlern mit verantwortlich. Für einen gleichmäßigen Blutzuckerspiegel sorgen etwa Vollkornhafergetreide, wasserreiche Obstsorten (zum Beispiel Beeren), praktisch alle Gemüsesorten, grobkörniges Vollkornbrot und mit bissfest gegarte Nudeln. Auch Basmatireis spendet aufgrund einer besonderen Stärkeart wertvolle Energie. Im Wettkampf sollte an das "gute Gefühl im Magen" gedacht werden und schwer Verdauliches gemieden werden. Bekömmlich sind Hafermüsli mit Joghurt und Erdbeeren, Nudeln mit fettarmer Tomaten-Gemüsesoße oder Basmatireis mit Wokgemüse und Fisch.
sueddeutsche.de: Wozu brauchen Sportler Eiweiß? Und müssen es immer tierische Eiweiße sein?
Hamm: Eiweiß ist das Baumaterial für alle Zellen - also auch unserer Muskeln - und für viele körpereigene Wirkstoffe wie Enzyme und manche Hormone (zum Beispiel Insulin). Sportlich Aktive benötigen zwischen 1,2 bis 1,6 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht. Neben Fleisch, Fisch, Milch, Käse und Ei sind Hülsenfrüchte, Sojalebensmittel und Vollkornprodukte (insbesondere aus Hafer) gute pflanzliche Eiweißlieferanten. Auch Kraftsportler sollten nicht vergessen, dass die Energie für ein Trainingspensum am besten durch Kohlenhydrate gedeckt werden sollte. Auf diese Weise sinkt der Bedarf am Aufbaunährstoff Eiweiß auf ein vernünftiges Maß.
sueddeutsche.de: Wie errechnet man den täglichen Energiebedarf an Tagen mit und ohne Training?
Hamm: Grob geschätzt hat ein Sportler einen Energiebedarf von rund 300 Kilokalorien pro Stunde für mäßig bis mittelmäßig anstrengende Aktivitäten und von maximal 600 Kilokalorien für größere Anstrengungen. Freizeitsportler sollten ihren Energiebedarf grundsätzlich nicht überschätzen und zu viel essen.
sueddeutsche.de: Wie gewährleistet man, dass der Körper all die wichtigen Vitamine und Mineralstoffe täglich ausreichend erhält?
Hamm: Vitamine und Mineralstoffe stellen tatsächlich mit rund 30 Substanzen die größte Nährstoffgruppe dar. Mit einer vielseitigen Mischkost fällt es am leichtesten, alle Mikronährstoffe in zufriedenstellender Menge aufzunehmen. Wer sich mehr bewegt und dadurch mehr essen darf, erhöht automatisch die Sicherheit einer kompletten Vitamin- und Mineralstoffversorgung. Gefährdet sind eher sportlich Aktive, die aus Gewichtsgründen zu wenig essen, wie es Kunstturner, Eiskunstläufer oder Jockeys im Reitsport tun. Wie bei strengen Diäten können sie unter Mangelerscheinungen leiden. Essen Sie täglich mindestens fünf Portionen Gemüse und Obst, bevorzugen Sie Vollkorn gegenüber Weißmehl und ergänzen Sie die pflanzlichen Fitmacher durch Milch, fettarmen Käse sowie Fleisch und Fisch. Hochdosierte isolierte Vitaminpräparate sind dagegen eher kontraproduktiv.
sueddeutsche.de: Was halten Sie von Nahrungsergänzungsmitteln und Sportlernahrung?
Hamm: Nahrungsergänzungsmittel dürfen das Bemühen um eine vollwertige Ernährung nicht ersetzen. Sie können bei besonderen Anforderungen im Sport gewisse Versorgungslücken schließen und eine komplette Nährstoffzufuhr sicherstellen. Bei sehr hohen Energieumsätzen sind zum Beispiel Kohlenhydrat-Energiekonzentrate sinnvoll. Energie- und Eiweißriegel sowie eiweißreiche Shakes sind natürlich fitnessgerechter als herkömmliches Fast-Food. Der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln im Leistungssport bedarf aber einer differenzierten Beratung - vor allem was die Qualität und Unbedenklichkeit der Rohstoffe betrifft. Für eine sinnvolle Nahrungsergänzung spricht zum Beispiel, wenn im Wettkampf keine Zeit für konventionelle Mahlzeiten bleibt.
sueddeutsche.de: Raten Sie zu drei großen Mahlzeiten oder zu vielen kleinen?
Hamm: Nicht-Sportler sollten sich eher auf drei regelmäßige Mahlzeiten beschränken und sich bei einem kleinen zwischendurch aufkommenden Hunger eher fragen, ob sie nicht in Wirklichkeit nur Durst haben. Dann genügt oft ein großes Glas (Mineral-)Wasser als kleiner Fitmacher. Leistungssportler mit Energieumsätzen von 3000 bis zu 5000 Kilokalorien müssen dagegen ihre Energiezufuhr auf fünf und manchmal noch mehr Portionen aufteilen, um den Verdauungstrakt nicht zu überlasten.
sueddeutsche.de: Haben Sie einen "Geheimtipp" für besonders fitnessfördernde Lebensmittel? Und welche sollte man meiden?
Hamm: Verbote gibt es nicht, aber Empfehlungen wie Hafer, Omega-3-haltiger Meeresfisch, fettarme Milchprodukte oder Sojalebensmittel. Außerdem steigern Gemüse, Salate, Kräuter und Früchte, wie sie in der Küche der Mittelmeerländer vorkommen, die Fitness.
Michael Hamm: Die richtige Ernährung für Sportler. Riva Verlag, 17,90 Euro