Die Männer-Diät:Echte Kerle essen Gemüse

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Ananas, Atkins, Trennkost? Frauensache! Buchautor Martin Kunz erklärt, warum Männer Diätmuffel sind und wie man sie trotzdem zum Abnehmen bewegt.

Mirja Kuckuk

Journalist Martin Kunz weiß: Männer wollen satt werden. Er hat den ersten deutschen Männer-Diätratgeber geschrieben.

"Obst und Gemüse muss man Männern unterjubeln" (Foto: Foto: speednik/photocase)

sueddeutsche.de: Was haben Sie heute zu Mittag gegessen?

Martin Kunz: Ich war in der Kantine und habe wie immer vorweg einen Salat oder eine Suppe und dann das Männer-Gericht gegessen.

sueddeutsche.de: Sie haben also Fleisch gegessen?

Kunz: Stimmt. In unserer Kantine gibt es immer ein - wie ich es nenne -Damen-Gericht, sprich etwas Gemüsiges, und ein fleischlastiges Essen für die Herren. Das waren in diesem Fall undefinierbare Fleischklößchen in einer Tomatensauce mit Reis.

sueddeutsche.de: Tun sich zwischen Männern und Frauen wirklich solch archaische Unterschiede auf?

Kunz: Ja, Einvernehmen herrscht lediglich bei den "Unisex"-Gerichten. In der Kantine sind das meistens die Nudeln. Küchenchefs und Restaurantköche bestätigen die unterschiedlichen Präferenzen - Männer essen lieber Fleisch, Frauen Gemüse. Das Verhalten lässt sich bis in die Steinzeit zurück verfolgen, als die Männer jagen waren. Auch heute noch verlangen sie die schnellen Fette und Kalorien, während sich die Frauen im Laufe der Zeit auf Pflanzenkost spezialisiert haben. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die gesunde Reformküche aufkam, interessierte das vor allem die Frauen.

sueddeutsche.de: Männer tun sich also naturgemäß schwer mit Diäten?

Kunz: Diäten sind für Männer kaum ein Thema, weil sie als Zielgruppe nicht berücksichtigt werden: Rund 90 Prozent aller Teilnehmer von Ernährungsstudien sind Frauen. Wenn aus solch einer Studie eine Ernährungsempfehlung hervorgeht, zum Beispiel lieber "low carb" (wenig Kohlenhydrate) statt "low fat" (wenig Fett) zu essen, richtet sich das an Frauen. An den Bedürfnissen von Männern gehen diese Ratschläge oft einfach vorbei.

sueddeutsche.de: Und warum werden die Männer nicht gefragt?

Kunz: Frauen sind die zuverlässigeren Probanden für solche Studien. Männer essen oft unterwegs, ohne sich viele Gedanken darüber zu machen - füllen also auch ungern Essensprotokolle aus. Das führt zwangsläufig zu diesem systematischen Ungleichgewicht. Gehen Sie mal in einer Buchhandlung in die Abteilung "Ernährungsratgeber". Da werden ausschließlich Frauen angesprochen.

sueddeutsche.de: Wie bringt man Männer dazu, sich Gedanken über ihre Ernährung zu machen?

Kunz: Sie brauchen einen Impuls von außen. Das ist symptomatisch für den Mann. Frauen gehen regelmäßig zum gynäkologischen "TÜV". Doch welcher Mann mit 40 oder 50 Jahren geht freiwillig zur Krebsvorsorge? Das sind maximal 15 Prozent der Männer. Es fängt doch bereits bei den Jungs an, die weniger auf Körperpflege und Ernährung achten als Mädchen. Dem Mann fehlt ein gewisses Körperbewusstsein.

sueddeutsche.de: Ananas, Atkins und der Kampf um jedes Gramm sind nur etwas für Diät-Fetischisten wie Karl Lagerfeld?

Kunz: Für die Waage leidet kein Mann. Drei Wochen lang nur Kohlsuppe zu essen, um drei Kilo abzunehmen, ist für ihn keine Motivation. Ihn motiviert vielmehr, dass er am Ende einer Diät fitter ist als sein Tennispartner. Ein weiterer Ansporn ist der Rat vom Fachmann: Sei es der Hausarzt, der dem Mann kritische Blutwerte vorhält, oder der Fitnesstrainer, der den Body-Mass-Index bemängelt. Männer brauchen Zahlen, damit sie ihre Lebensweise hinterfragen.

sueddeutsche.de: Von selbst kommen Männer nicht darauf? Zum Beispiel, wenn die Hose kneift oder die Waage einen permanenten Aufwärtstrend zeigt?

Kunz: Wenn beim Schuhebinden der Bauch im Weg ist, der Mann also körperliche Veränderungen im Alltag spürt, nervt ihn das schon sehr.

sueddeutsche.de: Das ist dann aber schon ein fortgeschrittener Bauch ...

Kunz: Ja, aber spätestens dann ist auch dem Mann bewusst geworden, dass er nicht mehr im Optimalzustand ist. Und damit ist schon mal sehr viel erreicht! Denn nur wenige Männer stellen sich regelmäßig auf die Waage. Sie reden auch nicht - wie Frauen es ganz selbstverständlich tun - über ihr Gewicht oder Diättipps. Körperlichkeit ist kein Thema unter Männern.

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Mirja Kuckuk

sueddeutsche.de: Und zwischen Mann und Frau wird es zwangsläufig zum Tabu?

Martin Kunz lebt zwar keine Diät, macht aber Sport und kocht gern selbst. (Foto: Foto: oh)

Kunz: Ich würde Frauen davon abraten, die Initiative zu ergreifen und dem Partner zu sagen "Du bist zu fett, mach eine Diät". Eher überredet man ihn zu einem Arztbesuch. Das Ganze funktioniert am besten, wenn man es in einem Männerduktus formuliert: "Lass doch mal prüfen, wie fit du bist, vielleicht kann man ja hier und da noch ein Stellrädchen verändern." So kommt es bei Männer besser an. Sie wollen nicht hören: "Du musst aber dünner sein".

sueddeutsche.de: Die klassische Frage der Kommunikation ...

Kunz: Frauen und Männer sprechen eine andere Sprache. Bestimmte Wörter haben für sie unterschiedliche Konnotationen. Kräftig sein - das wollen alle Männer. Aber welche Frau will als "kräftig" bezeichnet werden? Ein Mann möchte wiederum nicht "dünn" sein, das klingt nach Schwäche. Diese Unterschiede lesen sie auch aus Rezepten heraus. Ein Wort wie "Gemüse" bedeutet für Männer so viel wie Hunger. Dagegen hören sich "Speckbohnen" doch schon ganz anders an! "Braten" klingt nach Sattwerden. Deshalb meine Empfehlung: Setzen Sie einem Mann kein gedünstetes Gemüse vor, sondern gebratenes. Das macht ihn mit Sicherheit satter.

sueddeutsche.de: In Ihrem Diät-Ratgeber beschreiben Sie den männlichen Körper metaphorisch als Auto, das regelmäßig zum TÜV muss. Funktionieren Männer wirklich so stereotyp?

Kunz: Ich habe lange nach etwas gesucht, um Männern verständlich zu machen, worum es geht. Die Idee kam mir an der Tankstelle: Ich habe einen Mann beobachtet, der mit seinem Auto aus der Waschanlage fuhr. Er stieg aus und lederte den Wagen liebevoll ab. Am Ende zückte er ein Wattestäbchen, um die Zierleisten zu polieren. Genauso funktionieren Männer: Sie geben wahnsinnig viel Geld für ihr Auto aus - anders bei ihrem Körper! Natürlich gibt es auch Männer, die kochen können und auf ihren Körper achten. Dennoch: 66 Prozent der Männer sind übergewichtig. Das spricht doch dafür, dass es die Masse falsch macht.

sueddeutsche.de: Was unterscheidet denn eine Männerdiät von einer Frauendiät?

Kunz: Das Konzept. Es muss schmecken und die Portionen müssen groß bleiben. Männer mögen nichts, was sich nach wenig essen und wenig beißen anhört. Eine Diät, die aus Weglassen besteht, kommt nicht in Frage. Die Diät muss sicherstellen, dass man satt wird - aber mit weniger Kalorien.

sueddeutsche.de: Das klingt widersprüchlich.

Kunz: Das, was Männern weniger schmeckt - nämlich Obst und Gemüse - muss man ihnen unterjubeln. Es gibt mittlerweile genügend diättaugliche Rezepte, bei denen mehr Gemüse auf dem Teller landet, das Steak aber trotzdem seinen Platz hat. Auch auf Alkohol muss man nicht vollständig verzichten. Zwei, drei Bierchen pro Woche sollten erlaubt bleiben, ebenso ab und an ein Stück Schokolade.

sueddeutsche.de: Zu einer richtigen Diät gehört auch Bewegung. Was gefällt den Männern denn da am besten?

Kunz: So wie in der Küche mit abwechslungsreichen Rezepten gearbeitet werden sollte, müssen Männer sich beim Sport neu organisieren. Sie sollten sich einen Mix aus Sportarten zusammenstellen, die ihnen Spaß machen, aber auch schnelle Erfolge bringen. Dazu gehören Kraft- und Ausdauertraining. Am besten sie spielen Fußball, gehen bergwandern oder boxen. Ein richtig gutes Boxtraining im Fitnesscenter klingt schon mal attraktiver als Nordic Walking oder Yoga. Selbst beim Rasenmähen verbrennt man locker 300 Kalorien!

sueddeutsche.de: Nach dem Männer-Gericht heute Mittag - was werden Sie zu Abend essen?

Kunz: Das weiß ich nicht. Ich bin eingeladen.

sueddeutsche.de: Und was tun Sie, wenn Ihnen ein Braten vorgesetzt wird?

Kunz: Dann würde ich ein Stück Braten essen, sofern ich Lust auf Fleisch habe, dazu aber lieber Gemüse statt Knödel.

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